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Die gefeierte Neuübersetzung von Fleurs du Mal wird hier ergänzt durch Le Spleen de Paris, ein weiteres Hauptwerk Baudelaires, das seinen Weltruf als scharfsinniger, bitterböser poetischer Chronist des Pariser Lebensgefühls in der frühen Moderne mitbegründete. In diesem Band tritt Baudelaire mit den Petits Poèmes en Prose und frühen Dichtungen nicht nur als Lyriker, sondern in der Novelle La Fanfarlo auch als Erzähler auf. Zahlreiche der früheren Gedichte des Autors erscheinen hier erstmals in deutscher Sprache, ebenso wie das Fragment gebliebene Versdrama Idéolus. Damit liegt das gesamte…mehr

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Produktbeschreibung
Die gefeierte Neuübersetzung von Fleurs du Mal wird hier ergänzt durch Le Spleen de Paris, ein weiteres Hauptwerk Baudelaires, das seinen Weltruf als scharfsinniger, bitterböser poetischer Chronist des Pariser Lebensgefühls in der frühen Moderne mitbegründete.
In diesem Band tritt Baudelaire mit den Petits Poèmes en Prose und frühen Dichtungen nicht nur als Lyriker, sondern in der Novelle La Fanfarlo auch als Erzähler auf. Zahlreiche der früheren Gedichte des Autors erscheinen hier erstmals in deutscher Sprache, ebenso wie das Fragment gebliebene Versdrama Idéolus.
Damit liegt das gesamte poetische Werk Baudelaires zum ersten Mal in zwei Bänden vollständig auf Deutsch vor, in der bewährten Übertragung von Simon Werle.

Autorenporträt
Charles Baudelaire, geboren am 9. 4. 1821 in Paris. Ab 1838 schrieb er Gedichte, Prosa und Dramen. Er übersetzte Prosa von Edgar Allan Poe. Im Alter von 36 Jahren veröffentlichte er "Les Fleurs du Mal", was sofort einen Strafprozess wegen "Beleidigung der öffentlichen Moral" gegen Autor und Verleger zur Folge hatte. Heute gilt Baudelaire als einer der bedeutendsten französischen Dichter und als wichtiger Wegbereiter der literarischen Moderne in Europa. Baudelaire starb am 31. 8. 1867 in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2019

Veteranen der Lust
Simon Werle übersetzt Baudelaires "Spleen"

Charles Baudelaire ist ein Autor, den man in Happen und Häppchen lesen muss, so dicht und vielschichtig sind seine Texte. Auch zur Bett- oder Urlaubslektüre taugt er kaum - zu groß ist die Ehrfurcht vor seinen Gedichten in Reimen und Prosa. Dass er ein Dichter für Dichter ist, den Walter Benjamin übersetzte und auf dessen Literatur und Fortschrittskritik sich auch noch Michel Houellebecq beruft, macht die Berührungsängste nicht geringer. Baudelaires 150. Todestag vor zwei Jahre zeigte, wie einflussreich, modern und aktuell er noch immer ist. Doch die Beschäftigung der Literaturkritik mit seinem Werk hat seit Georges Poulet, Roland Barthes, Claude Pichois keine spektakulären Essays hervorgebracht.

Hierzulande allerdings gab es 2017 ein Großereignis zu feiern: "Die Blumen des Bösen" erschienen in einer hymnisch gelobten Neuübersetzung von Simon Werle. Seither wartete man auf die Fortsetzung, den Band "Der Spleen von Paris", der ein noch größeres Ereignis darstellt: Er enthält zahlreiche bislang nie übersetzte Texte. "In dem Maße, wie Baudelaires Nachruhm wuchs, publizierten Schulfreunde, frühe Wegbegleiter, Autorenkollegen und Korrespondenzpartner in den Jahrzehnten nach seinem Tod in Zeitschriften, Tagungsberichten oder Erinnerungsbüchern bislang unbekannte Verse", schreibt Simon Werle in seinem Nachwort. Sie wurden "zusammen mit den ersten Funden der einsetzenden akademischen Forschung 1939 erstmals als eigenständige Abteilung des Werks publiziert".

Für seine abenteuerliche Editionsgeschichte war der Dichter und Dandy Baudelaire, der mit Pseudonymen und Plagiaten einen lotterhaften Umgang trieb, selbst verantwortlich. In vielen der jetzt erstmals deutsch gedruckten Gedichte macht Werle "bereits das Aroma der künftigen ,Fleurs du Mal'" aus. Für Baudelaires "Entwicklungsweg, der mit erstaunlicher Geschwindigkeit erfolgte", sind sie unerlässlich. Doch mit jedem Recht verweist Simon Werle darauf, dass sie "weit mehr als nur literarisches Interesse" beanspruchen können. Für den verblüfften Leser der "verdeutschten Gedichte" wurzelt dieser Befund in allererster Linie in der Übersetzung.

