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Worauf lassen wir uns ein, wenn wir Antisemitismus begreifen wollen? Meinen wir ein Gefühl, ein Ressentiment, eine Haltung, ein Gerücht oder gar nur ein Vorurteil über eine bestimmte soziale und kulturelle Gruppe, die Juden genannt wird? Ressentiments gegen Juden kommen von Rechten, Linken, der Mitte, von Muslimen, sogar von anderen Juden.
Vor diesem Hintergrund ist es Zeit, Bilanz zu ziehen, und eine erweiterte Fassung des mittlerweile zum Standardwerk avancierten Sammelbandes zur Frage des »neuen Antisemitismus« vorzulegen. Die bisherigen Beiträge werden ergänzt um neue Texte, unter
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Produktbeschreibung
Worauf lassen wir uns ein, wenn wir Antisemitismus begreifen wollen? Meinen wir ein Gefühl, ein Ressentiment, eine Haltung, ein Gerücht oder gar nur ein Vorurteil über eine bestimmte soziale und kulturelle Gruppe, die Juden genannt wird? Ressentiments gegen Juden kommen von Rechten, Linken, der Mitte, von Muslimen, sogar von anderen Juden.

Vor diesem Hintergrund ist es Zeit, Bilanz zu ziehen, und eine erweiterte Fassung des mittlerweile zum Standardwerk avancierten Sammelbandes zur Frage des »neuen Antisemitismus« vorzulegen. Die bisherigen Beiträge werden ergänzt um neue Texte, unter anderem zur aktuellen Situation in Großbritannien, Frankreich und Polen sowie um Erörterungen zur Agitation im Netz und um eine Untersuchung zu antisemitischen Einstellungen unter Flüchtlingen. Die älteren Texte sind jeweils zudem durch ein Postskriptum der Autoren angereichert. So ist das Buch nun mehr als ein Diskussionsband, es ist eine Dokumentation und eine Fortsetzung der globalen Debatte über den »neuen Antisemitismus« zugleich.

Mit Texten von Omer Bartov, Tony Judt, Judith Butler, Gerd Koenen, Sina Arnold, Michel Wieviorka, Matthias Küntzel, Katajun Amirpur, Ian Buruma, András Kovács, Rafal Pankowski, Jan T. Gross, Brian Klug, Anshel Pfeffer, Monika Schwarz-Friesel, Ingrid Brodnig, Moshe Zimmermann und Dan Diner.
Autorenporträt
Christian Heilbronn, geboren 1983, arbeitet als Lektor im Suhrkamp Verlag. Doron Rabinovici, 1961 in Tel Aviv geboren, in Wien aufgewachsen, ist Schriftsteller und Historiker. Sein Werk umfasst Kurzgeschichten, Romane und wissenschaftliche Beiträge. In Österreich hat er immer wieder prominent Position gegen Rassismus und Antisemitismus bezogen. Für sein Werk wurde er zuletzt mit dem Anton-Wildgans-Preis und dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln ausgezeichnet. Natan Sznaider, 1954 in Deutschland als Kind aus Polen stammender staatenloser Überlebender der Shoah geboren, ging mit 20 Jahren nach Israel und studierte an der Universität von Tel Aviv Soziologie, Psychologie und Geschichte. Er lehrt heute als Professor für Soziologie an der Akademischen Hochschule in Tel Aviv. Im Suhrkamp Verlag erschien 2007 von ihm, zusammen mit Daniel Levy: Erinnerungen im globalen Zeitalter: Der Holocaust.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2019

