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Algerien war Frankreichs wichtigste Kolonie, galt lange sogar als integraler Bestandteil der Nation. Formen symbolischer Politik spielten dabei eine zentrale Rolle. Denkmäler, Zeremonien, Orts- und Straßennamen überzogen das Land. Sie schufen einen öffentlichen Raum, den auch die Kolonisierten selbst nutzten, um die politischen und sozialen Strukturen der Kolonie neu zu verhandeln oder gar auszuhebeln.
Auf der Basis von umfangreichem und gänzlich neuem Material aus algerischen und französischen Archiven erkundet Jan C. Jansen diese weite Erinnerungslandschaft vom Beginn der französischen
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Produktbeschreibung
Algerien war Frankreichs wichtigste Kolonie, galt lange sogar als integraler Bestandteil der Nation. Formen symbolischer Politik spielten dabei eine zentrale Rolle. Denkmäler, Zeremonien, Orts- und Straßennamen überzogen das Land. Sie schufen einen öffentlichen Raum, den auch die Kolonisierten selbst nutzten, um die politischen und sozialen Strukturen der Kolonie neu zu verhandeln oder gar auszuhebeln.

Auf der Basis von umfangreichem und gänzlich neuem Material aus algerischen und französischen Archiven erkundet Jan C. Jansen diese weite Erinnerungslandschaft vom Beginn der französischen Kolonisierung bis zum Vorabend des Unabhängigkeitskrieges. Am Schnittpunkt von lokaler und globaler Geschichte, der Analyse von Kulturtransfers und kollektiver Erinnerung, von Herrschaft und Widerstand in Imperien entwirft er ein dynamisches Bild der Kolonialgesellschaft, das sich jenseits einseitiger Lesarten verortet. Zugleich leistet er eine Einführung in die französisch-algerische Konfliktgeschichte, deren Auswirkungen bis heute reichen.

"Die Arbeit ist auf unnachgiebige Weise analytisch und zugleich ein Lesevergnügen. Während sie die historische Erinnerungsforschung grundsätzlich voranbringt, setzt sie neue Maßstäbe für eine politische Kulturgeschichte kolonialer Verhältnisse."

Jürgen Osterhammel Jan C. Jansen ist akademischer Mitarbeiter an der Forschungsstelle 'Globale Prozesse' im Arbeitsbereich Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Konstanz.
Autorenporträt
Jan C. Jansen, Deutsches Historisches Institut Washington.
Rezensionen
"Die Arbeit ist auf unnachgiebige Weise analytisch und zugleich ein Lesevergnügen. Während sie die historische Erinnerungsforschung grundsätzlich voranbringt, setzt sie neue Maßstäbe für eine politische Kulturgeschichte kolonialer Verhältnisse." -- Jürgen Osterhammel

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Was der Konstanzer Historiker Jan. C. Jansen in seiner Studie zur symbolischen Erinnerungslandschaft im kolonialen Algerien schreibt, passt für Andreas Eckert einerseits zum Trend in der Geschichtswissenschaft, von kollektiver Erinnerungskultur zu sprechen, andererseits findet der Rezensent, dass der Autor diesen Trend mit der Eröffnung einer kolonialen Dimension noch transzendiert. Für Eckert eine großartige Sache, weil der Autor, ohne dabei verharmlosend zu sein, zeigen kann, dass die Welt des Kolonialismus keine rein dualistische war und Kolonisierte mit den Einmischungen der Eindringlinge durchaus umzugehen wussten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2014

Denkmäler retour!
Kolonialtrophäen: Wie Frankreich Algerien leer räumte

"Eine in Abteile getrennte, manichäische, unbewegliche Welt, eine Welt von Statuen: die Statue des Generals, der das Land erobert, die Statue des Ingenieurs, der die Brücke gebaut hat. Eine selbstsichere Welt, die mit ihren Steinen die gepeitschten und zerschundenen Rücken erdrückt. Das ist die koloniale Welt." Mit diesen Worten beschrieb Frantz Fanon in seinem Buch "Die Verdammten dieser Erde" (1961) den Hang der französischen Kolonialherren, ihre außereuropäischen Territorien mit Denkmälern und Gedenktafeln zuzupflastern. Wie in all seinen Schriften hatte Fanon damals vor allem Algerien vor Augen. Damals tobte dort seit Jahren ein blutiger Dekolonisationskrieg. Paris wollte die bedeutende Siedlerkolonie auf keinen Fall aufgeben - formal war sie integraler Bestandteil des französischen Nationalterritoriums. Im März 1962 unterzeichneten die französische Regierung und Vertreter der Befreiungsbewegung FLN in Evian trotzdem ein Waffenstillstandsabkommen, welches den Weg in die Unabhängigkeit des Landes bahnte.

Kurz darauf passierte etwas Merkwürdiges. Fieberhaft begannen französische Militärvertreter, in Algerien Informationen über Denkmäler und andere symbolische Objekte zusammenzutragen, deren Geschichte, Größe und Gewicht zu eruieren und lange Listen darüber anzulegen. Als dann im Juli die Bevölkerung nahezu einstimmig für ein unabhängiges Algerien votierte, traten die Militärs in Aktion. "Sie holten", schreibt der Konstanzer Historiker Jan C. Jansen in seiner großartigen Studie zur symbolischen Erinnerungslandschaft im kolonialen Algerien, "Statuen von ihren Sockeln, schraubten Gedenktafeln ab, räumten Exponate aus Museen und lagerten diese in französischen Kasernen und Konsulaten", um sie zurück ins "Mutterland" zu transportieren.