Zweisprachige Klassikerausgaben sind in aller Regel nicht besonders leserfreundlich. Ihnen haftet etwas Pedantisch-Akademisches an. Man liest ja doch meistens nur die linke oder rechte Seite und ertappt sich allenfalls beim Überprüfen. Und vielleicht will der Übersetzer ja auch nur beweisen, dass er die Sprache, aus der er überträgt, perfekt beherrscht.

"Vernommen hab von draußen ich soeben": Simon Werle fesselt und fasziniert den Leser von den ersten Seiten, ja Zeilen an mit der Freiheit seiner Sprache. Der Ton, der Rhythmus, die Bilder sind ihm wichtiger als einzelne Worte. Er scheut sich nicht, bei drei französischen Elementen, die eine Strophe bilden, im Deutschen ein viertes einzuführen. Genauso virtuos wie die Jugendgedichte überträgt er die Prosa des "Spleen von Paris". Aus den "vétérans de la joie" (Freude) macht er "Veteranen der Lust", was in der Gegenrichtung jeder Übersetzer auf "plaisir" zurückführen würde. Auf Französisch ist die Tristesse "kalt" (froide) - Werle präzisiert sie mit dem zusätzlichen Attribut "sarkastisch". Und genauso selbst- wie sprachbewusst erdreistet er sich, "les arrérages de leurs gages" zum banalen "ausstehenden Salär" zu verdeutschen.

Es ist die reine Lust und eine permanente Überraschung, Simon Werles Baudelaire zu lesen. Man springt zwischen den Seiten hin und her und liest ein deutsch-französisches Werk, in dem jede Sprache die andere ergänzt. Eine neue Gattung scheint zu entstehen - aber keineswegs auf Kosten eines Klassikers, dem ein selbstverliebter Nachdichter den Meister zeigen möchte. Werle stellt sich mit geballter schöpferischer Kraft in den Dienst Baudelaires, dessen Blumen auf Deutsch anders aufblühen als im Französischen. Er emanzipiert sich vom Original, um ihm gerecht zu werden. Wünschen darf man sich von beiden Bänden eine handliche Taschenbuchausgabe, die es erleichtern würde, Baudelaire im Bett zu lesen. Die "Fleurs du Mal" wurden mit dem Eugen-Helmlé-Preis für Übersetzungen ausgezeichnet. Werles "Spleen von Paris" müsste man einen Literaturpreis verleihen.

JÜRG ALTWEGG

Charles Baudelaire: "Der Spleen von Paris". Gedichte in Prosa und frühe Dichtungen.

Aus dem Französischen von Simon Werle. Rowohlt Verlag, Hamburg 2019. 512 S., geb., 40,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2020