Die Zeiten des
Ressentiments
Im Sammelband „Neuer Antisemitismus?“ verteidigt
Judith Butler die anti-israelische Boykottbewegung
VON ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID
Das Fragezeichen im Titel des Buches „Neuer Antisemitismus?“ hätten sich die Herausgeber sparen können. In ihrem Vorwort stellen der Wiener Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici und der in Israel lehrende Soziologe Natan Sznaider fest: „Es gibt einen neuen Antisemitismus, der in den letzten Jahren an Macht gewann. In verschiedenen Städten Europas und der USA wissen sich Juden heute nicht mehr sicher. Dschihadistische Attentate gegen jüdische Institutionen haben zugenommen. Zugleich spielen in einigen Staaten autoritär-populistische Regierungen mit einschlägigen Ressentiments.“
In diesem Sammelband finden sich dafür viele aktuelle Beispiele, auch wenn ein Teil der Texte bereits 2004 publiziert wurde. Darin liegt das Besondere dieses Bandes, in dem man wie in einem Werkstattbericht Entwicklungen nachspüren kann. Die noch einmal abgedruckten Beiträge und das von den Autoren eingeforderte Postskriptum sind gleichzeitig Dokumentation, Standortbestimmung und Fortsetzung einer Debatte, die durch politische Entwicklungen neue Aktualität erhalten hat.
Bei Judith Butler wuchs sich die geforderte kurze Aktualisierung zu einem neuen Essay aus. Dieser Beitrag, der für Diskussionen sorgen wird, geriet zu einem Plädoyer für die Unterstützung der BDS-Kampagne, also der internationalen Boykottbewegung gegen Israel. Die Professorin für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California in Berkeley ruft dazu auf, sich durch BDS – „Boykott, Divestment and Sanctions“ – mit der palästinensischen Nationalbewegung zu solidarisieren und so den antirassistischen Kampf voranzutreiben. Ihr Argument: „Der Boykott richtet sich nicht gegen Juden, er zielt nicht auf israelische Bürger. Er zielt auf israelische Institutionen, die über die Macht verfügen, Druck auf die Regierung auszuüben, ihre verwerflichen Gesetze und politischen Maßnahmen bezüglich Palästina zu beenden.“ Sie sieht BDS als neue solidarische Allianz für mehr soziale Gerechtigkeit.
Den Grund, warum Unterstützung für BDS häufig mit Antisemitismus gleichgesetzt wird, sieht Butler darin, „dass eine neue Definition von Antisemitismus als Antizionismus in den letzten Jahren sowohl in den USA als auch in Europa Fuß gefasst hat“. Demnach stelle jede harte Kritik an Israel Antisemitismus dar. Für sie „wird Antisemitismus mittlerweile ausschließlich als eine Waffe aufgefasst, von der man Gebrauch macht, um Kritik an Israel abzuwehren“. Sie wirft Israel Doppelzüngigkeit vor und verweist in diesem Zusammenhang mehrfach auf Steve Bannon, den früheren rechten Mitstreiter Donald Trumps: „Das Netanjahu-Regime kann Steve Bannon, der auf der Website Breitbart Nazis einen Diskussionsort bot, verzeihen, weil er ein erklärter Zionist ist.“
Der 2010 verstorbene Tony Judt sezierte in seinem Beitrag die Unterschiede zwischen Antisemitismus und Antizionismus – also Feindschaft gegen Juden und Feindschaft gegen den jüdischen Staat. Er bezeichnet es als falsch, „dass in Europa Antizionismus und Antisemitismus synonym geworden“ seien. In den USA dagegen dominiere die Einstellung, dass „antizionistische Haltungen in ihrem Ursprung antisemitisch sein müssen“. Es werde kein Unterschied gemacht, ob jemand „gegen Israel“ oder „gegen Juden“ sei. „Tatsächlich ist der Graben, der Europäer von Amerikanern im Hinblick auf den Nahostkonflikt trennt, heute eines der größten Hindernisse für ein transatlantisches Einvernehmen“, schrieb Judt.
Fast fünfzehn Jahre später würde man gern wissen, wie der amerikanische Historiker, der mit seinem Buch über die „Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart“ ein Standardwerk verfasste, heute das Verhältnis zwischen Europa und den USA einschätzt. Und was hätte er wohl über Trump geschrieben?
