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Antje von Ungern-Sternberg befasst sich mit der Reichweite der individuellen Religionsausübungsfreiheit in Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie auf Ebene der EMRK. Sie steckt zunächst die geschichtliche Entwicklung in den einzelnen Rechtsordnungen und die völker- und gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ab. Anschließend untersucht sie, auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Ausmaß die vier zentralen Bestandteile von Religionsausübung (Gottesdienst und andere rituelle Handlungen, Glaubensweitergabe, religiöse Lebensführung im Alltag und Gewissensbefolgung) gewährleistet…mehr

Produktbeschreibung
Antje von Ungern-Sternberg befasst sich mit der Reichweite der individuellen Religionsausübungsfreiheit in Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie auf Ebene der EMRK. Sie steckt zunächst die geschichtliche Entwicklung in den einzelnen Rechtsordnungen und die völker- und gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ab. Anschließend untersucht sie, auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Ausmaß die vier zentralen Bestandteile von Religionsausübung (Gottesdienst und andere rituelle Handlungen, Glaubensweitergabe, religiöse Lebensführung im Alltag und Gewissensbefolgung) gewährleistet sind. In einem abschließenden Vergleich bündelt sie dann die Fragen nach den Rechtsgrundlagen, der inhaltlichen Reichweite und der dogmatischen Struktur der individuellen Religionsausübungsfreiheit. Die Autorin veranschaulicht, dass allen Rechtsordnungen ein von der EMRK vorgeschriebener Kernbestand an Gewährleistungen auf Grundlage der Religionsfreiheit gemeinsam ist. Sie arbeitet heraus, dass das deutsche Verfassungsrecht darüber hinaus die Religionsausübung in besonders weitreichender Weise garantiert, in Frankreich jedoch vor allem die sichtbare Religionsausübung im staatlichen Raum wegen der verfassungsrechtlichen Laizität erheblichen Beschränkungen unterliegt, während in Großbritannien religiöse Verhaltensweisen häufig als schützenswerten Ausdruck der ethnischen Herkunft verstanden werden. Die Autorin zeigt auf, dass der Einfluss der EMRK auf die mitgliedsstaatlichen Rechtsordnungen zu einer dogmatischen Vereinheitlichung des Schutzes der Religionsausübung, nicht aber zu einer Herabsetzung auf ein europäisches Minimum führt.
Autorenporträt
ist Direktorin des Instituts für Recht und Digitalisierung Trier an der Universität Trier.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2009

Ein jeder esse nach seiner Speisevorschrift
Antje von Ungern-Sternbergs europäisches Panorama der Religionsfreiheit

Angesichts der wachsenden Aufmerksamkeit für das Phänomen Religion gewinnt auch die Frage nach den rechtlichen Regelungen und Rahmenbedingungen für die Freiheit und das gesellschaftliche Vorhandensein von Religion zunehmend an Aktualität. Das gilt nicht zuletzt für das zusammenwachsende Europa. Wie weit lassen sich hier - ungeachtet unterschiedlicher Herkunftsgeschichten und Traditionen im Verhältnis von Staat und Religion - Gemeinsamkeiten feststellen, eine Art europäisches Religionsverfassungsrecht, wie weit dominieren die Unterschiede und Eigenheiten, und welche Wirkungen gehen davon aus?

Vor einigen Jahren haben die Regelungen des Staat-Kirche-Verhältnisses in Europa durch Stefan Mückl eine profunde Darstellung gefunden. Antje von Ungern-Sternberg nimmt nun die individuelle Religionsfreiheit zum Ausgangspunkt. Die Fragestellungen, die sie ihrer Darstellung zugrunde legt, sind zentral und präzise: In welcher Art und Form - als Grundrecht, nur durch Gesetz oder lediglich als Residualfreiheit gemäß dem common law wird die Religionsfreiheit verbürgt? Wie steht es um ihre Reichweite, wie weit umfasst sie die öffentliche Religionsausübung, eine individuelle Glaubens- und Gewissensfreiheit, die religiöse Lebensführung im Alltag? Mit welcher Intensität und unter welchen Einschränkungsvorbehalten wird sie gewährleistet - als unmittelbares Verfassungsrecht mit nur begrenzter Einschränkungsmöglichkeit, nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze, oder untersteht sie dem Vorbehalt jedweder Gesetze? Wie weit gilt die Religionsfreiheit auch in besonderen Pflicht- und öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen, wie weit wirkt sie innerhalb privatrechtlicher Vereinbarungen und in das Arbeitsrecht hinein?

