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Liebe, Literatur und Leid: Arthur Schnitzlers letzte Lebensjahre
Er ist auf dem Gipfel seines Ruhms. Seine Werke sind gesucht, er verkehrt mit Künstlern wie Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann, Gerhart Hauptmann oder Stefan Zweig, und die Frauen umschwärmen ihn auch in seinem fortgeschrittenen Alter noch. Eigentlich hat der 66-jährige Arthur Schnitzler im Sommer des Jahres 1928 alles erreicht. Doch dann begeht seine erst 18 Jahre alte Tochter Lili in Venedig Selbstmord, und mit ihr verliert Schnitzler jenen Menschen, der ihm auf eigentümliche Weise am nächsten stand.
Was ihm nun noch
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Produktbeschreibung
Liebe, Literatur und Leid: Arthur Schnitzlers letzte Lebensjahre

Er ist auf dem Gipfel seines Ruhms. Seine Werke sind gesucht, er verkehrt mit Künstlern wie Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann, Gerhart Hauptmann oder Stefan Zweig, und die Frauen umschwärmen ihn auch in seinem fortgeschrittenen Alter noch. Eigentlich hat der 66-jährige Arthur Schnitzler im Sommer des Jahres 1928 alles erreicht. Doch dann begeht seine erst 18 Jahre alte Tochter Lili in Venedig Selbstmord, und mit ihr verliert Schnitzler jenen Menschen, der ihm auf eigentümliche Weise am nächsten stand.

Was ihm nun noch bleibt und was sein ganzes Leben bestimmt hat, das ist die Anziehungskraft auf Frauen. Die Liebe, die ihm bis zu seinem Tod angetragen, bisweilen aufgedrängt wird, stützt und bestürzt ihn gleichermaßen. Sie wird ihm bis zum letzten Atemzug erhalten bleiben.

Volker Hages biografischer Roman ist ein intimes Porträt Arthur Schnitzlers, dessen letzte Jahre von Unsicherheiten und widersprüchlichen Gefühlen geprägt waren: von tiefer Melancholie ebenso wie vom Glück einer späten Liebe.
Autorenporträt
Hage, VolkerVolker Hage, 1949 in Hamburg geboren, zählt zu den renommiertesten deutschen Literaturkritikern. Seine journalistische Laufbahn begann er als Kulturredakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", danach arbeitete er als Literaturchef der "Zeit" und später des "Spiegel". Er schrieb Titelgeschichten über Friedrich Schiller, Franz Kafka, Thomas Mann, Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki und ist Autor biographischer Werke über Max Frisch, Walter Kempowski, Philip Roth, John Updike und andere sowie des international beachteten Standardwerks "Zeugen der Zerstörung. Die Literaten und der Luftkrieg" (2003). Darüber hinaus lehrte er als Gastprofessor an deutschen und amerikanischen Universitäten. 2015 erschien bei Luchterhand sein erster Roman "Die freie Liebe".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2018

Das einzige Abenteuer des Lebens ist das Altern
Buchhalter der Koseworte: In Arthur Schnitzler findet Volker Hage Stoff für einen melancholischen Roman

Ein Mann lebt von der Lust seiner Frauen. Er braucht ihre Nähe, ihr Begehren, ihren taumelnden Blick. Früher hat er genau Buch geführt über die gemeinsam erlebten Höhepunkte, eine Statistik angelegt mit seinen erotischen Erfahrungswerten. Jetzt ist der Mann alt, hat sein Leben gelebt. Schreckliches ist ihm widerfahren: Die geliebte Tochter hat sich umgebracht, mit einer alten Pistole in die Brust geschossen. Die verrostete Kugel hatten sie im Krankenhaus schnell entfernen können, aber gegen die dadurch ausgelöste Sepsis kamen sie nicht an.

Alt ist der Mann jetzt und gebrochen. "Dass man es überhaupt erträgt", schreibt er verzweifelt in sein Tagebuch, "aber erträgt man es denn? Dass man weiterlebt, täuscht einem das Ertragen vor." Der Schmerz, die Leere, das Alter. Und doch: Die unstillbare Sehnsucht nach Frauen ist ihm geblieben. Keinen Tag hält er aus, ohne an ein erotisches Abenteuer zu denken, mit einer Geliebten zu korrespondieren oder sich in Begleitung einer fremden Frau zu zeigen, und wenn nur der Kellner im Kaffeehaus es sieht,

Arthur Schnitzler heißt der Mann, der in jenem Sommer 1928, als das Unglück geschieht, sechsundsechzig Jahre alt ist und in Wien lebt, in einem Haus mit Balkon und Rosengarten. Sternwartestraße 71 heißt die schöne Adresse, die jeden Besucher zum Träumen einlädt. Von seiner Ehefrau Olga lebt Schnitzler schon lange getrennt, und für seine Geliebte Clara empfindet er nach fünf Jahren nur noch Freundschaft. Aber es gibt ja noch andere: die junge Hedy zum Beispiel, mit der er durch die Wiener Parks läuft und sich ihre sexuellen Phantasien erzählen lässt. Oder Suzanne, sechsunddreißig Jahre jünger als er, seine französische Übersetzerin, die nach seinem Tod beim Leben ihrer Kinder schwört, dass die Beziehung zu Schnitzler rein platonisch gewesen sei. "Weil die Wahrheit in solchen Momenten eine Sünde ist", wie sie später zugibt.

