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Als Océane an ihrem fünfzehnten Geburtstag von der Schule nach Hause kommt, wird sie Augenzeugin einer brutalen Razzia. Es ist der 11. Juni 1981. Die Polizei beschlagnahmt die Fischernetze der Mi'gmaq, die seit Jahrhunderten vom Lachsfang leben. Viele werden verhaftet, es gibt Tote. Québec, ganz Kanada ist in Aufruhr. Kurz darauf findet der Ranger Leclerc ein indigenes Mädchen, das mehrfach vergewaltigt wurde. Zusammen mit dem Mi'gmaq William versucht er die Tat aufzuklären. Dabei kommen sie einem Netzwerk auf die Spur, in das auch die Polizei verstrickt ist. Taqawan, so nennen die Mi'gmaq den…mehr

Produktbeschreibung
Als Océane an ihrem fünfzehnten Geburtstag von der Schule nach Hause kommt, wird sie Augenzeugin einer brutalen Razzia. Es ist der 11. Juni 1981. Die Polizei beschlagnahmt die Fischernetze der Mi'gmaq, die seit Jahrhunderten vom Lachsfang leben. Viele werden verhaftet, es gibt Tote. Québec, ganz Kanada ist in Aufruhr. Kurz darauf findet der Ranger Leclerc ein indigenes Mädchen, das mehrfach vergewaltigt wurde. Zusammen mit dem Mi'gmaq William versucht er die Tat aufzuklären. Dabei kommen sie einem Netzwerk auf die Spur, in das auch die Polizei verstrickt ist.
Taqawan, so nennen die Mi'gmaq den Lachs, wenn er flussaufwärts zu seinem Geburtsort schwimmt. Auch Éric Plamondon begibt sich zu den Ursprüngen: Er verwebt die Geschichte der Kolonisation Ostkanadas mit den Legenden der Mi'gmaq und ihrem Ringen um Eigenständigkeit. Ein packender Roman noir und ein faszinierender Einblick in die Lebenswelt dieser First Nation.
Autorenporträt
Éric Plamondon, geboren 1969 in Québec, studierte Journalismus an der Universität Laval und Literatur an der Universität von Québec in Montréal. Seit 1996 lebt er in der Region Bordeaux, wo er in der Kommunikation tätig ist. Er veröffentlichte bisher sechs Romane, die zahlreiche Auszeichnungen erhielten. www.ericplam.com.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Sylvia Staude findet Eric Plamondons Krimi aus Quebec spannend, auch wenn der Autor immmer wieder zu Exkursen ansetzt über die Natur und die First Nations und ihre Ausrottung. Es geht also um Diskriminierung, aber auch um den Lachs und wie man ihn fängt (mit Ahornzucker). Daneben bzw. eigentlich geht es um die Vergewaltigung eines Mi'gmaq-Mädchens, um Polizeigewalt und durchaus auch Action. "Böse beißen ins Gras", so Staude. Das bisschen Belehrung über Heilmittel und Bisons nimmt Staude da gerne hin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2020

Blut an den Händen
Éric Plamondon kennt das zerrissene Kanada

Als Taqawan bezeichnen die Mi'gmaq den Lachs, der zum ersten Mal in den Fluss seiner Geburt zurückkehrt. In diesem Fall ist es der Restigouche, der an der Ostküste Kanadas in die Chaleur-Bucht mündet und so die Provinzen Québec und New Brunswick voneinander trennt. Hier, wo schon Tausende Jahre vor Christus erste Menschen vom Lachsfang lebten, beschlagnahmte die Polizei am 11. Juni 1981 in einer brutalen Razzia die Fischernetze der Mi'gmaq. Die Bilder der Verletzten und Toten gingen, auch dank des Dokumentarfilms "Incident at Restigouche" von Alanis Obomsawin, um die Welt.

Éric Plamondon nimmt den Vorfall in "Taqawan" zum Ausgangspunkt eines abenteuerlichen Roman noir. Am Tag nach dem Einsatz findet der Ranger Yves Leclerc ein Mädchen in den Wäldern, eine junge Indigene, verstört, mehrfach vergewaltigt. Die Suche nach den Tätern führt bis ins Québecer Beamtentum, mitten hinein in eine Gesellschaft, die ihr Selbstverständnis auf strukturellen Rassismus gründet. "In Québec haben wir alle Indianerblut", sagt irgendwann jemand. "Entweder in den Adern oder an den Händen."

