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Brankica Bec ejac literarisches Werk berichtet sensibel und analytisch klar von ihrer "Integration" als Tochter jugoslawischer Arbeitsimmigranten. Sie hat sich intensiv gegen jede Form sexistischer und gesellschaftlicher Gewalt gewandt. Als sie vor fünf Jahren von ihrem Mann ermordet wurde, hinterließ sie ein verheißungsvolles schmales Werk.

Produktbeschreibung
Brankica Bec ejac literarisches Werk berichtet sensibel und analytisch klar von ihrer "Integration" als Tochter jugoslawischer Arbeitsimmigranten. Sie hat sich intensiv gegen jede Form sexistischer und gesellschaftlicher Gewalt gewandt. Als sie vor fünf Jahren von ihrem Mann ermordet wurde, hinterließ sie ein verheißungsvolles schmales Werk.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2007

Mein liebes Kind, mein Wegweiser
Ein Buch der Erinnerung für die getötete Autorin Brankica Becejac
Im Juni 2001 wurde die dreißigjährige Brankica Becejac von ihrem Ehemann in Berlin mit einem Hammer erschlagen. Die Zeitungen sprachen von einer „Beziehungstat” und erklärten den Täter zum „Jugoslawen”, der seine deutsche Ehefrau aus Eifersucht im Blutrausch ermordet und anschließend sich selbst gerichtet habe. Gebürtige Serbin ist jedoch die Ermordete gewesen, die auf dem Wege war, eine deutsche Schriftstellerin zu werden; ihr Mann hingegen, hochbegabt auch er, ein angehender Literat, der das Schreiben aufgab und sich versoff, war Deutscher. Sein vorgeblicher Blutrausch war lange geplant, hatte er doch seinen am Tag vor der Tat verfassten Abschiedsbrief mit den Worten beendet: „Es war Mord.” Dieser Satz zitiert Ingeborg Bachmann, mit der sich Brankica Becejac als Germanistin und feministisch orientierte Autorin immer wieder beschäftigte.
Geheiratet hatten die beiden, weil Brankica die deutsche Staatsbürgerschaft benötigte, also aus „aufenthaltsrechtlichen Gründen”, was aber keineswegs heißt, dass sie eine Scheinbeziehung unterhielten. Im Gegenteil, sie waren einander sogar verfallen, obwohl sie sich einst zusammentaten, um alternative, freie Formen des Zusammenlebens zu erproben; so war, bis zu der Nacht, in der ihr Experiment blutig beendet wurde, auch stetig ein Dritter zugegen, ein etwas älterer Soziologe, der das Geld für die erweiterte Familie verdiente und von Brankica, die er aussichtslos liebte, dafür als „Kind” adoptiert wurde. So beschreibt er es jedenfalls selbst in einem gleichermaßen merkwürdigen wie aufwühlenden Buch, in dem das unvollendet gebliebene Werk der Autorin zusammen mit den Erinnerungen von Freundinnen, Bewunderern und Kollegen präsentiert wird.
Brankica Becejac hat Essays, Erzählungen, Studien und Gedichte geschrieben. Lange Zeit erhielt sie dafür von Redakteuren und Lektoren nur vorgefertigte Absagebriefe; als sie ermordet wurde, hatte sie gerade ein wenig Fuß gefasst im literarischen Betrieb, ein Stipendium erhalten, ihr erstes Buch in einem Kleinverlag veröffentlicht. Philosophisch gebildet, radikal nicht nur in ihren politischen Ansichten, wusste Becejac als Erzählerin die Situationen des alltäglichen Scheiterns, in der Ehe, im Beruf, in den Beziehungen zwischen den Menschen, beklemmend dicht zu gestalten. Ihre Diplomarbeit, von der eine – im Wissen um ihr Ende doppelt irritierende – Passage abgedruckt ist, war dem Thema „Poesie des Opfers – warum Mord keine Kunst ist und die Angst der Opfer Literatur werden kann” gewidmet.
In einem luziden Text, der im Umfeld ihrer abgebrochenen Dissertation entstand, aber auch die eigene Existenz und das eigene Schreiben verhandelt, geht es um die literarischen Beziehungen zwischen Elfriede Jelinek und Ingeborg Bachmann und um deren „Frage, wie gestorben wird”. In ihrer eigenen Prosa stellt Becejac jedoch eine andere Frage: die, wie man leben soll und glücklich werden kann, wie man den Zwängen, die einem durch Herkunft, sozialen Status, Geschlecht auferlegt sind, entrinnen kann. Der immer neu erhobene Anspruch auf Glück ist es, der die Literatur dieser Frau auszeichnet und sie zur bezwingenden und wohl auch irritierenden Persönlichkeit gemacht hat.
Den größeren Teil des Buches nehmen die Liebeserklärungen und Briefe ein, in denen Weggefährten sich an ihr stetes Aufbegehren, ihre Warmherzigkeit und Kompromisslosigkeit erinnern. Brankica Becejac absolvierte als in der Nähe von Novi Sad geborenes Kind von „Gastarbeitern” in Hannover ein Gymnasium der bürgerlichen Oberschicht; doch wurde aus ihr keine Aufsteigerin, die mit der guten Gesellschaft ihren Frieden schloss. Sie bricht aus dem Milieu der Immigranten ebenso aus wie aus dem der „Integrierten”; sie lebt mit Männern zusammen, engagiert sich aber im Frauen-Lesben-Kollektiv.
Der posthume Tribut gilt einer unangepassten Frau, die um ihre Selbstbestimmung gekämpft und dabei nicht vergessen hat, dass man sich nicht alleine, ganz für sich, befreien kann. Den schönsten Text hat ihr der Vater nachgetragen, ein Arbeiter aus Jugoslawien, der im sozialwissenschaftlichen Jargon einiger Beiträge en passant als typischer Verfechter patriarchalisch repressiver Familienstruktur erledigt wird. „Mein liebes Kind, mein Wegweiser” beginnt er seinen Epitaph auf die ermordete Tochter, die viele Wege erprobte und keinen zu Ende gehen konnte.KARL-MARKUS GAUSS
BRANKICA BECEJAC: Ich bin so wenig von hier wie von dort. Leben und Werk. Edition Nautilus, Hamburg 2006. 253 Seiten, 19,90 Euro.
Brankica Becejac Foto: Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2006

