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Schon der erste Satz in Wolf Wondratscheks neuem Buch widerlegt die Annahme, beide Dichter seien tot. Sind sie nicht! Sie leben, und das auf dem Land irgendwo in Italien, im Haus einer Frau, die weder lesen noch schreiben, dafür aber sehr gut kochen kann. Endlich Ruhe! Endlich ein Leben ohne Ruhm, allem Denken und Erklären entkommen! Bis sie eines Tages auffliegen, festgenommen und verhört werden. Die Nachricht schlägt weltweit ein wie eine Bombe. Mit angeblich Toten aber ist nicht zu spaßen. Soll die Welt sehen, wie sie mit Wundern klarkommt. Homer und Dante, die Jahrhunderte auf dem Buckel…mehr

Produktbeschreibung
Schon der erste Satz in Wolf Wondratscheks neuem Buch widerlegt die Annahme, beide Dichter seien tot. Sind sie nicht! Sie leben, und das auf dem Land irgendwo in Italien, im Haus einer Frau, die weder lesen noch schreiben, dafür aber sehr gut kochen kann. Endlich Ruhe! Endlich ein Leben ohne Ruhm, allem Denken und Erklären entkommen! Bis sie eines Tages auffliegen, festgenommen und verhört werden. Die Nachricht schlägt weltweit ein wie eine Bombe. Mit angeblich Toten aber ist nicht zu spaßen. Soll die Welt sehen, wie sie mit Wundern klarkommt. Homer und Dante, die Jahrhunderte auf dem Buckel haben, nehmen alles gelassen. Sie telefonieren mit Shakespeare, werfen Katzen in die Luft, spielen Klavier und bauen weiter an ihrem Vermächtnis, dem "Haus des Schweigens".
Autorenporträt
Wolf Wondratschek wuchs in Karlsruhe auf. Von 1962 bis 1967 studierte er Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie an den Universitäten in Heidelberg, Göttingen und Frankfurt am Main. Seit 1967 lebte er als freier Schriftsteller zunächst in München. In den Jahren 1970 und 1971 lehrte er als Gastdozent an der University of Warwick, Ende der 1980er-Jahre unternahm er ausgedehnte Reisen unter anderem in die USA und nach Mexiko. Er lebt seit 1996 in Wien.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Burkhard Müller hält Wolf Wondratscheks Totengespräch zwischen Dante und Homer für viel zu lang. So viel Interessantes haben die beiden Berühmtheiten, die in der italienischen Provinz heimlich fortleben, umsorgt nur von einer nichtsahnenden Köchin, nämlich gar nicht zu erzählen, findet der Rezensent. Nicht um Literatur kreist das Gespräch, erklärt Müller, sondern um das Verschwinden und ums Schweigen. Da das Buch aber gefüllt sein will, schaltet sich der Erzähler ein, und das tut dem Text nicht sonderlich gut, meint Müller.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2021

Die Ruhe nach
der Odyssee
In Wolf Wondratscheks neuem Roman
treffen sich Dante und Homer in
Italien, beide mehr lebendig als tot.
Worüber sie reden? Jedenfalls nicht über Literatur
VON BURKHARD MÜLLER
Für einen Autor muss es eine schwere Last bedeuten, wenn sein berühmtestes Werk zugleich sein erstes war und mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegt. Der 1943 geborene Wolf Wondratschek hat viel geschrieben in seinem Leben; aber der Titel, der sich eingeprägt hat, ist das 1969 erschienene „Früher begann der Tag mit einer Schusswunde“.
Dieser Titel verriet zugleich, was der Autor damit meinte, es komme vor allem auf den einzelnen Satz an. Die Sätze treten in Distanz zueinander auf, generieren so einen Text auf eher indirektem Weg und besitzen teils stark ins Gehör und die Erinnerlichkeit eingehende Qualität. Andere Vertreter dieses Typs im selben Band, die es nicht bis aufs Titelblatt geschafft haben, sind zum Beispiel „Schöne Mädchen kaufen kein Papier“, was irgendwie einleuchtet, ohne dass es zu stimmen bräuchte, oder „Hausaufgaben sind Glückssache“, oder „An Sonntagen sehen Familien aus, als hätte man sie auf dem Friedhof zusammengeklaut“.