Bevor der Krimiplot in "Taqawan" jedoch an Fahrt gewinnt, erlaubt sich Plamondon diverse Abzweige. Seine Kapitel sind dicht und bündig, manche wie eigene Kurzgeschichten, die etwa die Legenden und den Alltag der First Nations, der indigenen Völker, zur Zeit beschreiben, bevor die Europäer im Sankt-Lorenz-Strom ankerten. Andere lesen sich wie kurze Essays, die einen Einblick in Kanadas verworrene Kolonialgeschichte gewähren, von Kriegen und Stellvertreterkriegen erzählen, vom bis heute andauernden politischen Gezerre zwischen der Bundesregierung und den einzelnen Provinzen, von den Unabhängigkeitsbestrebungen der französischsprachigen Minderheit in Québec.

Zwischendurch wird es experimentell: Ein Kapitel widmet Plamondon dem ersten Fernsehauftritt des späteren kanadischen Nationalheiligtums Céline Dion. Das nächste bietet ein Rezept für Austernsuppe, ein anderes den Werbetext für einen luxuriösen Campingwagen. Den Kontrast zu diesem literarischen Puzzlespiel bilden erstaunlich viele Leichen und drastische Action. Der Autor verankert den Fall der fünfzehnjährigen Océane dabei ganz spezifisch im Kontext der Québecer Politik und Kulturgeschichte.

Im Protagonisten Leclerc, einem wortkargen Eigenbrötler, der mit seiner Hündin in einer feudalen Waldhütte lebt, spiegelt sich die Zerrissenheit der ganzen Provinz, die von der Bundesregierung Rechte fordert, die sie selbst den First Nations nicht gewährt. Dass Leclerc als Ranger zur Razzia bei den indigenen Fischern einbestellt wird, quittiert er, indem er seine Uniform zurückgibt, und seine moralischen Grundsätze verteidigt er zur Not auch mit Fäusten und Waffen. Aber zugleich wählt er die Separatisten, die ihren Zwist mit Premierminister Pierre Trudeau auf dem Rücken der Mi'gmaq austragen.

Überhaupt schmeichelt Plamondon, 1969 in Québec geboren, seinen Landsleuten nicht. Er selbst lebt seit den neunziger Jahren in Frankreich - und die wenigen weißen Québecer, die in "Taqawan" als Nebenfiguren auftauchen, sind barbarische Polizisten oder rassistische Hinterwäldler. Angesichts der mangelnden Sympathieträger verschieben sich so die Gefühle hin zur widerspenstigen Schönheit des Landstriches selbst. "Gespeg" lautet das Mi'gmaq-Wort für "Ende der Welt", das der Gaspésie-Halbinsel ihren Namen gab; das Land als einzige Konstante in einer Geschichte ewig währender Gnadenlosigkeit. Plamondon lässt es auf eine Weise lebendig werden, die an Nature Writing erinnert. So effizient und aufgeräumt er die Grausamkeiten schildert, die seine Figuren einander antun, so poetisch beschreibt er die Nieren des Lachses, die sich an Salz- und Süßwasser anpassen können.

Er spielt mit Anatomie, Etymologie und mit Anekdoten aus frühen Siedlerzeiten, die die Kälte zwischen den Bewohnern dieses Landes nicht aufzutauen vermögen. Seine besondere Faszination gilt den traditionellen Jagdmethoden der Mi'gmaq: Ein riesiger Ahorn wird zum Totschläger in einer Bärenfalle. Ein Elch wird erlegt, indem man ihn in ein locker gespanntes Seil hineinrennen und einen Baumstamm am Hals hinter sich herziehen lässt, bis sich das Tier buchstäblich totläuft. Auch Plamondons Erzähl-Schlinge zieht sich zu, bis er seine Figuren ausnimmt und in den Fluss zu den Lachsen wirft.

KATRIN DOERKSEN

Éric Plamondon: "Taqawan". Roman.

Aus dem Französischen von Anne Thomas.