Vom Verlust einer erstaunlichen Frau
Ermordet, aber nicht vergessen: Das Leben und Schreiben der Brankica Becejac

Das Werk von Brankica Becejac ist schmal; unverschuldet schmal, denn die 1970 in Jugoslawien geborene Schriftstellerin, die in Hannover aufwuchs, wurde im Juni 2001 ermordet, erschlagen von ihrem Ehemann, der sich danach erhängte. Gerade erst hatte sie als Autorin erste Bestätigungen erfahren: Ihr war für den Herbst jenes Jahres ein Arbeitsaufenthalt in einem Künstlerhaus zugesprochen worden, im Januar war sie in den Genuß eines Stipendiums der Stiftung Kulturfonds gekommen - zur Fertigstellung ihrer Novelle "Die Aufgabe".

Brankica Becejac arbeitete bis zuletzt an diesem Text, und er ist denn auch ihr umfangreichstes Stück Prosa geworden, vierzig Seiten überaus dichter innerer Monolog eines jungen Mannes, der beschlossen hat, sich umzubringen. Er erinnert sich an sein Leben, an prägende Gewalttaten: Erpressungen unter Schülern, Demütigungen, den Selbstmord eines Nachbarn. Den Eintritt ihres Erzählers aus der familiären Geborgenheit in die Welt schildert Brankica Becejac mit dem Satz: "Mein nie endender Einlauf zum Eintritt in die Gesellschaft nahm seinen Anfang ... Ich kam zu den Menschen, und darauf konnte mich kein anderer vorbereiten."