Eine Möglichkeit, diese Priorität des Satzes vor dem Text zu wahren, ohne in die eitle Falle des Aphorismus zu tappen, besteht im Dialog. „Komödie“ wählt Wondratschek als Gattungsbezeichnung für sein neues Buch „Dante, Homer und die Köchin“. Aber eine Komödie im eigentlichen Sinn, bei der doch die Handlung das entscheidende strukturelle Merkmal darstellt, würde nicht leisten, was Wondratschek will. Die Tradition, in der er wirklich steht, ist jedoch kaum weniger altehrwürdig und ebenfalls hellenischen Ursprungs: das Totengespräch, die Unterhaltung Abgeschiedener in der Unterwelt, wie es der Grieche Lukian im 2. Jahrhundert entwickelt hat.
Als Figuren treten auf Homer und Dante. Dass sie gestorben wären, wird zwar nirgends ausdrücklich gesagt; doch ist es offensichtlich, dass sie in einem Niemandswinkel agieren, irgendwo im ländlichen Italien, wo das Faktum, dass sie immer noch in Umlauf sind, kein Befremden auslöst. (Als es später doch herauskommt, haben sie alle Hände voll zu tun, um sich vor Behörden und Paparazzi in Sicherheit zu bringen.) Am liebsten mögen sie es, wenn Nebel aufzieht, „Nebel, der die Welt einhüllt wie ein Geschenk, auf dem ‚Bitte nicht öffnen!‘ steht“. Zu ihrer Betreuung und Beköstigung dient eine namenlose, aber energische Köchin, die weder lesen noch schreiben kann, weder von Dante noch von Homer je das Mindeste gehört hat und sich darum über ihre Schützlinge glücklicherweise nicht zu wundern braucht.
Homer und Dante sind nicht zufällig gewählt; zusammen umspannen sie den Inbegriff der westlichen Literatur von ihrer sinnlich-weltlichen und ihrer asketisch-geistigen Seite. Auch vom Typ her sind sie recht verschieden: Dante nicht ohne Glut, doch stark abgemagert, in seinem dunklen Habit einer Vogelscheuche gleichend (wie sein Gefährte spöttisch vermerkt); Homer dagegen, dessen in der Blindheit wurzelndes Sehertum eine eher geringe Rolle spielt, gut im Futter und dem Diesseits zugewandt. Ein bisschen wirken sie wie Don Quijote und Sancho Pansa. Shakespeare ruft zwar auch mal an, aber der Autor hat gut daran getan, ihn insgesamt fernzuhalten, denn er hätte dem homerischen Aspekt der Dichtung nichts hinzugefügt und dazu den Nachteil gehabt, erst seit 400 Jahren nicht mehr unter uns zu weilen – eindeutig zu wenig für den abgeklärten, um nicht zu sagen gut abgehangenen Seelenzustand der beiden Protagonisten.
Auch die Witwe von James Joyce kriegt dankenswerterweise nur einen kurzen Auftritt. Die beiden alten Kämpen haben ihren kleinen Stammtisch, eine Runde, die nicht recht deutlich wird, außer dass von ihr mit geisterhafter Logik gilt: „Jeder ist hier noch älter als jeder andere.“ Natürlich streitet sich das Paar auch, und einmal wollen sie sich gar duellieren, was aber zum Glück dann doch unterbleibt: Sie hätten beide tot sein können! Man denkt bei dieser Art Humor an die Schatten-Passagiere in Charons undichtem Nachen, die Lukian sich vor dem Ertrinken fürchten lässt.
