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"Maryam Madjidi verwandelt die Tragik des Lebens in glasklare Poesie." Julia Schoch.In diesem autobiographischen Debüt erzählt Maryam Madjidi von ihrer Kindheit im Iran, vom Kampf der Eltern für den Kommunismus und davon, wie sie ihr Spielzeug an die Kinder im Viertel verschenken musste. Heimlich vergrub sie die Lieblingssachen im Garten und steckte sie später in den Koffer für Frankreich. Hier sollte das neue Leben anfangen - ohne Kampf, ohne Gefängnis. Aber die kleine Maryam fühlt sich fremd, weil alles fehlt: die eigene Sprache, echte Freunde, die geliebte Großmutter. In Paris sind die…mehr

Produktbeschreibung
"Maryam Madjidi verwandelt die Tragik des Lebens in glasklare Poesie." Julia Schoch.In diesem autobiographischen Debüt erzählt Maryam Madjidi von ihrer Kindheit im Iran, vom Kampf der Eltern für den Kommunismus und davon, wie sie ihr Spielzeug an die Kinder im Viertel verschenken musste. Heimlich vergrub sie die Lieblingssachen im Garten und steckte sie später in den Koffer für Frankreich. Hier sollte das neue Leben anfangen - ohne Kampf, ohne Gefängnis. Aber die kleine Maryam fühlt sich fremd, weil alles fehlt: die eigene Sprache, echte Freunde, die geliebte Großmutter. In Paris sind die Hände des Vaters plötzlich nutzlos, die Augen der Mutter müde. Als junge Frau fährt Maryam nach Teheran zurück, verliebt sich und bricht mit allem." Du springst, ich falle" gewann 2017 in Frankreich den Prix Goncourt für das beste Debüt des Jahres. Ein kraftvoller Roman über das, was unsere Zeit bestimmt - die Suche nach Identität und Heimat.Prix Goncourt du premier roman 2017."Die reizvolle Mischung aus Phantasie und realistischen Szenen voller präziser Beobachtungen, Stimmen und Gesten bringt das pralle Leben zum Vorschein." Le Figaro."Ein großartiges Debüt." L'Express.
Autorenporträt
Madjidi, MaryamMaryam Madjidi wurde 1980 in Teheran geboren, verließ mit sechs Jahren den Iran, um mit ihren Eltern in Frankreich zu leben. Heute unterrichtet sie in Paris Flüchtlinge in Französisch und schreibt. Du springst, ich falle ist ihr erster Roman, für den sie u. a. den Prix Goncourt du premier roman 2017 erhielt und mit dem sie ihr Publikum im Sturm eroberte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2018

Sie trug die geheimen Schriften in der Windel
"Du springst, ich falle" heißt das mitreißende Debüt der iranisch-französischen Schriftstellerin Maryam Madjidi

Am Anfang steht der Fall. Wir sind in Teheran, 1980. Eine junge Frau, eine Medizinstudentin, sie ist im siebten Monat schwanger, rennt durch die Gänge der Universität. Um sie herum herrscht Chaos: Blätter fliegen durch rauchzersetzte Luft, Regale werden umgestürzt, Frauen an den Haaren über den Boden gezogen, Männer trampeln auf ihren Kopftüchern herum, sie werden vergewaltigt, beschimpft. Man hört Schreie, Schüsse, das Knacken platzender Schädel. Die junge Frau rennt weiter, immer weiter, sie findet den Ausgang nicht. Und dann wird sie plötzlich entdeckt: Zwei Männer der Basiji-Miliz, die gekommen sind, um den Protest gegen das Regime des Ruhollah Chomeini zu zerschlagen, gehen langsam auf sie zu, an ihren Armen hängen dicke, mit Nägeln gespickte Knüppel. Für die Studentin gibt es keinen anderen Ausweg: Sie läuft auf ein offenes Fenster zu und springt. Zwei Stockwerke in die Tiefe.