"Erinnerungskultur", "Erinnerungsorte", "kollektives Gedächtnis" - diese Begriffe sind seit zwei Dekaden in der geschichtswissenschaftlichen Literatur en vogue. Dabei blieb die koloniale Dimension fast ganz außer Acht. In Frankreich ist diese Lücke besonders in Hinblick auf Algerien zuletzt geschlossen worden. Und selbst in Deutschland, das nur dreißig Jahre lang Kolonialmacht war, fordert der Kolonialismus zunehmend einen Platz in der kollektiven Erinnerung. Dies dokumentiert sich vor allem in den regelmäßigen Auseinandersetzungen um Straßen, welche die Namen von Personen tragen, die mit kolonialer Ausbeutung und Gewalt verbunden waren, Carl Peters etwa oder Hans Dominik.

Die Streitfälle stehen für die Erinnerung an den Kolonialismus. Jansen hingegen nimmt als einer der Ersten systematisch die Erinnerung im Kolonialismus in den Blick. Die eifrige Suche der Franzosen nach "Erinnerungsstücken" inmitten der turbulenten Endphase ihrer Herrschaft zeigt, welches Ausmaß die öffentliche Erinnerung in Algerien angenommen hatte. Seit Beginn ihrer Herrschaft im frühen neunzehnten Jahrhundert hatten die Franzosen mit großer Energie versucht, einen durch Denkmäler und Rituale symbolisch besetzten öffentlichen Raum zu schaffen - mit dem Ziel der kolonialen Aneignung und imperialen Integration der kolonialen Gesellschaft. Konflikte blieben nicht aus, immer wieder kam es zu heftigen Deutungskämpfen in der Erinnerungspolitik.

Unzählige Akteure waren am Werk, um die erinnerungspolitische Bühne in Algerien zu prägen - "von lokalen Eliten bis zur französischen Staatsführung, von radikalen Siedlervertretern bis zu liberalen Kolonialpolitikern, von traditionellen Notabeln im Dienste des Kolonialstaats bis zu militanten Nationalisten und erklärten Feinden der französischen Kolonialherrschaft". Die erinnerungspolitischen Praktiken standen also nicht für unangetastete koloniale Hegemonie. Auch erschöpften sie sich nicht in der reinen Selbstdarstellung der Kolonisierenden, denen sowieso niemand glaubte.

Die von der Kolonialmacht eingeführten Praktiken erdrückten keineswegs permanent, wie Fanon schrieb, "die gepeitschten und zerschundenen Rücken der Kolonisierten". Vielmehr beobachtete, kommentierte, interpretierte und manipulierte die algerische Bevölkerung in den Städten und auf dem Land französische Inszenierungen. So erhielt etwa das französische Nationalfest am 14. Juli umkämpfte Bedeutungen. Schon gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts förderten verschiedene französische Beobachter und Festredner eine universalisierende, jakobinische Lesart der Französischen Revolution, welche die "Zivilisierungsmission" und die Kolonialherrschaft als deren logische Konsequenz und Fortführung erscheinen ließen. Diese Deutung entwickelte sich bald darauf zu einem wichtigen Bezugspunkt der entstehenden algerischen Protestbewegung. Der 14. Juli wurde jedoch nicht allein zur Ressource im politischen Kampf zwischen Kolonialmacht und einheimischer Opposition, sondern diente auch als Spielfeld für die konkurrierenden Ansprüche und Konflikte zwischen den algerischen Protestparteien.

Fanons Satz "die kolonisierte Welt ist eine zweigeteilte Welt" ist jener, der am häufigsten aus "Die Verdammten dieser Erde" zitiert wird. Doch Jansen zeigt, dass Fanons Vorstellung von einer manichäischen Welt des Kolonialismus nicht greift. Ohne Rassismus und Gewalt der Kolonisierenden zu verharmlosen, betont sein Buch die Ambivalenzen in der Kolonialgesellschaft Algeriens und unterstreicht die Versuche und Möglichkeiten der Kolonisierten, sich mit den Einmischungen der Kolonialherren auseinanderzusetzen, sie gar für sich zu nutzen.

ANDREAS ECKERT

Jan C. Jansen: "Erobern und Erinnern". Symbolpolitik, öffentlicher Raum und französischer Kolonialismus in Algerien, 1830-1950. De Gruyter Oldenbourg Verlag, Berlin 2013. 543 S., geb., 69,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"[...] großartige Studie [...]"
Andreas Eckert in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.04.2014

"Zum Stellenwert der Erinnerungspolitik als durchaus zweischneidiges Instrument der Herrschaftssicherung nicht nur in kolonisierten Gesellschaften! leistet diees Buch einen herausragenden Beitrag."
Werner Ruf in: MGZ 72/2013

"Die Arbeit ist auf unnachgiebige Weise analytisch und zugleich ein Lesevergnügen. Während sie die historische Erinnerungsforschung grundsätzlich voranbringt, setzt sie neue Maßstäbe für eine politische Kulturgeschichte kolonialer Verhältnisse." Jürgen Osterhammel