„Überall Freude, Profit, Exzess“
„Berauscht euch; berauscht euch unentwegt!“: Simon Werle hat „Le Spleen de Paris“ von Charles Baudelaire
neu übersetzt und ist damit für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert
VON NICO BLEUTGE
Seit einigen Tagen habe er den Wein vormittags abgeschafft, schreibt Charles Baudelaire Anfang März 1866 an seine Mutter. Stattdessen folge er nun einem genauen Ernährungsplan: „Fleisch und Tee, nach englischer Manier“. Der große Vorteil daran sei, dass man sofort und lange Zeit arbeiten könne. Allerdings bedürfe es einiger Kraft, den Zustand zu halten, um nicht in die gefürchteten Kopfschmerzen abzudriften: „Die leichte Benommenheit, die der Tee bewirkt, verursacht eine Art Blutandrang, ein ähnliches Gefühl, wie man es manchmal im Kopf hat, wenn man ein Eis isst.“
Die extravagante neue Diät half dem Dichter Baudelaire nicht weiter. Zwar hatte er den Plan, in diesen Märzwochen wieder intensiv an seinem „Spleen de Paris“ zu schreiben, aber er konnte die Arbeit an der großen Sammlung nie abschließen. Zwanzig Monate lang war er fast dauernd krank gewesen, ohne überhaupt zu wissen, was ihm denn fehlte. War es Neuralgie, wie einige Ärzte meinten? Rheuma? Oder gewöhnliches Fieber? Die Anfälle erfolgten in Schüben: Schwindelgefühle, Taumeln („wie ein Betrunkener“), Erbrechen. Tagelanges Liegen im Bett. Als Therapie dienten Pillen oder Umschläge mit schmerzlinderndem Wasser und Terpentin. An der Syphilis litt er ohnehin. Zum schlechten körperlichen Zustand kamen Geldprobleme und die dauernde Sorge, die poetische Energie könne plötzlich versiegen.
So sehr die Sammlung Fragment geblieben ist – „Le Spleen de Paris“ ist nach den „Fleurs du Mal“ zweifellos Baudelaires zweites Hauptwerk. Und auch wenn viele Jahre und einige wichtige ästhetische Überlegungen zwischen den beiden Büchern liegen, zeigen sich schon beim ersten Blättern lose Querverbindungen. Die Vorstellung etwa, die Dinge und das Denken seien unauflöslich miteinander verwoben, wobei das Ich im Hintergrund eher einer dünnen Membran gleicht als einer weltsetzenden Instanz. Oder die Feier des Leidens und der „überspannten Nerven“, Voraussetzung für Baudelaires „sensible Kunst“, wie er sein Schreiben selbst einmal genannt hat.
Erst recht aber die Beschwörung der Stadt mit ihrem „Gewimmel“, wie es in den „Blumen des Bösen“ heißt, den Narren und Gauklern, den Spielern und Verliebten, den Einsamen und armen Menschen – und alles „von Traum durchzogen“. Gleich zu Beginn der „Spleen“-Gedichte betont Baudelaire den „Kontakt mit den Riesenstädten“ und weist auch auf die entscheidende Neuerung hin. Es gehe darum, eine Form zu finden, „geschmeidig genug und kantig genug“, um sich nicht nur den lyrischen Regungen der Seele oder dem Hin und Her der Träumereien anzupassen, sondern auch den „jähen Zuckungen des Bewusstseins“ und den zahllosen Beziehungen, die sich in der Großstadt durchdringen.
Seine Lösung ist das „Wunder einer poetischen Prosa“, musikalisch, aber ohne strengen Rhythmus oder Reime, und so nennt er seine Sammlung im Untertitel des Buches nicht von ungefähr „Petits poèmes en prose“. Eine Mischform, die nahezu alles in sich aufnehmen kann, erzählende Momente, Dialoge, Anklänge an journalistisches Schreiben oder auch an das philosophische Traktat. Eine Form, die tatsächlich so geschmeidig und kantig ist, dass sie bis heute von zahllosen Dichterinnen und Dichtern weltweit genutzt und weiterentwickelt wird, um die Schwingungen der unruhigen Gegenwart einzufangen. Baudelaire selbst bringt darin mühelos Sozialkritik, Beobachtungen, fantastische Reisen und Reflexionen über den Geist Frankreichs unter, stellt mit feiner Ironie das Schuldbekenntnis eines Künstlers neben das Porträt eines Esels.
Diesen kleinen Prosagedichten kann man jetzt in einer neuen Übersetzung nachgehen. Simon Werle, der schon die „Fleurs du Mal“ in ein funkelndes gegenwärtiges Deutsch verwandelt hat, wendet sich vor allem der rhythmischen Feinstruktur der Sätze zu. Man kann die Arbeit am Rhythmus sehr schön sehen, wenn man Werles Übersetzung mit der ebenfalls grandiosen Übersetzung vergleicht, die Friedhelm Kemp Mitte der 1980er-Jahre angefertigt hat. Wo Kemp etwa einen Satz mit daktylischem Grundton im Deutschen trochäisch zuspitzt – „Wie durchdringend sind die Abende im Herbst!“ –, versucht Werle, den Rhythmus von Baudelaires Satz nachzuformen: „Wie durchdringend ist der Ausklang der Tage im Herbst!“