Das ist der Schlüssel für das Verständnis der Prosa von Brankica Becejac. Sie selbst fühlte sich in Deutschland als Außenseiterin: In der Schule war sie als blonde Ausländerin unter lauter Mittelstandskindern die mißmutig beobachtete Überfliegerin; als Schriftstellerin sah sie sich Mißtrauen bezüglich ihrer Sprachkompetenz ausgesetzt; als Liebhaberin von Männern wie Frauen stieß sie ebenso an die Grenzen des Verständnisses wie mit ihrer Angst vor Übergriffen. Als ihrer Mutter im Bus von einem jungen Mann aus bloßem Ausländerhaß die Hand zertrümmert wurde, schrieb sie - zwei Jahre später! - einen meisterhaften Bericht über diesen Angriff in der Wochenzeitung "Freitag", die ihr zur publizistischen Heimat geworden war, seit sie 1999 von Hannover nach Berlin umgezogen war. Brankica Becejac war auch ein journalistisches Talent, allerdings immer subjektiv bis zur Radikalität.

Sie war nicht geschaffen für den Literaturbetrieb mit seinen banalen Nettig- und Empfindlichkeiten, aber sie pflegte intensive Freundschaften in einem sehr engen Kreis. Mehr als fünf Jahre lang, auch zuletzt noch, lebte sie mit zwei Männern zusammen: ihrem späteren Mann, dem Mörder, den sie in Gesprächen und Briefen ihren Geliebten nennt, und mit ihrem "Bruderfreund", der unrettbar, aber unerhört in sie verliebt war. Als sie von ihrem Mann erschlagen wurde, hatte Brankica Becejac sich ihrerseits gerade in einen Autor und Multimediakünstler verliebt.

Diese beiden und weitere Freunde aus dem kleinen Kreis haben nun ein Buch mit Texten von Brankica Becejac zusammengestellt, dazu mit eigenen Erinnerungen und Briefwechseln. Und so interessant die Prosa der Toten, die sich als Literaturwissenschaftlerin intensiv mit Ingeborg Bachmann und Elfriede Jelinek beschäftigt hat (auch davon gibt es kleine Proben), auch ist, so entsteht das größte Faszinosum doch aus den Texten über sie. Denn man spürt noch nach fünf Jahren die Fassungslosigkeit über den Mord, spürt die unausgesprochenen Vorwürfe - gegen sich selbst oder gegen andere Freunde -, daß man das Verbrechen nicht verhindern konnte, spürt den Schmerz darüber, daß der letzte Angriff auf Brankica Becejac nicht aus der von ihr befürchteten Richtung kam, nicht von Neofaschisten oder Antifeministen, sondern aus der eigenen Welt.

Diese Katastrophe prägt die Stimmen der Zurückgebliebenen. Es sind ehrliche Texte entstanden - ehrlich bis an die Grenze der Zumutung. Unwillkürlich beginnt man als Leser daraus die Umstände jener Tat zu rekonstruieren, um die sich nolens volens alles in diesem Buch dreht. Das hat nichts mit Krimilektüre zu tun, denn es gibt nichts zu klären. Aber es gibt etwas zu lernen über die Grenzen von Verstehen und Intellekt. Und über den Verlust einer, nach allem, was man liest, erstaunlichen Frau.

Brankica Becejac: "Ich bin so wenig von hier wie von dort". Leben und Werk. Edition Nautilus, Hamburg 2006. 253 S., 26 Abb., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dieses Buch mit den Texten der 2001 von ihrem Mann ermordeten Schriftstellerin Brankica Becejac und Erinnerungen von Freunden und Verwandten, hat Karl-Markus Gauß seltsam berührt und bewegt. Die abgedruckten Essays, Erzählungen, Studien und Gedichte lassen eine Frau hervortreten, die sich in ihrer unvollendeten Diplomarbeit mit dem Tod, in ihrem eigenen schriftstellerischen Schaffen aber mit der Frage nach einem glücklichen, freien und emanzipierten Leben beschäftigt hat, erklärt der Rezensent. Bei den Erinnerungstexten hat ihn der Brief des Vaters, eines einfachen Arbeiters aus dem ehemaligen Jugoslawien, an die getötete Tochter am meisten bewegt, wie er bekennt.

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