Das ist ein anspruchsvolles Programm. Die Verfasserin beschränkt sich auch nicht darauf, im Wege eines Überblicks nur große Linien aufzuzeigen, sie steigt voll in die Materie ein und arbeitet die Details sorgfältig heraus. Ihr Augenmerk richtet sie bewusst auch auf die Rechtspraxis, vor allem die Spruchpraxis der Gerichte, die immer wieder die konkrete Anschauung vermittelt. So entsteht ein vollgültiges Panorama, ein Landschaftsbild der Religionsfreiheit. Es bezieht sich zwar nicht auf alle oder die meisten europäischen Staaten - das wäre angesichts der hier gebotenen Intensität in einer einzelnen Arbeit auch gar nicht zu leisten -, sondern begrenzt sich auf drei Hauptländer: Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Da indes notwendigerweise auch die europäische Menschenrechtskommission einbezogen wird, die in Europa staatenübergreifend in Geltung steht und mit der Türkei auch über Europa hinaus wirksam ist, ergibt sich doch zugleich ein auch europäisches Profil.

Was von der Autorin hier an rechtlichem Material erschlossen, verarbeitet und dem Leser nahegebracht wird, an Rechtsquellen ebenso wie an Literatur und vor allem der verzweigten Judikatur, sucht seinesgleichen. Wer gezielt Informationen sucht, wird umfassend, detailgenau und differenziert ins Bild gesetzt; verbleibende Probleme, auch Unklarheiten werden benannt und in eine begleitende Reflexion eingebunden. Zu der Einzeldarstellung, die freilich hinsichtlich der Rechtslage nach der EMRK ein Stück weit redundant ist - diese wird zunächst als solche und dann wieder bei den untersuchten Staaten, für die sie ebenfalls gilt, behandelt -, tritt ein eindrucksvoller rechtsvergleichender Teil. In ihm werden die jeweiligen Rechtsgrundlagen und die anerkannte Reichweite der Religionsausübung einander gegenübergestellt und der Umriss einer vergleichenden Systematik und Dogmatik der Religionsfreiheit entwickelt.

Es ist hier nicht der Raum, den Ertrag dieser stets von neuem interessanten, von stupender Kenntnis getragenen Untersuchung im Einzelnen zu referieren; es muss bei Schlaglichtern bleiben. Die Landschaft der Religionsfreiheit ist keine einheitliche; sie zeigt ein durchaus welliges Gelände, daneben weite Ebenen, aber auch einige signifikante Gipfel - und zwar über einen Grundbestand hinaus, der in der seit 1998 auch in Großbritannien ungeachtet der Parlamentssouveränität voll inkorporierten Europäischen Menschenrechtskonvention Gestalt gewinnt, sich freilich nur auf den Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit und des Religionsbekenntnisses erstreckt.

Bemerkenswert ist die Gelassenheit und Toleranz, mit der in Großbritannien die religiöse Lebensführung in relativ weitem Umfang rechtlichen Schutz genießt, hinsichtlich der Beobachtung von Kleidungs- und Speisevorschriften ebenso wie, wenn auch begrenzter, in der Einhaltung von Arbeitsruhegeboten am Freitag oder Sabbat und in privatrechtlichen und Arbeitsverhältnissen ebenso wie für öffentliche Bedienstete (einschließlich Lehrkräfte, Polizisten, sogar Militär). Kopftuchauseinandersetzungen mit generellen Verbotsregelungen wie in Frankreich und Deutschland, über die die Verfasserin eingehend berichtet, liegen hier weit weg. Es wirken sich Antidiskriminierungsvorschriften auch älteren Datums, die religiös-ethnischen Minderheitenschutz intendierten, und der Gedanke der civil liberties aus, in deren Bereich alles als erlaubt gilt, solange es nicht ausdrücklich und konkret durch Gesetz verboten ist, solche Gesetze aber nur zögerlich ergehen.