"In jenem Moment hast du ein Loch in mir gegraben, in dem sämtliche Ängste meines zukünftigen Lebens Wurzeln schlagen werden", schreibt Maryam Madjidi. Das Baby im Bauch der jungen Frau, man ahnt es schon, ist sie, die Autorin des gerade auf Deutsch herausgekommenen Buches "Du springst, ich falle". Als dieses im vergangenen Herbst in Frankreich im Verlag "Le Nouvel Attila" unter dem Titel "Marx et la poupée" erschien, wurde es sofort als Überraschungserfolg gefeiert und Madjidi für ihren Erstling sogar mit dem "Prix Goncourt du Premier Roman" ausgezeichnet.

Sie reiht sich damit in eine gerade lauter werdende Generation französischer Schriftstellerinnen ein, junger schreibender Frauen mit sogenanntem Migrationshintergrund, die mal mehr, mal weniger direkt fragen, wie es so läuft mit der Integration im Land der Freiheit und der Brüderlichkeit. Wie man lebt, wenn man "zwischen den Stühlen sitzt". Wie man seine Identität findet, wenn man von mehreren Kulturen, Sprachen, Sichtweisen auf die Welt geprägt wurde.

Roman steht auf dem Buchdeckel von "Du springst, ich falle". Erzählt wird tatsächlich aber Maryam Madjidis persönliche Geschichte: die eines kleinen Mädchens, das kurz nach der Islamischen Revolution in Teheran in eine im Untergrund aktive kommunistische Familie hineingeboren wird. Ihre Mutter springt nicht nur kurz vor ihrer Geburt aus dem Fenster der Universität, sie verleiht sie auch kurz danach als Transportmittel für geheime Versammlungsprotokolle: Weil keiner auf die Idee kommt, ein Baby zu durchsuchen, stecken sie die Dokumente einfach in Maryams Windeln und bringen sie so kinderleicht von A nach B. Das ist der amüsante Teil ihrer frühen Kindheit, in der ihre Eltern sie zwingen, ihr Spielzeug zu verschenken, damit sie lernt, dass Eigentum schlecht ist.

Nur gibt es da natürlich auch den anderen Teil, die Erinnerungen an junge Männer, Dissidenten, die irgendwann einfach verschwunden sind, an ihre Mütter, die vor Schmerz verrückt werden, an den Onkel, der nie zu ihrem Geburtstag erscheint, weil er verhaftet wurde. Teilweise denkt man bei ihrer Erzählung, die in sehr kurzen Kapiteln einzelne Momente und Bilder herausgreift, an die iranisch-französische Comiczeichnerin und Filmemacherin Marjane Satrapi, was wahrscheinlich daran liegt, dass auch sie die Tragödie Irans dieser Zeit durch den Weichzeichner der Kinderaugen beschreibt.

Dann, als sie sechs Jahre alt ist, erlebt sie den für sie ersten Bruch: den Abschied von ihrer bisherigen Heimat. Die Kleinfamilie zieht nach Paris, in eine winzige Wohnung im 18. Arrondissement, die kleine Maryam geht fortan auf eine französische Schule. Und weil man als Kind meist nichts mehr will, als so sein wie alle anderen, beginnt das kleine Mädchen, nachdem es den ersten Schock der Begegnung mit Croissants und französischem Käse überwunden hat, relativ bald ihre Herkunft zu verleugnen. Sie weigert sich, Persisch zu sprechen, redet ungern mit ihrer Großmutter am Telefon und würde ihre Eltern am liebsten mit "Das sind meine Eltern, leider sind sie stumm" vorstellen, nur damit keiner merkt, wie schlecht ihr Französisch ist. Dieser zweite Teil (genannt "Zweite Geburt"), der des Exils, ist, so spannend die Einblicke in Teheran auch sind, der interessanteste, sicher auch weil er von der Autorin ganz bewusst erlebt und nicht nur von Erzählungen genährt wurde.

