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»Extrem klug, kraftvoll und differenziert über #MeToo.« THE GUARDIAN.
Im New Yorker veröffentlicht, wurde Mary Gaitskills Erzählung vielfach als das Beste gerühmt, was bislang zur #MeToo-Debatte geschrieben wurde: Der gefeierte Lektor Quin wird durch Vorwürfe von Mitarbeiterinnen öffentlich zu Fall gebracht. Auch Margot griff er vor zwanzig Jahren bei einem ihrer ersten Treffen zwischen die Beine, und sie wehrte sich. Ihre Entschlossenheit imponierte ihm - und sie genoss nach wie vor die Aufmerksamkeit des schillernden Bonvivants. Sie wurden Freunde. Während er langsam verstehen muss, dass…mehr

Produktbeschreibung
»Extrem klug, kraftvoll und differenziert über #MeToo.« THE GUARDIAN.

Im New Yorker veröffentlicht, wurde Mary Gaitskills Erzählung vielfach als das Beste gerühmt, was bislang zur #MeToo-Debatte geschrieben wurde: Der gefeierte Lektor Quin wird durch Vorwürfe von Mitarbeiterinnen öffentlich zu Fall gebracht. Auch Margot griff er vor zwanzig Jahren bei einem ihrer ersten Treffen zwischen die Beine, und sie wehrte sich. Ihre Entschlossenheit imponierte ihm - und sie genoss nach wie vor die Aufmerksamkeit des schillernden Bonvivants. Sie wurden Freunde. Während er langsam verstehen muss, dass sich das Blatt für ihn gewendet hat, versucht sie das Handeln des Freundes zu verstehen. Inwiefern hat er ihre Loyalität verdient, welches Leid hat er verursacht? Ein ebenso unerschrockener wie hellsichtiger Blick auf eine Welt, in der es keine moralischen Eindeutigkeiten mehr gibt.

»Mary Gaitskill ermöglicht eine entscheidende neue Gesprächsebene über #MeToo. Denn nicht zuletzt wirft 'Das ist Lust' die Frage danach auf, wie unversöhnlich die Positionen in der Debatte wirklich sind und woran ein Austausch, der allen Seiten Handlungsspielräume zugesteht, anknüpfen könnte.« DER SPIEGEL.

»Ein Meisterwerk, in dem die Grenzen verwischen, Mehrdeutigkeiten gewollt sind. Gaitskill überlässt die Interpretation dem Leser, ihr Text ist ein nuancenreicher und Differenzierung einfordernder Beitrag zur MeToo-Debatte.« ttt - titel, thesen, temperamente
Autorenporträt
Mary Gaitskill, geboren 1955 in Detroit, verdiente ihr Geld als Stripteasetänzerin, Blumenverkäuferin, Sekretärin, Model und Buchhändlerin. Während des späten Studiums schrieb sie ihre ersten Erzählungen. Seit ihrem Debüt »Bad Behavior« (1988) lotet sie die Ambiguität menschlicher Gefühle und Beziehungen aus wie sonst kaum jemand. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und lebt heute in New York. Bei Blumenbar liegen von ihr »Bad Behavior. Schlechter Umgang« und »Das ist Lust« vor.   Daniel Schreiber, Kunstkritiker, Essayist und Übersetzer. Sein Buch »Susan Sontag. Geist und Glamour« war die erste Biographie über die bekannte amerikanische Intellektuelle und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Er ist Autor der hochgelobten und viel gelesenen Essaybände »Nüchtern«, »Zuhause« und »Allein«. Schreiber lebt in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensentin Nina Apin hält Mary Gaitskills "Das ist Lust" für ein mutiges Buch. Gaitskills, vor allem für ihre Kurzgeschichten "Bad Behaviour" bekannt, beschreibt darin Apin zufolge, ohne zu urteilen, ein vermeintlich bekanntes #MeToo-Szenario: Der Protagonist "Quin" überschreitet gerne Grenzen beim weiblichen Geschlecht, wird dafür der sexuellen Belästigung bezichtigt und dennoch von der Hauptbetroffenen seiner Übergriffe als Mensch gesehen, was die Rezensentin erfrischend findet. Sie bewundert die Autorin für ihren sehr genauen Blick auf "die blinden Flecken" heterosexueller Intimbeziehungen. Dass das Buch Widersprüche nicht vermeidet und die Menschen nicht in Täter-Opfer-Rollen zwingt, rege im Vergleich zu anderen Beiträgen der #MeToo-Debatte zum Nachdenken an, schließt Apin anerkennend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2021