Darauf geht Omer Bartov in seinem Postskriptum zu seinem grundsätzlichen Beitrag über „alten und neuen Antisemitismus“ ein, der mit einer Warnung endet: „Wo die Klarheit aufhört, da beginnt die Mittäterschaft.“ In seinem aktuellen Text bekennt der Historiker, der Satz „Noch nie sind die Juden wohlhabender, erfolgreicher und sicherer gewesen, als sie es heute in den USA sind“, treffe nicht mehr zu. Er nennt das Massaker an elf Juden in einer Synagoge in Pittsburgh im Vorjahr als Beispiel dafür. Der US-Amerikaner warnt davor, dies „als die Tat eines Einzelnen abzutun“. Vielmehr sei sie „das Ergebnis einer Politik der Anstiftung und der Lügen sowie der Verbreitung von Verschwörungstheorien durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten und der Männer und Frauen an seiner Seite“. Bartov sieht „Mittäterschaft zahlreicher Mitglieder der Republikanischen Partei, die ihre ethischen und moralischen Prinzipien, ihre Werte für den kurzfristigen politischen Gewinn aufgegeben haben“. Gleichzeitig wirft er den Demokraten und großen Teilen der Öffentlichkeit vor, Rassismus und Feindseligkeit zu wenig entgegenzutreten.
In mehreren Beiträgen setzen sich Autoren kritisch mit Antisemitismus auf der linken Seite auseinander. Sowohl der Wissenschaftler Brian Klug als auch der israelische Journalist Anshel Pfeffer gehen auf Entwicklungen in der Labour Party in Großbritannien, insbesondere unter Parteichef Jeremy Corbyn, ein. Michel Wieviorka zeichnet nach, wie sich der Antisemitismus in Frankreich neu konstituierte. In einem sehr persönlichen Beitrag schildert Jan T. Gross, welch „konstantem Schwall an antisemitischem Dreck“ er in Polen nach dem Erscheinen seines Buchs „Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne“ ausgesetzt war.
Der Aufstieg der Rechten in Europa – ob in Polen, Ungarn, Österreich oder Deutschland – nimmt breiten Raum ein, und es gibt Wiederholungen, die sich bei Sammelbänden nicht vermeiden lassen. In mehreren aktuellen Beiträgen wie jenem von Moshe Zimmermann wird auch auf den muslimischen Antisemitismus eingegangen. Seiner Ansicht nach wird dem zu viel Aufmerksamkeit beigemessen, während „der alte Antisemitismus der westlichen Welt unterbelichtet und marginalisiert“ wird. Der Historiker kritisiert auch den „sehr flexiblen Umgang mit der Kategorie israelbezogener Antisemitismus“.
Gleich mehrere Autoren beleuchten den Aspekt, wie Israel – vor allem die rechtsgerichtete Regierung Netanjahu – damit umgeht. „Kritik am Regierungshandeln, Diskussionen über von den israelischen Streitkräften begangene Kriegsverbrechen, sogar der Verweis auf Menschenrechte und internationales Recht werden in Israel häufig nicht nur als antizionistisch, sondern als antisemitisch betrachtet“, klagt Bartov. Der Historiker Dan Diner schlägt eine „gordische Lösung“ vor: den Antisemitismus zu bekämpfen, als ob es keinen Nahostkonflikt gäbe; den Nahostkonflikt einer Lösung zuzuführen, als gäbe es den Antisemitismus nicht.
Dass der Antisemitismus im digitalen Zeitalter tatsächlich zunimmt, belegt Monika Schwarz-Friesel mit einer Langzeitzeitstudie. Ein Team unter der Leitung der Professorin für Linguistik an der Technischen Universität Berlin hat 300 000 Texte – von Kommentaren in Onlinemedien bis zu Blogs – aus den Jahren 2007 bis 2018 ausgewertet. Das Fazit: „Weltweit nimmt die Codierung und Verbreitung von Antisemitismen, insbesondere über das Web 2.0 zu. Diese Entwicklung in der virtuellen Welt korreliert in der realen Welt mit judenfeindlichen Übergriffen und Attacken, Drohungen und Beleidigungen.“
Dass die von vielen Juden gefühlte Zunahme an Antisemitismus sich wissenschaftlich bestätigen lässt, ist ein alarmierender Befund. Er belegt, warum das Fragezeichen im Titel des Sammelbandes überflüssig ist. Die Herausgeber haben aber Alarmismus vermieden. Ihnen ist es gelungen, ein Gesamtbild aus unterschiedlichen Perspektiven zu zeichnen, das Anlass zur Sorge bietet. Ihr Sammelband liefert einen Beitrag zu einer globalen Debatte, die so neu nicht ist, aber neue Aktualität erhalten hat – in Deutschland etwa durch Äußerungen der AfD nach der Holocaust-Gedenkrede von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Bartovs aktuelle Einschätzung – „dies sind nicht länger sichere Zeiten für Juden“ – sollte ein Weckruf sein.
Christian Heilbronn, Doron Rabinovici, Natan Sznaider (Hrsg.): Neuer Antisemitismus? Fortsetzung einer globalen Debatte. Suhrkamp-Verlag, Berlin 2019. 495 Seiten, 20 Euro.
„Wo die Klarheit aufhört,
da beginnt die Mittäterschaft“,
schreibt Omer Bartov
Der Entwicklung in der virtuellen
Welt entsprechen in der realen
judenfeindliche Übergriffe
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2019