Sie beschreibt wahnsinnig gut, wie schwierig es als Kind und Teenager ist, mehrere Identitäten zu vereinen, sie nicht miteinander konkurrieren zu lassen, zu akzeptieren, dass man eine ist, für die der Begriff Heimat nicht so klar abzustecken ist wie für andere. Die Zerrissenheit, auch zwischen verschiedenen Sprachen, also Gedankenwelten, übersetzt Maryam Madjidi sehr schön in einen Streit zwischen zwei Frauen: die Alte, die sich ihre "Mutter in der Sprache" nennt, und die Jüngere, die ihr "eine Welt der Anerkennung und des Erfolges" verspricht. Sie folgt natürlich erst einmal der Jungen. Hier formuliert die Autorin die erste, vielleicht einzige Kritik an ihrer zweiten Heimat, also Frankreich: Damals, als sie ankam, wurden nicht-französische Kinder, Emigrantenkinder in der Schule erst einmal in eine sogenannte Clin-Klasse gesteckt, eine "Initiationsklasse für Nicht-Frankophone".

Clin, das klingt, wenn man es französisch ausspricht, wie das englische "clean", und in etwa so hat Maryam Madjidi diese Klasse auch erlebt. Als Waschanstalt: "Sie tauchen einen ins Wasser der Frankophonie, um unsere Erinnerungen und unsere Identität zu waschen." Eine absonderliche Art, einen Fremden willkommen zu heißen, findet sie, die heute selbst Französischkurse für Flüchtlingskinder gibt, eine Art Gegengeschäft: "Ich akzeptiere, dass du hier bleibst, aber nur wenn du dir Mühe gibst, so zu werden wie ich."

Weniger harsch als ihr Blick auf die viel diskutierte "intégration à la française" ist der, den sie auf die selbsternannten Orientalisten wirft, jene, die so gerne vom "Zauber des Orients" schwärmen. Sie schreibt sehr lustig und etwas bitter, wie dämlich und ignorant die Faszination vieler Menschen für den sogenannten Orient, seine vermeintliche Sinnlichkeit, seine Poesie auf sie wirkt, dieses "Oh wie toll, Perserin!". Und wie einfach diese Faszination zu bedienen ist, weil sich ja kaum einer für die Wahrheit interessiert: Wenn sie verführen will, dann zitiert sie ein bisschen Omar Khayyam, den Dichter des Weines und der Liebe, macht einen auf Perserin - oder besser gesagt, bedient das Klischee davon -, und schon liegen ihr die Männer zu Füßen. Die tatsächliche Versöhnung mit ihrer Herkunft findet natürlich nicht in diesen Momenten statt, nicht in der Maskerade, sondern erst, als sie sich an der Universität ganz ernsthaft mit persischer Dichtkunst (noch mal Khayyam) beschäftigt und kurz darauf ihre erste Reise zurück in diese Heimat wagt, die nicht mehr ganz ihre ist.

Maryam Madjidi erfindet eine Art Mischform aus Roman und Autobiographie, in der das Märchen, die Phantasie eines Kindes, Berichte einer Exilantin, teilweise auch fast filmische Akzelerationsmomente zusammenfallen zu einer sehr poetischen Überlegung darüber, was es heißt, eine tragische Geschichte in sich zu tragen und nirgendwo, an keinem Ort, in keiner Sprache, ganz zu Hause zu sein. Einer der schönsten Momente, "Die Versöhnung", kommt irgendwann kurz vor Schluss: Die Erzählerin, mittlerweile eine junge Frau, sitzt gedankenversunken vor ihrer ersten französischen Grundschule auf einer Bank, denkt an den Weg, den sie seit diesem traurigen ersten Jahr gegangen ist, freut sich, dass sie endlich zu ihrer anderen Kultur, der ihrer Kindheit, zurückfindet. Da setzt sich plötzlich eine alte Frau neben sie und sagt: "Ich hatte es ja gesagt: Eines Tages kommst du zu mir zurück." Wer sie sei, fragt die junge Frau erstaunt. Und die Alte antwortet: "Ich bin deine Muttersprache. Ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet."

ANNABELLE HIRSCH.

Maryam Madjidi: "Du springst, ich falle". Roman. Aus dem Französischen von Julia Schoch. Aufbau-Verlag, 224 Seiten, 18 Euro

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»Es ist ein Buch für diese Zeit, weil es poetisch in die Realität von heute führt.« Berliner Zeitung 20180804