Mitspielen statt wehren
In Mary Gaitskills Erzählung „Das ist Lust“ versucht eine Frau, die sich für emanzipiert hält, ihr Verhältnis zu „Me Too“ zu klären. Ist sie eine Komplizin?
Die amerikanische Schriftstellerin Mary Gaitskill ist mit erotischer, ungemütlicher Fiktion bekannt geworden, in ihren Texten verhandelt sie die Ambiguität (hetero-)sexueller Machtdynamiken, BDSM und andere Formen tabuisierter Lust. Als sie im Jahr 1988 den Erzählband „Bad Behavior“ veröffentlichte, war zwar kein einziges der einschlägigen literarischen Magazine bereit, auch nur eine Erzählung daraus zu veröffentlichen. Trotzdem verkaufte ihr Verlag aus dem Stand Übersetzungen in zwölf Länder und Mary Gaitskill eroberte sich den Ruf einer stilsicheren Zeitdiagnostikerin. In die allgemeine Teilnahmslosigkeit ihrer Figuren mischte sich eine sexuelle Enthemmung, die sich jedoch nie als Provokation verstand. Die sexuellen Abgründe, die Perversionen und die Schmerzsehnsucht waren bei Gaitskill keine Schockeffekte, sondern spiegelten die emotionale Entfremdung der Figuren.
Die „Me Too“-Debatte brachte Gaitskill nun in eine schwierige Position, von einem Tag auf den anderen veränderte sich der Blick auf ihr Werk. Im Jahr 2019 veröffentlichte sie im New Yorker die Erzählung „This Is Pleasure“, die sich wie eine fiktionalisierte Reaktion auf die „Me Too“-Debatte las und zweierlei Redaktionen auslöste: Rechnete Gaitskill darin mit der „lustfeindlichen Opferkultur“ ab? Oder machte sie sich angesichts der neuen Sichtbarkeit strukturellen Machtmissbrauchs das kollektive (und eigene) Wegschauen bewusst? Geich vorab: Eine eindeutige Lesart gibt es nicht, Gaitskill verweigert sie bewusst. Wenn sie zu dem Thema eine eindeutige Position hätte, hätte sie einen Essay geschrieben, hat sie einmal gesagt, aber dafür seien ihre Gefühle „zu kompliziert und widersprüchlich“.
Die Erzählung, die jetzt unter dem Titel „Das ist Lust“ auf Deutsch erschienen ist, bildet zwei Perspektiven auf einen „Me Too“-Fall ab, wie er so oder ähnlich jederzeit in der New Yorker Literaturszene denkbar wäre: Margot, eine Lektorin in ihren Fünfzigern, blickt zurück auf ihre Freundschaft zu Quin, ebenfalls Lektor und Szenegröße, der nach zahlreichen Vorwürfen sexueller Übergriffigkeit Job und Ansehen verliert.
Quin blickt zurück auf seine Beziehungen zu den Frauen, die nun die Anschuldigungen gegen ihn erheben. Was ihm vorgeworfen wird, wird nie konkret formuliert. Quin beschreibt sein Verhalten als freundschaftliches Flirten: „Nur manchmal hatte ich sie an der Schulter berührt oder meinen Arm um ihre Taille gelegt. Vielleicht mal ans Knie gefasst oder an die Hüfte. Zuneigung.“ Margots Perspektive wechselt sich mit Quins Stimme ab und entlarvt ihn als unzuverlässigen Erzähler. Sie erinnert sich an das erste gemeinsame Abendessen und an sein dreistes Grabschen, das sie mit einem vehementen Nein zurückweist. Als die Grenzen abgesteckt sind, freunden sie sich an, trotzdem geht Quin mit „Mikroaggressionen“ immer wieder bewusst einen Schritt zu weit. Das Reflexionsvermögen der beiden Erzähler bewegt sich allerdings nicht auf demselben Niveau: Während Quin mit einer Selbstgefälligkeit, die einem bald auf die Nerven geht, die eigenen Muster auch retrospektiv nicht erkennt, untersucht Margot feingliedrig ihre widersprüchlichen Gefühle. Einerseits vermisst sie bei Quins Anklägerinnen das klare „Nein“, mit dem sie sich seinerzeit selbst Quin gegenüber behauptete. Andererseits fürchtet sie, auf diese Weise sein Opfer und seine Komplizin zugleich zu sein.
