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Die Rolle des Nobelpreisträgers Adolf Butenandt in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik vor und nach 1945. Der Nobelpreisträger, Präsident und Ehrenpräsident der Max-Planck-Gesellschaft Adolf Butenandt (1903-1995) gehörte zu den herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Naturwissenschaft im 20. Jahrhundert. Neuerdings ist gegen ihn der Vorwurf erhoben worden, im »Dritten Reich« als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie in Berlin an ethisch fragwürdigen Forschungen beteiligt gewesen zu sein. Ausgehend von dieser Kritik werden in diesem Band die wissenschaftlichen und…mehr

Produktbeschreibung
Die Rolle des Nobelpreisträgers Adolf Butenandt in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik vor und nach 1945. Der Nobelpreisträger, Präsident und Ehrenpräsident der Max-Planck-Gesellschaft Adolf Butenandt (1903-1995) gehörte zu den herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Naturwissenschaft im 20. Jahrhundert. Neuerdings ist gegen ihn der Vorwurf erhoben worden, im »Dritten Reich« als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie in Berlin an ethisch fragwürdigen Forschungen beteiligt gewesen zu sein. Ausgehend von dieser Kritik werden in diesem Band die wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Aktivitäten Butenandts, seine Rolle in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sowie sein Verhältnis zur Industrie und zur Politik in der Zeit des Nationalsozialismus untersucht. Erörtert werden auch sein wissenschaftlicher Neubeginn und seine wissenschaftspolitischen Aktivitäten nach 1945 im Übergang von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Max-Planck-Gesellschaft. Die Autorinnen und Autoren kommen zu einem durchaus differenzierten Ergebnis: Butenandt stand nicht im Zentrum einer ideologisch entgrenzten Naturwissenschaft, er kann aber auch nicht als bloße Randfigur nationalsozialistischer Wissenschaftspolitik angesehen werden. Insofern war er typischer Repräsentant der Wissenschaft im »Dritten Reich«.
Autorenporträt
Wolfgang Schieder, geb. 1935, em. Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität zu Köln, ist Vorsitzender der Stiftung deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland und zusammen mit Reinhard Rürup Vorsitzender der Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft »Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus«.

Achim Trunk, geb. 1965, Diplom-Biologe und Historiker, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt »Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus« am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.07.2004

