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Die Frontpropaganda erlebte im Ersten Weltkrieg auf alliierter wie auch auf deutscher Seite ihren Durchbruch. Während des Krieges avancierte die Beeinflussung der gegnerischen Moral zu einem modernen Kriegsmittel. Die Propagandabotschaften wurden in Form von Flugblättern und Zeitungen millionenfach abgeworfen und mit Kanonen verschossen. Neben der Schwächung des Kampfwillens der gegnerischen Truppe war auch der Kriegswille der feindlichen Bevölkerung Ziel der Propagandaattacken. Darum waren neben der eigenen Feindpropaganda auch die Abwehr der gegnerischen Beeinflussungsversuche und die…mehr

Produktbeschreibung
Die Frontpropaganda erlebte im Ersten Weltkrieg auf alliierter wie auch auf deutscher Seite ihren Durchbruch. Während des Krieges avancierte die Beeinflussung der gegnerischen Moral zu einem modernen Kriegsmittel. Die Propagandabotschaften wurden in Form von Flugblättern und Zeitungen millionenfach abgeworfen und mit Kanonen verschossen. Neben der Schwächung des Kampfwillens der gegnerischen Truppe war auch der Kriegswille der feindlichen Bevölkerung Ziel der Propagandaattacken. Darum waren neben der eigenen Feindpropaganda auch die Abwehr der gegnerischen Beeinflussungsversuche und die Erhaltung der eigenen Moral an der Front und in der Heimat wichtige Aufgaben der Kriegspropaganda.
Das Buch gibt einen umfassenden Überblick zu Inhalten und Einsatz der Frontpropaganda während des Ersten Weltkriegs. Darüber hinaus wird gezeigt, dass die Flugschriftpropaganda des Ersten Weltkriegs ihre eigentliche Wirkung erst entfaltete, nachdem der Krieg beendet war. Der Vorwurf der Kollaboration mit der feindlichen Propaganda wurde zu einem integrativen Bestandteil der nationalistischen Polemik gegen die Sozialdemokratie und die Weimarer Republik. Der Propagandastaat der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) war ein direktes Erbe der Erfahrungen mit der Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs und der Angst vor einem erneuten Zusammenbrechen der deutschen Moral in einem zukünftigen Krieg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Manfred Nebelin freut sich über Christian Kochs Arbeit über den Einsatz und die Wirkung von Flugschriften an den Fronten im Ersten Weltkrieg. Vor allem die vom Autor vorgenommene Auswertung des Moskauer Nachlasses des Chefs des militärischen Geheimdienstes, Oberstleutnant Walter Nicolai, scheint ihm neue Erkenntnisse zu bringen, was die Tätigkeit von Nicolais Dienststelle und die Bedeutung der von ihm entworfenen Vorlagen betrifft.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2015

Als Ludendorff den Kaiser überflügelte
Einsatz und Wirkung von Flugschriften an den Fronten im Ersten Weltkrieg

Der Zweite Weltkrieg war der totale Krieg schlechthin. Dem entsprach die Dimension der Propagandaschlacht. Schätzungen zufolge wurden auf den Kriegsschauplätzen in Europa, Afrika und Asien elf Milliarden Flugschriften eingesetzt. Die Hälfte davon stammte von den Engländern, ein Fünftel von den Deutschen. Wenngleich Flugschriften zur Feindbeeinflussung zuvor unter anderem bereits im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg genutzt wurden, erlebte die Frontpropaganda großen Stils ihren Durchbruch im Ersten Weltkrieg. Auch wenn sich die 75 Millionen eingesetzten Flugblätter - verglichen mit den Mengen des Zweiten Weltkrieges - bescheiden ausnehmen, ist Christian Koch darin zuzustimmen, dass die Propaganda "neben dem Giftgas, dem Panzer, der U-Boot-Waffe und der Luftwaffe zu den neuen Waffen gerechnet werden muss, die 1914-1918 zum Einsatz kamen".

Während des "Großen Krieges" entstanden in allen beteiligten Staaten neuartige Propagandaapparate. Deren Aufbau und Aufgaben werden am Beispiel Deutschlands und Großbritanniens vorgestellt - gewissermaßen stellvertretend für die strukturellen und konzeptionellen Unterschiede zwischen der Propagandapolitik der Mittelmächte und derjenigen der Entente. Diese treten bereits bei der Organisation zutage. Im Deutschen Reich lag die Propaganda die längste Zeit des Krieges beim Militär. Als "Schlüsselfigur" erscheint der Chef des militärischen Geheimdienstes, Oberstleutnant Walter Nicolai. Die Auswertung seines in Moskau liegenden Nachlasses ermöglicht erstmals genaueren Einblick in die Tätigkeit seiner Dienststelle. Dabei zeigt sich, dass seine Flugblattentwürfe als Vorlagen dienten für die über der Front von Flugzeugen abgeworfenen oder mit Kanonen hinter die feindlichen Linien geschossenen "Giftpfeile".

