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Was ist Liebe? Was ist Abhängigkeit? Was ist Manipulation? Mutters Puppenspiel handelt von Menschen, die schwer zueinanderkommen oder die sich nicht voneinander lösen können. Die Szenerie sagt: Wohlhabendes Bürgertum. Im Zentrum steht eine narzisstische Mutter, die ihre Tochter emotional missbraucht. Die Tochter, eine emanzipierte Ärztin, durchschaut zwar das Marionettenspiel ihrer Mutter ganz genau, kann sich aber trotzdem nicht aus der drogisierenden Liebes-Übermacht dieser Frau befreien. Bis ein Mann auftaucht, mit dem die Tochter leben möchte.Entscheidet die Tochter am Ende für oder gegen…mehr

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Produktbeschreibung
Was ist Liebe? Was ist Abhängigkeit? Was ist Manipulation? Mutters Puppenspiel handelt von Menschen, die schwer zueinanderkommen oder die sich nicht voneinander lösen können. Die Szenerie sagt: Wohlhabendes Bürgertum. Im Zentrum steht eine narzisstische Mutter, die ihre Tochter emotional missbraucht. Die Tochter, eine emanzipierte Ärztin, durchschaut zwar das Marionettenspiel ihrer Mutter ganz genau, kann sich aber trotzdem nicht aus der drogisierenden Liebes-Übermacht dieser Frau befreien. Bis ein Mann auftaucht, mit dem die Tochter leben möchte.Entscheidet die Tochter am Ende für oder gegen sich?Der Psychotherapeutin Ulla Coulin-Riegger ist ein atemberaubendes Debüt gelungen, das jedem, der es liest, ein Fenster des Nachdenkens und der Freiheit öffnet.
Autorenporträt
Geboren 1950 in Stuttgart. Studium der Psychologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Nach dem Diplom Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin, seit 1996 niedergelassen in eigener Praxis als Verhaltenstherapeutin und systemische Familientherapeutin bei Esslingen."Schreiben bedeutet für mich einige Schritte von mir selbst und anderen zurückzutreten, um aus dieser Distanz heraus einen freieren Blick auf menschliche Verstrickungen und Abhängigkeiten zu wagen. Schreibend versuche ich zu verstehen, anzunehmen und dabei vielleicht das goldene Tor zur Selbstliebe und Selbstachtung für mich und meine Leser aufzustoßen." Ulla Coulin-Riegger
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2020

Entgegen den Erwartungen sind die Spiele nie beendet
Auch eine selbstbewusste Ärztin leidet noch unter Liebesentzug: Zum wunderbaren späten Romandebüt "Mutters Puppenspiel" von Ulla Coulin-Riegger

Ulla Coulin-Riegger ist mehrfache Mutter und Großmutter. Sie führt eine Praxis als Verhaltenstherapeutin und leitet systemische Familienaufstellungen. Mit "Mutters Puppenspiel" legt die Neunundsechzigjährige ein erstaunliches Romandebüt vor. Psychologisch genau und jenseits literarischer Eitelkeiten gelingt ihr ein Kabinettstück zum Phänomen der Liebesmanipulation. Der Text ist aus der Ich-Perspektive der achtunddreißigjährigen HNO-Ärztin Lisette geschrieben. Ihre Stimme ist ruhig, um Selbstkontrolle und Sachlichkeit bemüht. Umso eindringlicher wirkt es, wenn Lisette ihren Willen zu abwägender Klarheit vergisst und der Kinderschmerz und seine konsequente Fortsetzung im Erwachsenenleid durchschlägt. "Mutti, Mutti, warum bist du nie froh, es tut so weh."