Lebendige Ressentiments
Ein Sammelband diskutiert den neuen Antisemitismus

Es ist die Geschichte eines Antisemitismus nach der Judenvernichtung, die in diesem Sammelband erzählt wird - schon zum zweiten Mal. In der ersten Auflage vor fünfzehn Jahren formulierten die Herausgeber Doron Rabinovici und Natan Sznaider eine These als Frage: Ob es das überhaupt gibt, so etwas wie einen "neuen Antisemitismus". Damals, schreiben sie in der Einführung, hätten sie gedacht, die Gesellschaft habe sich zu sehr verändert, um noch bekennende Antisemiten hervorzubringen. Heute sei der traurige Gegenbeweis erbracht: In Amerika und Europa werden antisemitische Einstellungen wieder salonfähig, rechtspopulistische Bewegungen gewinnen an Zulauf. Grund genug für eine erweiterte und überarbeitete Neuauflage.

Insgesamt achtzehn Beiträge versammelt der Band, er beleuchtet den historischen Antisemitismus, verhandelt aber vor allem seine aktuellen Ausprägungen in verschiedenen Ländern, darunter Frankreich, Iran, Amerika, Israel, Ungarn, Polen und Großbritannien, und - ein Phänomen, das seit der Studie "Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses" von Monika Schwarz-Friesel neue Aufmerksamkeit erhält (F.A.Z. vom 19. Juli 2018) - im Internet.

Die wenigen Beiträge, die in ihrer ursprünglichen Fassung erhalten geblieben sind, wurden jeweils um ein kurzes Postskriptum erweitert. Obgleich es hier einige Überschneidungen zwischen den Texten gibt, ist diese Ergänzung sehr gelungen, weil sie anschaulich macht, wie sehr die Thematik an Brisanz gewonnen hat. Ein für die westlichen Staaten relativ junges Phänomen ist die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit, die der islamisch geprägte, "importierte" Antisemitismus erfährt. Er findet in fast allen Beiträgen Erwähnung; eine explizite Analyse dazu liefert die Sozialwissenschaftlerin Sina Arnold, deren Kritik an einer "Engführung der Geflüchteten" jedoch einseitig ausfällt. Als altes Thema, das eine neue Schieflage erhalten hat, machen die Autoren die Kritik am Staat Israel aus. Sie wollen die "Dichotomie zwischen Alarmisten und Leugnern" durchbrechen. Dennoch gebe es eine klare Tendenz: Der Antisemitismus habe zugenommen, ebenso die Instrumentalisierung politischer Themen für antisemitische Zwecke.