Kenner der Sexualhormone
Die Karriere des Chemikers Adolf Butenandt in der NS-Zeit
Der Chemiker Adolf Butenandt ist auch fast zehn Jahre nach seinem Tod im Jahr 1995 immer noch eine Ikone der deutschen Naturwissenschaft. 1939 erhielt er den Nobelpreis für Chemie für die Isolierung und Konstitutionsermittlung der Geschlechtshormone. Von 1960 bis 1972 amtierte er als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Doch im Jahr 1984 schien auch Butenandt von seiner Vergangenheit im „Dritten Reich” eingeholt zu werden. Der Kölner Genetiker Benno Müller-Hill brachte ihn mit seinem früheren Dahlemer Nachbarn, dem Humangenetiker Otmar Freiherr von Verschuer, und dessen Mitarbeiter Josef Mengele in Verbindung und stellte die Frage, ob nicht auch Butenandt, wenn schon kein Akteur einer verbrecherischen Wissenschaft, so doch ihr Mitwisser gewesen sei.
Ein Mitläufer mehr
Konnte Butenandt, dabei von der MPG unterstützt, zunächst abwiegeln, wurden diese Vorwürfe nach 1997 von Ernst Klee und anderen wiederholt. Zu der Zeit hatte die vom Präsidenten der MPG inzwischen eingesetzte Kommission zur „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus” ihre Arbeit aufgenommen, und so lag es nahe, eine eigene Arbeitsgruppe mit der Aufhellung der gegen Butenandt erhobenen Vorwürfe zu befassen. Sie legt jetzt ihre Ergebnisse vor, die sich vorzugsweise auf den umfangreichen Nachlass Butenandts im Archiv der MPG stützen. So unterschiedliche Akzente die Beiträge im einzelnen setzen, kommen doch alle zu dem Schluss, dass Butenandt als Randfigur und nicht als treibende Kraft einer ethisch verwerflichen Wissenschaft zu beurteilen sei. Er war wohl das, was man einen Mitläufer nannte, der dem Regime loyal diente, ohne sich völlig von ihm vereinnahmen zu lassen.
Wer, wie Butenandt, zwischen 1933 und 1945 in einem Kaiser-Wilhelm-Institut in Dahlem arbeitete, das Berührungspunkte mit anderen Instituten hatte, in denen medizinische, anthropologische und erbpathologische Forschungen betrieben wurden, wer noch dazu von Göring persönlich in die Deutsche Akademie für Luftfahrtforschung berufen worden war, musste auf Vorgänge stoßen, die mit den vor 1933 auch in Deutschland gültigen deontologischen Maßstäben nicht vereinbar waren. Dies galt insbesondere, wenn eigene Mitarbeiter - zu nennen sind Gerhard Ruhenstroth-Bauer, Ulrich Westphal und Günther Hillmann - bei ihren Forschungen die Grenze des Erlaubten überschritten und Versuche mit Humanmaterial unternahmen, das von Häftlingen gewonnen worden war, die sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hatten. Butenandt hat diese Projekte zumindest in Umrissen gekannt, weshalb Müller-Hills Urteil, er habe seine selektive Wahrnehmung zu weit getrieben, erneut Bestätigung findet. Butenandt hat seine Mitarbeiter nicht davon abgehalten, diese Grenze zu überschreiten, und darin liegt, so Wolfgang Schieder, das eigentliche moralische, sicherlich nicht justiziable Versäumnis. Damit könnte man, sofern nicht ganz neue Sachverhalte bekannt würden, die Akte Butenandt schließen.
Patriarchalischer Führungsstil
Die einzelnen Beiträge zeichnen die wissenschaftlichen Arbeiten Butenandts im Umfeld von Labor, Klinik und Fabrik nach und sind auch für den Laien gut verständlich. Butenandt sah früh die Möglichkeiten, die seine Forschungen für die Behandlung von Fertilitätsstörungen und Krebs, aber auch für die Insektenbekämpfung boten. Als wissenschaftlicher Mandarin pflegte er einen patriarchalischen Führungsstil, der zwar seinen Mitarbeitern ein ungestörtes Forschen ermöglichte, den aber insbesondere Frauen zu spüren bekamen. Von ihnen wurde Unterordnung gefordert wurde, wobei die eigene Ehefrau nicht ausgenommen wurde. In Butenandts Kreisen heiratete man zweckmäßigerweise die tüchtigste Assistentin oder Laborantin. Die von Butenandt angestoßenen Forschungen sind auch heute noch anschlussfähig, so dass der Sammelband das Bild einer denaturierten Horrorforschung unter dem Nationalsozialismus korrigiert. Bis weit in die Kriegszeit wurden internationale Verbindungen aufrechterhalten und die in den USA wie Großbritannien betriebenen Forschungen verfolgt.
Herausgeber und Mitarbeiter des vorzüglich lektorierten Bandes leisten die Erinnerungsarbeit, die Butenandt nach Kriegsende verweigerte, der sogar mehreren belasteten Kollegen in den Nürnberger Nebenprozessen Persilscheine ausstellte und auch Verschuer die Rückkehr in den Universitätsdienst erleichterte. Entstanden ist eine Fallstudie, die grundlegend für die noch zu schreibende Kollektivbiographie bedeutender Naturwissenschaftler im „Dritten Reich” ist, denen die Durchführung ihrer Forschungen wichtiger war als die kritische Auseinandersetzung mit den politischen Rahmenbedingungen. Wenn später einmal der umfangreiche Briefnachlass Butenandts zugänglich sein wird, wird man vielleicht erfahren, was er wirklich von Hitler und seinen Paladinen und ihren Verbrechen gegen die Menschheit dachte.
FRANK-RUTGER HAUSMANN
Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Wissenschaft, Industrie und Politik im „Dritten Reich”. Hrsg. von Wolfgang Schieder und Achim Trunk. Wallstein Verlag, Göttingen 2004 450 S., 34 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "grundlegend" für die noch zu schreibende Kollektivbiografie bedeutender Naturwissenschaftler im Dritten Reich würdigt Frank-Rutger Hausmann diesen Band über die Karriere des Chemikers Adolf Butenandt in der NS-Zeit. Zwar gelte Butenandt auch fast zehn Jahre nach seinem Tod im Jahr 1995 immer noch als Ikone der deutschen Naturwissenschaft, wie Hausmann zu berichten weiß. Aber mittlerweile seien Zweifel an der Integrität des Chemikers während der NS-Zeit aufgekommen. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) habe deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, so Hausmann, die sich mit der Aufhellung der gegen Butenandt erhobenen Vorwürfe befasst habe. Die Ergebnisse sind nun im vorliegenden Band nachzulesen. Hausmann hebt hervor, dass die einzelnen Beiträge, die die wissenschaftlichen Arbeiten Butenandts im Umfeld von Labor, Klinik und Fabrik nachzeichnen, auch für den Laien "gut verständlich" sind. Die Autoren kommen seiner Darstellung nach zu dem Schluss, dass Butenandt zwar kein Akteur einer verbrecherischen Wissenschaft gewesen sei, aber als Mitläufer und Mitwisser eingestuft werden könne. Das Urteil des Kölner Genetikers Benno Müller-Hill, Butenandt habe seine selektive Wahrnehmung zu weit getrieben, finde erneut Bestätigung. Insgesamt lobt Hausmann den Band als "vorzüglich lektoriert". Er leiste die Erinnerungsarbeit, die Butenandt nach Kriegsende verweigert habe.

© Perlentaucher Medien GmbH
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