Lisette, beruflich erfolgreich und selbstbewusst, ist im Privatleben unsicher und abhängig von der Anerkennung ihrer narzisstischen Mutter, deren seelisches Kapital sich in Geld erschöpft. Und manchmal in der Erinnerung daran, schön gewesen zu sein. Nach dem Tod ihres viel älteren Mannes gab sie das eheliche Anwesen auf (Villa mit Hausangestellten, Gärtnern, Tierpark, in dem sich tummelte, "was mein Vater frisch erlegt auf dem Esstisch vorzufinden wünschte"), und lebt nun allein und latent beleidigt in einer Eigentumswohnung, in der Nähe der Tochter. Jeden Sonntag kommt Lisette zu Besuch und versucht, "auch heute unserer Zweisamkeit etwas Gemütliches abzuringen". Leicht droht die Mutter mit Liebesentzug. Wie in Lisette immer noch das abgerichtete Kind steckt und das mütterliche Schmollen, ihr übergriffiges Begutachten der selbstbewussten Ärztin Angst machen kann, wird anhand scheinbar harmloser Alltagsdetails zum gespenstisch widerhallenden Echoraum des Romans.

Einst hatte die Mutter ein damenhaft lächelndes Leben geführt - in Zeiten, da Soraya und Jackie Kennedy weibliche Ikonen waren. Und wenn sie auf den Dias, die der Gatte nach Geschäftsreisen stolz zeigte, im Rückspiegel seines Mercedes 280 SL eine Beifahrerin entdeckte (er hatte das beim Aussortieren wohl übersehen), dann schluckte sie. Ihr weiblicher Wertekanon war einfach: Es gibt Mütter (wobei auch kinderlose Frauen, wie etwa ihre Bankerin, mütterlich sein können) und Flittchen. Das sind Frauen, die verheiratete Männer verführen. Diese Kategorisierung ist insofern prekär, als die Mutter selbst neunzehnjährig schwanger wurde von einem anderweitig verheirateten Mann, der seine unfruchtbare Frau daraufhin verließ. Lisette durchschaut das alles und bleibt doch süchtig an der Nadel der Mutterliebe hängen.

Dabei wäre ein Aufbruch möglich. Lisette ist verliebt. Sie möchte ihrer Mutter gestehen, dass sie sich schon seit einiger Zeit heimlich mit Emil trifft, einem unglücklich verheirateten Gymnasiallehrer. Und vielleicht ist sie, was sie nicht mehr zu hoffen wagte: schwanger! Doch das Sonntagsritual nimmt seinen Lauf. Also Kuchenteller abwaschen, den von Mutter kaltgestellten Sekt öffnen, nippen. Danach beginnt der rituelle Höhepunkt: Die Mutter verlangt knapp nach ihrer Handtasche, die Tochter muss fragen, was sie denn damit wolle, nur um mit der wiederholten Anweisung, sie zu bringen, bedacht zu werden. Danach soll Lisette die Brille aus dem Schlafzimmer holen, wo sie, wie sie weiß, nicht ist. Aber sie wird nochmals in den Muttergeruch der Kleider und Kissen geschickt, bis sie die Brille im Bad finden darf. Nun öffnet die Mutter umständlich die feine Handtasche, die Geldbörse aus Krokodilleder. Sie streckt Lisette Geldscheine entgegen, die diese schamvoll entgegennimmt. Nach dieser Demütigung folgt eine steife Umarmung. "Die Spiele sind beendet und endlich kann ich mich wieder verabschieden."

Eingefügt in die sezierenden Stufen der sonntäglichen Rituale, die eine Steigerung in Krankenhausbesuchen finden (ein harmloser Schwächeanfall, aber die Mutter vermutet einen Hirntumor), sind Szenen aus Lisettes Kindheit und Jugend. Porträtiert wird ein im Wohlstand verwahrlostes einsames Mädchen, das vor allem mit dem Personal Kontakt hat. Sie steht im Schatten der selbstverliebten Mutter und ist für das Wohlbefinden des Vaters zuständig. So muss Lisette nicht nur auf dem privaten Tennisplatz mit ihm Doppel gegen die Prokuristen spielen, sie hockt auch vor der elektrischen Eisenbahnanlage, "um dem Vater für einige Stunden den Sohn zu ersetzen".