Lenos Verlag, Basel 2020.

208 S., br., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2020

Das Leben
der Lachse
Éric Plamondons kanadischer
Kolonialismus-Thriller „Taqawan“
Wann beginnt die Geschichte? Am 11. Juni 1981, als die Québecer Polizei in das Indianerreservat Restigouche einmarschiert und die Netze der Mi’gmaq zerstört, mit denen sie dort wie seit Urzeiten Lachse fangen? 1496, als John Cabot im Auftrag des englischen Königs an der kanadischen Küste landete? Oder vor zehntausend Jahren, als die ersten Hominiden über die Beringstraße die Halbinsel Gaspésie erreichten und beschlossen, zu bleiben, weil es dort mehr Fisch zu fangen gab, als sie essen konnten?
In Éric Plamondons Roman „Taqawan“ gilt jede dieser Zeitrechnungen: Erdgeschichte, Weltgeschichte, kanadische Geschichte und die Geschichte von Océane, die an jenem 11. Juni 15 Jahre alt wird, zusehen muss, wie die Polizei ihren Vater verhaftet und die dann von drei Polizisten vergewaltigt wird.
Plamondon liegt es fern, dieses Verbrechen symbolisch aufzuladen. Er hält ohnehin nichts von Effekten. Es dient ihm nur dazu, die verschiedenen historischen Fäden zu verknüpfen – und die Leben seiner Protagonisten: das der klugen Océane, das des Rangers Yves Leclerc, der sie in einem Sumpf findet, das seines Nachbarn William, der ebenfalls Indianer ist, aber fern von seinem Volk lebt. Und schließlich das der jungen französischen Lehrerin Caroline, die es für ein Schuljahr in diese kalte Wildnis und frühere Kolonie ihres Heimatlands verschlagen hat.
Der Kolonialismus, die Unterdrückung eines Volks durch ein anderes, ist in aller ihrer Leben präsent. Nicht als historisches Ereignis, sondern als nicht abzuschüttelnder Begleiter des Lebens, wie der Wind oder die Kälte im kanadischen Winter. Nur betrifft er jeden anders. Leclerc, ein Anhänger der Québecer Unabhängigkeitsbewegung, gibt nach dem brutalen Einsatz der Polizei wütend seine Uniform ab, weniger aus Abscheu über den Umgang mit den Indianern als aus Hass auf die Regierung in Ottawa. Océane hat das Glück, einen Lehrer gefunden zu haben, der sie fördert. Ratlos-arglos gibt er ihr Geschichten von Jack London zu lesen, „weil es darin um Indianer geht“.
Nach und nach zeichnet sich ein Thrillerplot ab, doch Plamondon hat es damit nicht eilig. Anders als an den FBI-Pinnwänden mit ihren Fotos von Verdächtigen, Schauplätzen, Tatwaffen arrangiert Plamondon rund um das Verbrechen Exkurse über das Leben der Lachse, den ersten Fernsehauftritt von Céline Dion oder erläutert, wie die Mi’gmaq Elche zur Strecke bringen. Lose fädelt er diese Fragmente auf, entschlossen, das große Bild nicht aus dem Blick zu verlieren, ohne das ein solcher Fall nicht zu lösen ist.
Gegen Ende kann der Historiker und Anthropologe in Plamondon die Dinge nicht mehr bremsen. Motorboote krachen ineinander, Reifen rollen über Körper, ein Haus steht in Flammen. Doch ihm erscheint ein anderes Ereignis aufregender: die Verfassungsreform von 1982, mit denen die Hoffnungen der Québecer Nationalisten enttäuscht, die Indianer aber endlich als eigene Völker anerkannt wurden.
JÖRG HÄNTZSCHEL
Éric Plamondon: Taqawan. Aus dem Französischen von Anne Thomas. Lenos Verlag, Basel 2020. 208 Seiten, 22 Euro.
Es gibt viel Action, am
aufregendsten aber erscheint
die Verfassungsreform von 1982
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"Ein wahnsinniger Roman, brillant, mitreißend, zuweilen frösteln machend, ein Abenteuer in der Tradition von Jack London, Herman Melville und Joseph Conrad." (La Cause littéraire)