Aufschlussreich ist, wie mit dem überall bestehenden Problem möglicher und notwendiger Einschränkungen der Religionsfreiheit umgegangen wird. Man könnte meinen, hier würde sich die unterschiedliche Intensität der Gewährleistung der Religionsfreiheit besonders niederschlagen: verfassungsunmittelbar oder nur durch Gesetz sowie mit oder ohne Einschränkungsvorbehalt. Aber das ist nur sehr begrenzt der Fall. Auch wenn die Reichweite der Religionsfreiheit recht ausgedehnt ist, stets finden sich Rechtfertigungswege für Einschränkungen durch "neutrale" Gesetze, wegen dringender öffentlicher Interessen oder empfundener gesellschaftlicher Notwendigkeit; fehlt es an zugestandener gesetzlicher Entscheidungsmacht, wie in Deutschland, kommt es zum Rückgriff auf kollidierende Verfassungsgüter, die in hinreichendem Umfang auffindbar sind.

Weitere Annäherung bringt die zunehmende Aktualisierung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung. Sie bewirkt eine eher restriktive Handhabung gesetzlich vorgesehener Einschränkungen, führt zu mannigfachen Abwägungen im Hinblick auf konkrete Zumutbarkeit und über die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention auch zur Prüfung der Gesetze selbst auf die Verhältnismäßigkeit ihrer Eingriffe.

Schließlich fällt ins Auge, dass anerkannte individuelle Gewissensvorbehalte als Ausdruck der liberté de conscience mit der Folge partieller Entpflichtungs- und Weigerungsrechte sowohl in Großbritannien wie auch in Frankreich, dem Land der laïcité, verbreiteter sind als in Deutschland. Frankreich begrenzt zwar im Namen der laïcité die Religionsfreiheit auf den privat-individuellen Bereich, gewährleistet sie dort aber durchaus konsequent. So finden sich etliche, auch gesetzlich fundierte Freistellungen (ohne Rechtsnachteile) nicht allein für das Schächten, sondern auch im medizinischen Bereich, etwa für Verhütungssterilisationen und Abtreibungen, in Großbritannien auch für In-vitro-Fertilisation.

Insgesamt lässt sich in der Gewährleistung der Religionsfreiheit ungeachtet relevanter Unterschiede doch eine Tendenz erkennen, nämlich ihre fundamentale Bedeutung für das menschliche Individuum, den Bezug zur Menschenwürde je länger je mehr zum Ausgangspunkt zu nehmen. Treffend heißt es in einer Entscheidung des House of Lords von 2005: "Religious and other beliefs and convictions are part of the humanity of every individual. They are an integral part of his personality and individuality."

Antje von Ungern-Sternbergs Buch leistet einen überaus kundigen und reflektierten Beitrag, damit sich diese Auffassung weiter ausbreiten kann und in der Ausgestaltung und Handhabung der Religionsfreiheit fortschreitend Anerkennung findet.

ERNST-WOLFGANG BÖCKENFÖRDE.

Antje von Ungern-Sternberg: "Religionsfreiheit in Europa". Die Freiheit individueller Religionsausübung in Großbritannien, Frankreich und Deutschland - Ein Vergleich. Mohr-Siebeck Verlag, Tübingen 2008. 404 S., geb., 79,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Antje von Ungern-Sternbergs Buch "Religionsfreiheit in Europa" hat Ernst-Wolfgang Böckenförde rundum überzeugt. Er findet hier nicht nur einen Überblick über die Rechtsgrundlagen der Religionsfreiheit, sondern Darstellungen, die ins Detail gehen und die Rechtspraxis in den Blick nehmen. Die Länder Frankreich, Großbritannien und Deutschland sieht er im Zentrum der Untersuchung. Da aber die europäische Menschenrechtskommission einbezogen wird, ergibt sich für ihn insgesamt auch ein europäisches Profil. Dabei hebt er neben den Einzeldarstellungen auch den rechtsvergleichenden Teil hervor, der die jeweils anerkannten Reichweiten der Religionsausübung gegenübergestellt und eine vergleichende Systematik und Dogmatik der Religionsfreiheit entwickelt. Böckenförde zeigt sich beeindruckt von der Fülle an Rechtsquellen, Literatur und Judikatur, die die Autorin verarbeitet hat. Entstanden ist in seinen Augen ein Werk, das "umfassend, detailgenau und differenziert" über sein Thema informiert und ein eindrucksvolles Panorama der Religionsfreiheit in Europa entwirft.

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