Die Kulturwissenschaftlerin Angela McRobbie beschrieb die vertrackte Lage „postfeministischer“ Frauen schon in ihrem Buch „Top Girls“ im Jahre 2010: Wenn der Kampf um die Gleichberechtigung der Geschlechter gewonnen und der Feminismus obsolet ist, kann eine Frau theoretisch die Errungenschaften genießen, ohne sich selbst als ausdrücklich feministisch und damit weniger reizvoll für den männlichen Blick zu positionieren. Die Rolle der postfeministischen, also vollends emanzipierten und befreiten Frau schließt jedoch ein, über patriarchale Unterdrückungsstrukturen zu schweigen: „Das Zurückhalten von Kritik ist sogar die Bedingung für ihre Freiheit“, schreibt McRobbie. An Margots Figur wird deutlich, mit welchen Widersprüchen eine postfeministische Frau angesichts der „Me Too“-Debatte konfrontiert ist. Den selbst erlebten Übergriff muss sie herunterspielen, schließlich würde das Opferdasein an ihrer Handlungsmacht kratzen. Sie kritisiert zwar Quins Indiskretion oder Geschmacklosigkeit, aber sie benennt nicht sein sexistisches Verhalten. Ihr Nicht-Verhältnis zu patriarchalen Strukturen wird nun von Quins Anklägerinnen bedroht, deshalb kann sie ihnen nicht so einfach glauben.
Nicht nur postfeministisches Denken erschwert den Umgang mit „Me Too“. Die Frage nach der Ambivalenz der Lust, die sich im überstrapazierten „Jetzt darf man nicht mal mehr flirten“-Getue ausdrückt, drängt sich bei scheinbar uneindeutigen Grenzverletzungen auf. Fand sie das nicht doch ganz gut? Gehört das Sich-Zieren nicht dazu? Die Tatsache, dass sich Betroffene in der Situation selbst nicht wehren, gar mitspielen, ist für Quin der Beweis, dass sie die Grenzverletzungen eigentlich genossen hätten. Lust liegt für ihn gerade im Zwittergefühl unfreiwilliger Erregung.
Gaitskill erzählt in der Verschränkung zweier Stimmen die Genese eines lange tolerierten Machtmissbrauchs, drängt dabei aber keine Interpretation auf. Quin mag durchaus Mitleid erregen. Der Rezeptions-Spielraum macht Spaß, wirkt aber auch wie ein Halt auf halber Strecke.
Die zwei Rückblicke laufen parallel nebeneinander her, Quin bleibt bei seiner Selbstgefälligkeit und Margot bei ihren Zweifeln. In gewisser Weise ruht sich die Autorin damit auf der Ambivalenz zweier gleichberechtigter Realitäten aus. Dennoch ermöglicht es der Roman, Nuancen von „Me Too“ nachzuvollziehen. Und das ist hoch aktuell. Öffentliche Vorwürfe wegen sexualisierter Gewalt reißen auch in Deutschland nicht ab, sie fachen die notwendige Debatte, wie mit mutmaßlichen Tätern umgegangen werden soll, stets aufs Neue an. Gut, wenn Literatur etwas dazu beitragen kann.
NORA NOLL
Sie erinnert sich an das erste
gemeinsame Abendessen und an
sein dreistes Grabschen
Mary Gaitskill:
Das ist Lust.
Aus dem Englischen
von Daniel Schreiber.
Aufbau Verlag, Berlin 2021.
128 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Ein Meisterwerk, in dem die Grenzen verwischen, Mehrdeutigkeiten gewollt sind. Widerspruch hält sie aus - denn für Mary Gaitskill ist es jetzt an der Zeit, die MeToo-Debatte nuancierter zu führen.« ARD ttt - titel, thesen, temperamente 20210502