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»Nix los hier«, so leiert der Refrain Tag für Tag durch das Dorf, irgendwo im Nirgendwo der Steiermark. Es sind die 1950er Jahre, Entbehrung und harte körperliche Arbeit schnitzen ihre Spuren tief in die Gesichter und Herzen der Menschen. In diese archaische Welt wird Sepp geboren. Sepps Haut ist auffallend weiß, die Augen rot entzündet, er schreit - ein Säugling mit Ansprüchen. Viel frisches Blut soll er trinken, seine Krankheit damit in Schach gehalten werden. Noch bevor Sepp seine ersten Schritte tut, wird er zum Gespött der Leute. Aber freilich nur hinter vorgehaltener Hand! Wie kann ein…mehr

Produktbeschreibung
»Nix los hier«, so leiert der Refrain Tag für Tag durch das Dorf, irgendwo im Nirgendwo der Steiermark. Es sind die 1950er Jahre, Entbehrung und harte körperliche Arbeit schnitzen ihre Spuren tief in die Gesichter und Herzen der Menschen. In diese archaische Welt wird Sepp geboren. Sepps Haut ist auffallend weiß, die Augen rot entzündet, er schreit - ein Säugling mit Ansprüchen. Viel frisches Blut soll er trinken, seine Krankheit damit in Schach gehalten werden. Noch bevor Sepp seine ersten Schritte tut, wird er zum Gespött der Leute. Aber freilich nur hinter vorgehaltener Hand! Wie kann ein Kind unter solchen Bedingungen wachsen? Und was bedeutet es bis heute, anders zu sein? Gebannt und stets an der Seite des Protagonisten verfolgt der Leser Sepps schicksalhaften Weg und nähert sich unheilvoll dem Abgrund.»Seltsamerweise wird im Jugendbuch von altersgerechten Inhalten und Formen gesprochen. Dahinter steckt eine gutgemeinte Mütter-Väterlichkeit, die schlicht literatur-feindlich ist. Und: sie unterschätzt Jugendliche!«Christian Duda
Autorenporträt
Christian Duda heißt eigentlich Christian Achmed Gad Elkarim, früher hieß er sogar Ahmet Ibrahim el Said Gad Elkarim. Er war Österreicher, Ägypter und ist jetzt Deutscher, war Katholik, Muslim und ist schon seit sehr langer Zeit ein glücklicher Atheist. Er ist Autor, Regisseur und Vater, lebt in Berlin und träumt vom Snowboarden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.05.2020

Die verkauften Kinder
Christian Duda erzählt in „Milchgesicht“ über die harte Jugend seiner Großmutter
in einem österreichischen Dorf – in einer Welt ohne Erbarmen und Verantwortung
VON SYBIL GRÄFIN SCHÖNFELDT
Was weiß ein Kind wirklich von seinem Großvater und seinem Urgroßvater? Könnte es sich überhaupt eine Welt vorstellen, in der es kein Digitales gibt, kein Internet? In der in der Küche ein Feuer im Herd angezündet worden ist, die Kinder mit den Erwachsenen oder alle Geschwister zusammen in einem Bett schlafen, auf einem Strohsack? Ohne Wegwerfwindeln, Papiertaschentücher und Pappbecher to go. In der es noch keine Pflegeversicherung gab, sondern die Fürsorge für die ganz Jungen und die ganz Alten und die unheilbar Siechen bei der Familie lag. Und wenn keiner da war, bei der Gemeinde. Hatten Großmütter und Urgroßmütter überhaupt Wörter, um diese ungeheure Distanz zwischen heute und damals darzustellen? Es blieb oft und immer wieder beim: „Das weiß ich nicht mehr. Das hab ich vergessen.“
Einer gab sich nicht damit zufrieden. Christian Duda, „Autor, Regisseur, Vater im Ruhestand“, wie er sich selbst bezeichnet, wuchs bei der Oma in Österreich auf. „Sie war meine Heimat – Doch sie starb viel zu früh“, und der Enkel kam zu den Eltern nach Deutschland, verließ jedoch mit 18 Jahren die Familie. Noch mehr Zeit verging, ehe er sich auf die Suche nach der Lebensgeschichte dieser Großmutter machte und merkte, wie wenig er über sie wusste. „Und die Verwandten schwiegen.“
Es war die Küchenschublade, die ihm half. Die Großmutter hatte alles hineingestopft, was ihr wichtig erschien, persönliche Papiere, Briefe, Zeitungsausschnitte, Gebrauchsanweisungen, Reklamezettel. Das verlockte den Enkel, er begann die Schnipsel so gut zu ergänzen, wie es möglich war, und wenn die Lücken in den Unterlagen zu groß waren, vertraute er sich der Fantasie an und entwarf sich auch einen Schreibstil, wie es ihm diese Arbeit befahl. Kein festgefügter Erzählblock, sondern Augenblicke, kurze Texte, schockierende Bilder, Sätze, nur, knapp, streng, als ob sich die Sprache sträubte, sich weigerte, ihm Wörter für das zu liefern, was damals, um 1900, in Österreich, in der Arbeitersiedlung am Semmering, wo eine kühne Bergbahnlinie gebaut wurde, und in vielen anderen armen Dörfern, Bergdörfern, mit den Kindern und den sozial Schwachen geschah: Wer leben und nicht verkommen wollte, konnte sich kein Erbarmen, keine Kindheit leisten.