Überall brodelt eine Masse an wütenden Bürgern, "ein schwer quantifizierbarer Fundus diffuser Ressentiments und ein dumpfer Groll" (Gerd Koenen). Er bricht enthemmt in digitalen Foren aus, nimmt in der extremen Rechten wie der Linken Gestalt an und äußert sich noch immer in Strukturen der aggressiven Schuldabwehr - wie in jüngster Zeit wieder in Polen. Die persönlichen Betrachtungen von Jan T. Gross, dem polnisch-amerikanischen Historiker, der mit seinem Buch über den Mord an den Juden in Jedwabne vor einigen Jahren eine erhitzte Debatte ausgelöst hat, gehören zu den eindrücklichsten Texten des Bandes. Er erzählt von der Geschichtsverfälschung, die durch die nationalistische PiS-Partei vorangetrieben werde und am Ende so weit gehe, dass jüdische Überlebende kriminalisiert würden.

Kritik am gruppenspezifischen Antisemitismus ist eine Gratwanderung. Auch das spiegeln die Beiträge: Wer andere anklagt, kann sich selbst entlasten. So funktioniert die Rhetorik der gegenseitigen Anschuldigung. Die eine Seite meint: Anstatt über einen angeblich islamischen Antisemitismus zu reden, sollen die sich doch lieber um ihren eigenen Antisemitismus kümmern! Und die andere: Den Antisemitismus haben die Migranten mitgebracht! Wir haben damit nichts zu tun! Jeder steht unter Verdacht; nur man selbst ist davon ausgenommen.

Diese Leerstelle findet sich auch in dem hochproblematischen Beitrag der feministischen Philosophin Judith Butler, die ihre alte Fassung der Erstauflage zu einem neuen Essay umgeschrieben hat. Sie zielt auf eine resolute Verteidigung der antiisraelischen Bewegung BDS, die zum Boykott und zu Sanktionen gegen Israel aufruft, um sich, wie Butler schreibt, gegen "staatlichen Rassismus" und die Unterdrückung der Palästinenser zu wehren. Kritiker stufen den BDS dagegen als zutiefst antisemitisch ein. Es ist schwindelerregend, mit welch kruder Argumentation Butler, die selbst jüdischer Herkunft ist, diese Kritik abzuhandeln versucht. Dass der Staat Israel gar nicht alle Juden repräsentiere und der BDS aus diesem Grund auch nicht antisemitisch sei, wenn er sich gegen Israel richtet, ist nur die Spitze des Eisbergs, der sich in ihrer Analyse auftürmt. Warum dieser Beitrag unwidersprochen bleibt, erschließt sich in dem ansonsten sehr informativen und nachdenklichen Sammelband nicht.

HANNAH BETHKE

"Neuer Antisemitismus?" Fortsetzung einer globalen Debatte. Hrsg. v. Christian Heilbronn, Doron Rabinovici und Natan Sznaider.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 494 S., br., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hannah Bethke findet die von Christian Heilbronn, Doron Rabinovici und Natan Sznaider besorgte erweiterte Neuauflage dieses erstmals vor 15 Jahren erschienenen Bandes sinnvoll und wichtig. Die Geschichte des Antisemitismus mit einem Blick auf aktuelle rechtspopulistische, antisemitische Entwicklungen in Ländern wie Frankreich, Iran, Amerika, Israel, Ungarn, Polen, Großbritannien u. a. zu verbinden, findet Bethke informativ und anregend. Die alten Texte mit neuem Postskriptum und die neuen Beiträge lassen sie erkennen, wie das Thema an Brisanz zugenommen hat. Sina Arnolds Text über den islamischen Antisemitismus und seine Verbreitung oder den Beitrag von Jan T. Gross, der die Geschichtsklitterung der polnischen PiS-Partei erläutert, liest sie mit Gewinn. Ratlos hingegen macht Bethke Judith Butlers umgeschriebener Beitrag im Band. Wie die Autorin den antiisraelischen BDS zu verteidigen versucht, verursacht ihr Schwindel.

© Perlentaucher Medien GmbH
»'Antisemitismus ist der Hass auf das Universale und auf das Partikulare der modernen menschlichen Existenz. Das ist nicht nur ein jüdisches Problem, sondern eine Bedrohung für die Pluralität im globalen Zeitalter an sich.' So steht es hinten auf dem Buch und deswegen muss es gelesen werden.« Ulf Poschardt DIE WELT 20190223