Und nun ist sie vielleicht schwanger. Lisette hatte nicht verhütet, weil sie aus mehrjähriger Erfahrung mit dem letzten Liebhaber glaubte, unfruchtbar zu sein. Als sie beim Ultraschall das pochende Herz ihres Kindes erkennt, ist sie fassungslos und meint, in ihrem Leben nie "so etwas Wunderbares, Unglaubliches gesehen" zu haben. Und Emil? Wird er sich - er ist gerade mit seiner Frau auf einer Reise - über das Kind freuen? (Sie hofft es.) Könnte sie das Kind allein großziehen? (Sicher! Sie ist finanziell unabhängig, würde sich eine Kinderfrau leisten.) Für Momente ist Lisette glücklich und bereit zur Verantwortung. Doch die Mutter seufzt: "Du wirst das doch nicht etwa behalten wollen."

Der Roman, der langsam begann, gerät in eine ungeheure Beschleunigung. Die Mutter traut der Beziehung ihrer Tochter zu Emil nicht und bringt nach und nach auch Lisette ins Zweifeln. Will sie den Mann durch ein Kind binden? Dann wäre sie ein Flittchen, das sich in seine Ehe drängt. Hat sie ein Recht auf ein Kind, wenn sie ihm nicht den Vater garantieren kann? Als Emil in einem unerwarteten Moment anruft, bricht es aus Lisette heraus und sie gesteht ihm die Schwangerschaft. Worauf Emil spontan mit einem "Warum?" antwortet. Und gleich auflegen muss; sein Frau kommt herein. Was hat Lisette erwartet? Spontane Freude?

Sie ist Ende des dritten Monats. Beim Besuch der Frauenärztin, die den Mutterpass ausstellen soll, sieht sie während des Ultraschalls keinen Herzschlag mehr. Eine Ausschabung also. Vor dem Eingriff schläft sie wie ein kleines Mädchen bei der Mutter. Lesend verfolgt man atemlos, wie Lisette tapfer, ja willensstark in ihren Schmerz geht. Wie sie trauert. "Mein Kind wird nie den Schnee sehen." In der Klinik hat sie Ruth kennengelernt und eine kleine Freundschaft erfahren. Ruth kann das Familienspiel durchbrechen. Sie nimmt Lisette an, wie sie ist, Lisette darf weinen. "Ich habe ihr nichts gegeben als mein Leid." Zum ersten Mal verbringt sie Weihnachten nicht mit Mutter, Rehbraten und Spätzle, sondern in den Bergen mit Ruth und deren Mann, der Stieftochter, einer Freundin. Und die Beziehung zu Emil festigt sich. Er verlässt seine Frau. Lisette und er können nun frei miteinander reisen. Manchmal nehmen sie auch die Mutter mit.

Das Schlussbild zeigt Lisettes Hochzeit mit Emil. Und der Autorin gelingt es im vorletzten Satz, Ruth eine einzige Frage stellen zu lassen, die uns zwingt, das Buch noch einmal von vorne durchzuschauen. Auf der Suche nach Indizien. Wir haben nicht nur die Geschichte einer Manipulation gelesen, wir sind mit der Heldin selbst in eine fremdbestimmte Zukunft gegangen. "Meinwärts", das letzte Wort aus dem Gedicht "Weltflucht" von Else Lasker-Schüler und Motto des Buchs, wäre ein Gegengift zu Manipulation. Meinwärts würde heißen, Heimat in sich zu finden. Dieser schmale Roman, Rollenprosa einer armen Seele, kann helfen, genauer zu werden beim Hinsehen und Hinhören darauf, was wir selbst wollen.

ANGELIKA OVERATH.

Ulla Coulin-Riegger: "Mutters Puppenspiel". Roman.

Verlag Klöpfer, Narr, Tübingen 2020. 174 S. , geb., 22,- [Euro].

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