Duda erzählt von zwei Kindern, von dem Mädchen, das die Älteste von viel zu vielen Geschwistern war, als das Kind zwölf Jahre alt war, geht der Vater zu einem der reichen Bauern im Dorf, führt ihm das Kind vor und preist es an, wie gut es den Haushalt führen kann, für die Geschwister gesorgt hat, wie stark und gesund es ist. So verkauft er es dem Bauern. Das war damals üblich und in diesem Fall bekam das Kind, das Dudas Großmutter wurde, wenigstens genug zu essen.
Wenn man an die Gesetze denkt, die damals unausgesprochen in Dörfern herrschten, hatte auch der Junge, von dem Christian Duda erzählt, das, was für ihn Glück war. Er war krank von Geburt auf, vertrug kein Licht, keine Sonne, schrie statt zu sprechen und wurde einer Tante, einer alten Jungfer zur Pflege und Aufzucht gegeben, blieb immer für sich, und weil sich die Lehrerin weigerte, ihn zu unterrichten, brachte er sich selber das Lesen und das Schreiben bei. Als man ihn einmal als Milchgesicht verspottet, war und blieb er der Sepp, der Dorftrottel, Ergebnis von Inzucht und Ignoranz. Das Glück bei der Tante fand jedoch ein Ende, als sie als Engelmacherin verraten wurde, die das abzutreiben versuchte, was das Produkt der Übergriffe von Männern war, die die Frauen ihres Haushaltes als Besitz betrachteten und Vergewaltigungen als ihr gutes Recht. Um die Folgen scherten sie sich einen Teufel, erst recht nicht, wenn dabei jemand entstand wie der Sepp. Seine Spur verlor sich, Christian Duda lässt ihn bei einem Arzt enden, der bei einem Ungebärdigen, Aufsässigen, ohne Familie und Hilfe, durch einen operativen Eingriff ins Gehirn für Ruhe sorgte.
Christian Duda entwirft Bilder und Szenen, die man nicht vergisst. Er erhebt nicht den Zeigefinger, er bauscht nichts auf, er bleibt bei dem, was er kennt, erwähnt mit keinem Wort die „armen, armen Kinder“, wie Astrid Lindgren sie nannte, die armen Kinder der Welt. Er zeigt, wie es eben noch bei uns gewesen ist, vor einer oder zwei Generationen, und wie gut es Kinder haben, die heute hier am rechten Ort geboren wurden. In eine Welt der Sozialhilfe und des Kinderschutzbundes, aber auch den Medien ausgelieferten Song-Kids. Es ist gut, wenn jemand von den verkauften Kindern erzählt, als das Wort Armut etwas ganz anderes bedeutete als heute. Zu diesem Wort aber gehören andere, Verantwortung und Erbarmen. Gut, dass jemand die Kinder daran erinnert. (Für junge Erwachsene)
Wer leben und nicht verkommen
wollte, konnte sich kein Erbarmen
keine Kindheit leisten
Christian Duda:
Milchgesicht.
Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2020.