Und über was reden die beiden so? Jedenfalls nicht über Literatur; das haben sie nach all den Jahrhunderten nun wirklich hinter sich. „Wer sich jetzt noch an den Titel des eigenen Buchs erinnert, dem ist nicht zu helfen.“ Stattdessen sprechen sie davon, wie man der Köchin ihre schwere Arbeit erleichtern könnte.
„Dante: Sie gibt es ja nicht zu, aber das hat sie Kraft gekostet, die Brombeerhecken zu schneiden, die bereits die Wege überwuchert hatten. Hände weg, Herr Dante, das ist Männersache. Aus dem Weg mit Ihnen, hat sie gesagt.
Homer: Nicht zu fassen, das Weibsstück.
Dante: Und wie gewissenhaft sie bei der Sache war, beeindruckend. Man müsste ihr nur mal bei Gelegenheit eine neue Gartenschere besorgen.
Homer: So was müsste es doch in Venedig zu kaufen geben, oder?
Dante: Die gibt es in jedem Dorf.
Die beiden Männer, Sommergästen ähnlicher als Dichtern, fühlen sich von so viel Männlichkeit beschützt. Die Nachtluft nach der Gluthitze tut gut.“
Hier schaltet sich die Stimme des Erzählers ein, und es kommt das Formproblem des Buchs zum Vorschein: Er redet ihnen drein, wo sie recht gut allein zurechtkämen. Doch nur mit den Plaudereien der beiden Ex-Dichter ließen sich, da eigentlich nichts geschieht, kaum die 240 Seiten füllen, die der Band hat. Also wird zwischendurch etwas aufgemischt, die Welt kommt wie gesagt den beiden Beinah-Geistern auf die Spur; es ergibt sich eine Reihe weniger komödiantischer als farcenhafter Szenen, die sich aber, da dem globalen Hype alsbald die Ratlosigkeit folgt und die beiden sich weise zurückziehen, im Nirgendwo enden.
Die zwei reden vom Wunsch, vergessen zu werden, und vom Schweigen. Das ist insofern misslich, als Reden das Schweigen aufhebt, Schweigen aber, wenn man nicht davon redet, dass man schweigt, als Schweigen nicht kenntlich wird. Schweigen bietet sich mithin als paradoxe Unmöglichkeit dar – wenigstens dann, wenn ein Buch draus werden soll. Der Ausweg, den sie finden, erweist sich noch nicht mal als Schuss in den Ofen: Dante will sein Denkmal auf der nach ihm benannten Piazza in Neapel in die Luft sprengen (was, wie man anmerken möchte, die angestrebte Vergessenheit nicht befördern dürfte). Das Dynamit ist schon gekauft und verladen – da wird es, wir sind schließlich in Neapel, aus dem Auto geklaut. Homer und Dante trösten sich leicht, sie finden andere Themen. „Warum, will Dante wissen, darf sich Glück nicht wiederholen? Natürlich darf es sich wiederholen, aber nicht zu oft! Aber warum? Weil es dumm macht, darum, Sie Dummkopf!“
Ob es nicht vielleicht, zumal in ihrer Lage, klüger wäre, glücklich zu sein als klug, erörtern die alten Dichter nicht mehr; das Buch ist hier zu Ende. Zwar könnte es ewig so weitergehen. Aber wenn man es aus der Hand legt, hat man dennoch das Gefühl, es sei für das, was es wollte, um ungefähr das Doppelte zu lang geraten.
Diese beiden umspannen die
asketischen und sinnlichen Seiten
der westlichen Literatur
Misslich, dass Schweigen, wenn
man davon redet, dass man
schweigt, unkenntlich wird
Wolf Wondratschek: Dante, Homer und die Köchin. Eine Komödie. Ullstein, Berlin 2021.
237 Seiten, 24 Euro.
Bei der literarischen Lebensleistung von Dante und Homer ist es nur angemessen, dass Wolf Wondratschek sie nach getaner Arbeit von einer italienischen Köchin bewirten lässt.
Foto: imago images/YAY Images
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