Sie alle liebt er aus Selbstsucht, weil er sich mit ihnen über das Altern hinwegtäuschen, seine schriftstellerische Unfähigkeit verdrängen und die schwere Müdigkeit abstreifen kann, die ihn überkommt, wenn er allein ist. Die Melancholie des leeren Hauses hält er nicht aus, immer muss jemand um ihn sein, und wenn es nur seine Sekretärin Frieda ist, die alles ordnet und diskret besorgt. Neben den Frauen gibt es sonst nur noch das Kino. Und die Konkurrenten. Hofmannsthal zum Beispiel, den er schätzt, aber auch beneidet und dann verzweifelt an seinem plötzlichen Tod. Oder Thomas Mann. Auch Sigmund Freud, dem er erst spät begegnet und der sich einen "Kollegen" nennt, ohne genau zu erklären, ob er damit den Mediziner oder den Schriftsteller meint.

Als Mann ist Schnitzler alt geworden, aber als Dichter bleibt er jung, weil die Liebelei sein Thema ist, ihm vor allem das Erotische als Schreibzweck gilt. Die Kritiker attestieren ihm, er beschreibe eine "versunkene Welt", aber die vielen jungen Frauen, die sich in seiner Prosa und Dramatik spiegeln, die sich von ihm besser verstanden fühlen als von jedem anderen, die beweisen doch das Gegenteil. Worüber er schreibt, das hat er erlebt, erlebt es noch: die Eifersucht, den Hass der Betrogenen, die Drohungen, Trennungsaussichten, Ultimaten, die doch nicht eingehalten werden. Den Haushalt über sein Liebesleben führt er genau, berechnet, wie viel Zeit er mit wem verbringt, mit welchen Koseformeln er welche Liebesbriefe unterschreibt. Zwischen Frau, Geliebter, Freundin und Gefährtin unterscheidet er penibel und schildert sie alle detailliert und schonungslos in seinem Tagebuch. Sie dienen ihm als Protagonistinnen in seinem dramaturgisch geschicktesten Buch: Dem eigenen Leben. Wenn Suzanne seine Sätze als Zitate aus einem seiner Romane dechiffriert, muss er lächeln. "Es hatte einen ganz eigenen Reiz, wenn aus den Büchern etwas ins Leben trat. Als wäre alles nur geschrieben, um irgendwann zitiert zu werden."

Wer spricht hier eigentlich? Wer sitzt in Schnitzlers Kopf und denkt und redet und monologisiert von innen her? Volker Hage, Literaturchef der "Zeit", beim "Spiegel" und auch Literaturredakteur dieser Zeitung, hat sich mit großer Konzentration in das Ego des alternden Wiener Dichters hineinversetzt. Er hat dessen Tagebücher ausgewertet und vor allem erstmals die bislang gesperrten Aufzeichnungen der verstorbenen Tochter eingesehen. Er hat darüber hinaus eine elegante Technik der erinnernden Rückblende entwickelt und suggestive Fiktionen hinzugefügt. Einen Zeitungsartikel etwa hat er erfunden, einen Hausbesuch beim Autor, so wie manche Kritiker es heute machen, um sich die Rezension zu sparen. Dazu kommt hier und da etwas schüchternes Zeitkolorit, fliegt einmal ein Zeppelin gegen einen Berg und bricht eine deutsche Bank zusammen.

Aber es geht nicht um Geschichte in diesem weitschweifenden Schnitzler-Roman, sondern um das Leben eines Erotomanen. Um den unerbittlichen Ehrgeiz eines Mannes, der sich herausnimmt, viele Frauen auf einmal zu lieben. Jede einzelne will "klare Verhältnisse", aber er macht alles nur noch unklarer, um seinem Lebensthema, dem Reiz erotischer Verlockungen, Genüge zu tun. "Auch Schwäche ist Schuld, Schwäche ganz besonders" heißt es in seinem Stück "Spiel der Sommerlüfte", als wären die Worte gegen ihn selbst gerichtet.

Überhaupt, so suggeriert Hage, habe dieser Autor mit seiner berühmten "weiblichen Perspektive" in den Novellen und Bühnenwerken vor allem auch Abbitte leisten wollen für die vielen Enttäuschungen und Verletzungen, die er den Frauen zugefügt habe. Ein umfassendes Psychogramm des alternden Dichters will dieser Roman nicht liefern, dafür ist er zu sehr auf die Libido fixiert. Aber er schildert doch auch die tiefe Traurigkeit eines Schriftstellers, der sich am Ende weiß. "Es gibt nur ein Erlebnis", so zitiert Hage gen Schluss ergreifend aus Schnitzlers Tagebuch, "und das heißt Altern. Alles andere ist Abenteuer."

SIMON STRAUSS

Volker Hage: "Des Lebens fünfter Akt". Roman.

Luchterhand Literaturverlag, München 2018. 318 S., geb., 20,- [Euro].

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»Volker Hage, Literaturchef der 'Zeit', beim 'Spiegel' und auch Literaturredakteur dieser Zeitung, hat sich mit großer Konzentration in das Ego des alternden Wiener Dichters hineinversetzt.« Simon Strauß / Frankfurter Allgemeine Zeitung