154 Seiten, 13,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Ein Meisterwerk über Familie und Anderssein in den in mehrfacher Hinsicht gewalttätigen Nachkriegsjahren des 20. Jahrhunderts.« Jury Beste 7, April 2020 »Eindringlich, poetisch und feinfühlig erzählt Duda von Außenseitertum, entführt die Lesenden in die Welt der 1950er-Jahre in ein Dorf im Nirgendwo der Steiermark. Man folgt dem Jungen Sepp, der anders ist, feinsinnig und nicht akzeptiert in dem Dorf. Nah an seinen Figuren schreibt Duda keine Wohlfühlliteratur - und das ist gut so, denn er nimmt so die Jugendlichen ernst.« Jury Buch des Monats, Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, April 2020 »Christian Duda entwirft Bilder und Szenen, die man nicht vergisst. Er erhebt nicht den Zeigefinger, er bauscht nichts auf, er bleibt bei dem, was er kennt ...« Sybil Gräfin Schönfeldt, Süddeutsche Zeitung, 22.5.2020 »Eine aufrüttelnde Geschichte aus Familiendokumenten zusammengetragen und montiert wie ein Mosaik.« 3sat Kulturzeit, 6.3.2020 »Drastisch. Gewalttätig. Grandios. [...]. ...wer der menschlichen Natur auf den Grund gehen will, wird in dieser archaischen Welt fündig, in der Frauen ohne Ehemann nichts gelten, in der Kinder, die nicht funktionieren, nichts gelten, in der Männer nur durch Härte etwas gelten.« Anita Westphal-Demmelhuber, Eselsohr, 3/2020 »Christian Duda erzählt in lakonischem und unaufgeregtem Ton von der Grausamkeit einer Gesellschaft, die nur diejenigen akzeptiert, die sich an die vorgeschriebenen Regeln dieser Gesellschaft halten und die nicht aus der Reihe tanzen: weder in ihrem Aussehen noch in ihrem Verhalten. Ein eindringlicher Titel von erschreckender Aktualität.« Simone Leinkauf, BuchMarkt, 3/2020 »[Christian Duda] schildert eindringlich und ungeschönt das archaische Leben in einem Dorf der Nachkriegszeit und die Intoleranz und Grausamkeit allem gegenüber, was anders ist.« Dominique Salcher, Münchner Merkur, 14.3.2020 »[Christian Duda] beschreibt in kurzen Kapiteln und dichter Sprache, wie sich Vorurteile und Klischees in einem Dorf verselbstständigen können. Und wie es sein muss als Außenseiter in einem solchen Dorf zu leben. Dabei fordert er den Leser auch mal heraus, belohnt ihn aber mit einer einfühlsamen Geschichte.« Nordbayerischer Kurier, 30.5.2020 »Aufrüttelnd und grandios erzählt, nimmt sich Christian Duda dem Thema Ausgrenzung an.« Elisabeth Nikbakhsh, ORF.at, 25.6.2020 »Dudas Roman »Milchgesicht« ist ein meisterliches Erinnerungsbuch. Wobei die Vergangenheit einem Nebel gleicht, der Autor bewegt sich darin tastend voran, Fakten mischen sich mit Fiktion. Seine Sätze sind knapp und karg, von ihnen geht nichts Heimeliges aus.« Christian Schröder, Der Tagesspiegel, 6.8.2020 »Sperrig, intensiv, bedrückend, zuweilen brutal und voller Wut erzählt 'Milchgesicht' in steirische-derbem Ton eindringlich, was 'damals normal' war. Ein Buch, das lange nachwirkt.« Andrea Duphorn, Buch & Maus, 26.6.2020 »Dudas Roman 'Milchgesicht' ist ein meisterliches Erinnerungsbuch.« Christian Schröder, Der Tagesspiegel, 6.8.2020 »'Milchgesicht' ist berührend, wichtig und tiefgründig.« Rita Dell'Agnese, Jugendbuch-Couch, 7/2020 »Sie ist ein harter Stoff, diese unbarmherzige, gewalttätige und archaische Welt der Nachkriegszeit. Christian Duda verzichtet bei seinem Blick zurück auf jeden Weichzeichner. Die einzelnen Szenen lässt er übergangslos aneinanderstoßen, sein Ton ist schroff, die Sprache karg und kantig. Spiegel einer engen Welt, in der es nur die Norm gibt und keinen Raum und keine Gnade für diejenigen, die ihr nicht entsprechen. Eine intensive Leseerfahrung (...).« Birgit-Sara Fabianek, Publik Forum, 9.10.2020…mehr