Werle hat auch ein feines Ohr für den Klang. Den Wechsel von v-, ou-, und i-Lauten in einem Satz wie „Ah! vous voulez savoir pourquoi je vous hais aujourd’hui“ verschiebt er im Deutschen in eine Melange aus w-, a- und i-Lauten: „Ah, Sie wollen wissen, warum ich Sie heute hasse.“ Was aber keineswegs heißt, er würde Abstriche in Sachen Bedeutung machen. So lesenswert sie ist, Friedhelm Kemps Übersetzung leidet bisweilen an jenem „kaum merklichen Wohlgeruch von erlesenster Wahl“, den er einmal benennt.
Werle indes gibt Baudelaire noch in der elegantesten Formulierung etwas von seiner Brüchigkeit und Sperrigkeit zurück, in der sich immer auch eine kritische Perspektive versteckt. Aus „odeur de friture“ wird hier der „Geruch nach Ausbackfett“, und „la lourde et sale atmosphère parisienne“ heißt in der Übersetzung nun „der schwere Pariser Smog“. Auch wenn „Smog“ ein Wort ist, das erst nach Baudelaires Zeit erfunden wurde, trifft es gut die industriell bestimmte Luftatmosphäre im damaligen Paris. Überhaupt hat Werles Übersetzung dort ihre Stärken, wo Baudelaire die schon etablierte Konsumgesellschaft im Frankreich unter Napoleon III. analysiert und immer wieder deren Kehrseite in den Blick nimmt, die soziale Not: „Überall Freude, Profit, Exzess“ („Gewinst, Verschwendung“ schreibt Friedhelm Kemp) – und gleich daneben „das absolute Elend, das Elend, das in komische Lumpen gehüllt war“.
Es ist ein Glück, die „Spleen“-Gedichte in dieser intensiven Neuübersetzung lesen zu können. Nicht ganz so geglückt ist die Entscheidung der Herausgeber, auch noch alle möglichen anderen Texte Baudelaires in die Ausgabe zu packen, auf dass ein vergleichbar dickes Buch entstehe wie die Neuausgabe der „Fleurs du Mal“ von 2017. Die Novelle „La Fanfarlo“, in der Baudelaire seine Selbstwerdung zum Dichter nachzeichnet, mag man noch mit der sprachlichen Feinheit mancher „Spleen“-Stücke in Verbindung bringen. Aber weder das dramatische Fragment „Idéolus“ noch das Sammelsurium von Jugendgedichten, „in Zusammenarbeit entstandenen“, „Baudelaire zugeschriebenen“ und „wiederentdeckten“ Gedichten weiß so recht zu überzeugen. Hier steht manches „hochfahrende Sonett“ neben mauen Liebesversen.
Die „Spleen“-Gedichte sind die mit Abstand aufregendsten Texte. Viele weitere Prosagedichte wollte Baudelaire für die Sammlung noch schreiben, über das „schwarze Huhn“ etwa oder den „roten Fisch“, über die Hölle des Theaters oder das Verhältnis von Dichter und Geschichtsschreiber. Aber er konnte das Buch nicht vollenden, kurze Zeit nach dem März-Brief an die Mutter sollte er einen Schlaganfall erleiden. Im August 1867 starb er, mit gerade 46 Jahren.
Hätte er den geplanten Text über den „Philosophen im Karneval“ noch anfertigen können, wer weiß, vielleicht wäre es ein Selbstporträt des Schreibenden geworden. Womöglich hätte Baudelaire darin seine Prosagedichte mit den schlanken Formen der Schiffe verglichen, die in jenen „Hafen“ einfahren, von dem einmal die Rede ist: Man möchte unaufhörlich ihren Bewegungen folgen.
Aber auch die vor Anker liegenden Schiffe eignen sich zum Vergleich. Aller Brüchigkeit zum Trotz zeigen sie nicht nur „harmonisches Schwanken“, sondern verstehen es zudem, „die Lust an Rhythmus und Schönheit zu nähren“. Allerdings ist es eine Schönheit, die mit ihrem Gegenteil verschwistert ist, das wusste Baudelaire genau. Um die Last der Zeit mit all ihren Schrecken und sozialen Verwerfungen zu ertragen, gibt er seinen Lesern gleich noch einen Rat an die Hand: „Berauscht euch; berauscht euch unentwegt! An Wein, an Dichtung, an Tugend, wie es euch beliebt.“
Mit feiner Ironie stellt er das
Schuldbekenntnis eines Künstlers
neben das Porträt eines Esels
Der Dichter starb im
August 1867 im Alter von
gerade einmal 46 Jahren
Im „Kontakt mit den Riesenstädten“ – Charles Baudelaire (1821 – 1867), porträtiert von Nadar.
Foto: Getty images
Charles Baudelaire: Le Spleen de Paris. Gedichte in Prosa und frühe Dichtungen. Zweisprachige Ausgabe.
Aus dem Französischen von Simon Werle. Rowohlt
Verlag, Hamburg 2019.
510 Seiten, 40 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Es ist ein Glück, die "Spleen"-Gedichte in dieser intensiven Neuübersetzung lesen zu können. Nico Bleutge Süddeutsche Zeitung 20200305