Der schwindende Einfluss der Obersten Heeresleitung auf die Propaganda hing zusammen mit der sich nach Beginn der alliierten Hundert-Tage-Offensive am 8. August 1918 abzeichnenden Niederlage. Die Krise an der Front veranlasste Oberst Hans von Haeften, einen Vertrauten Erich Ludendorffs, dem General vorzuschlagen, eine "Reichsbehörde für Auslandspropaganda" zu schaffen, die dem Reichskanzler unterstellt sein sollte.

Nach dem Muster der späteren "Dolchstoß"-Legende sollte die Verantwortung für die gescheiterte Abwehr der überlegenen Feindpropaganda den Politikern zugeschoben werden. Der Plan ging auf, als im Oktober die Reichsregierung unter Kanzler Max von Baden eine "Zentralstelle für Propaganda" ins Leben rief. Deren Leiter, Matthias Erzberger, zeigte sich entschlossen, die Federführung bei der Propagandaarbeit Zivilisten zu übertragen. Der Zentrumspolitiker übernahm damit das in England entwickelte Modell von Propaganda.

In London setzte man seit 1914 auf die Kompetenz professioneller Meinungsmacher. Bereits im August hatte Premierminister Herbert Asquith die Bildung eines "Amtes für Kriegspropaganda" angeordnet. Dessen Aufgabe war es, sowohl der eigenen Bevölkerung als auch den gegnerischen Soldaten die Kriegsziele und die militärischen Entscheidungen der britischen Führung zu erläutern. Die Wende in der britischen Propagandapolitik stand in engem Zusammenhang mit dem Kriegsverlauf. Es war der im Dezember 1916 ins Amt gekommene Premierminister David Lloyd George, der nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten im April 1917 die Chance sah, gestützt auf die amerikanischen Ressourcen, eine großangelegte Propagandaoffensive zu starten. Deren Organisator und Stichwortgeber wurde der Pressezar Alfred Harmsworth (seit 1917: Viscount Northcliffe). Der Premier hatte den Verleger im Januar 1918 zum Leiter des neugegründeten "Department of Propaganda in Enemy Countries" berufen, welches bald sämtliche Propagandaaktionen koordinierte.

Ziel der schließlich im Spätsommer 1918 eröffneten Kampagne war es, die nach der gescheiterten Frühjahrsoffensive vom März kriegsmüden deutschen Soldaten und die hungernde Zivilbevölkerung zur Desertion beziehungsweise zur Auflehnung gegen ihre Beherrscher anzustacheln. Als Gegenleistung versprach man ihnen einen Frieden auf der Basis des 14-Punkte-Programms des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson und eine Demokratisierung im Innern. Erwähnenswert ist, dass im Zentrum der feindlichen Angriffe nicht der deutsche Kaiser stand. Vielmehr sahen die Alliierten in Ludendorff den "schlimmsten Feind der Menschheit", vor dem sie glaubten, die Deutschen schützen zu müssen.

Während die Frontsoldaten in den letzten Kriegswochen mitunter den Eindruck hatten, in "Schneegewittern" zu kämpfen, lässt Autor Koch keinen Zweifel daran, dass es die Überlegenheit an Menschen und Material war, die das Kaiserreich und seine Verbündeten in die Knie zwang. Dagegen waren zur selben Zeit von deutscher Seite unternommene Versuche, die gegnerische Koalition zu schwächen (zum Beispiel dadurch, dass man die farbigen amerikanischen Soldaten gegen ihre vermeintlichen weißen Unterdrücker aufzuwiegeln und mit dem Versprechen "The Germans like coloured gentleman" zum Überlaufen zu bewegen suchte), von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Bekanntlich gehörte zu dem für die Weimarer Republik schweren Erbe die immer wieder von nationalistischer Seite vorgebrachte Behauptung, im Weltkrieg hätten die "Dreckpfeile von drüben" zur Lähmung der Widerstandskraft geführt, kurzum: der Zusammenbruch und die Novemberrevolution 1918 seien von der Feindpropaganda vorbereitet worden. Um die Wiederholung einer solchen Situation auszuschließen, schuf Hitler nach der "Machtergreifung" ein Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Dessen Leiter Joseph Goebbels ließ bei seinem Amtsantritt keinen Zweifel daran, dass es ihm gelingen werde, die Soldaten des "Führers" derart mit der NS-Weltanschauung zu "durchtränken", dass in einem künftigen Krieg ein erneuter "Dolchstoß" ausgeschlossen sei. Zumindest mit dieser Einschätzung sollte der am 25. Juli 1944 zum "Generalbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz" ernannte "Unterdiktator" recht behalten.

MANFRED NEBELIN

Christian Koch: Giftpfeile über der Front. Flugschriftpropaganda im und nach dem Ersten Weltkrieg. Klartext Verlag, Essen 2015. 485 S., 32,95 [Euro].

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