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Der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 war das Gründungsdokument für die Berliner Republik, mit dem das vereinigte Deutschland seine volle Souveränität zurückerhielt. Die dort gefundenen Regelungen betrafen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Deutschlands und Europas. Der Band widmet sich daher zunächst vor dem Hintergrund des Abschieds vom Kalten Krieg den internationalen Voraussetzungen für die deutsche Einheit. Es geht zudem um den Umgang mit den 1989/90 wieder zutage getretenen Hypotheken der Vergangenheit, wie der Reparations- und Entschädigungsproblematik sowie der…mehr

Produktbeschreibung
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 war das Gründungsdokument für die Berliner Republik, mit dem das vereinigte Deutschland seine volle Souveränität zurückerhielt. Die dort gefundenen Regelungen betrafen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Deutschlands und Europas. Der Band widmet sich daher zunächst vor dem Hintergrund des Abschieds vom Kalten Krieg den internationalen Voraussetzungen für die deutsche Einheit. Es geht zudem um den Umgang mit den 1989/90 wieder zutage getretenen Hypotheken der Vergangenheit, wie der Reparations- und Entschädigungsproblematik sowie der deutsch-polnischen Grenzfrage. Angesichts der beendeten Ost-West-Konfrontation stellte sich überdies die Frage nach neuen Ordnungsentwürfen für Europa: Thematisiert werden die Rolle der KSZE als gesamteuropäischer Organisation, Abrüstung und Auflösung der Militärallianzen als Element zur dauerhaften Stärkung der internationalen Ordnung sowie die Renaissance der Nationalstaaten in Ostmitteleuropa und deren gleichzeitiges Streben in die Europäische Gemeinschaft. Ob das vereinigte Deutschland aus Sicht der ehemaligen vier Siegermächte der Spagat zwischen seiner neuen Führungsrolle und dem Verzicht auf Vormachtstreben gelang, wird abschließend erörtert.

Autorenporträt
Tim Geiger und Hermann Wentker, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin; Jürgen Lillteicher, AlliiertenMuseum, Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit Interesse liest Rezensent Christian Hillgruber diesen Sammelband, der die Ergebnisse einer internationalen Tagung zur deutschen Wiedervereinigung verbindet. Hillgruber kann hier nachlesen, wie Fehler, Irrtümer und Missverständnisse des Zwei-plus-Vier-Prozesses bis heute nachwirken. Als da wären: Die Reparationsleistungen, die Deutschland verhindert hat, indem der Zwei-plus-Vier-Vertrag explizit nicht als der bis dahin immer noch ausstehende Friedensvertrag geschlossen wurde. Die von Russland als Niederlage betrachtete Osterweiterung. Die Nato anstelle der KSZE. Die Illusion der mitteleuropäischen Staaten, bei der EU Wohlstand zu bekommen, ohne nationale Souveränität abgeben zu müssen. Aber über allen Enttäuschungen und Missstimmungen schwebt unheilvoll, wie Hillgruber resümiert, die ungeklärte Rolle Deutschlands in der Weltpolitik.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2022

Gegen die deutsche Nabelschau
Weltpolitische Voraussetzungen für die Wiedervereinigung Deutschlands

Auch dreißig Jahre nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit dominiert in der deutschen Öffentlichkeit eine national introvertierte Betrachtung dieses Großereignisses. Der anzuzeigende Sammelband, der aus einer internationalen Tagung hervorgegangen ist, richtet den Fokus auf die bisher vernachlässigte internationale Dimension des Einigungsprozesses und liefert differenzierte Erkenntnisse.

Ungeachtet des Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes konnte jedenfalls aufgrund der fortbestehenden Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Hauptsiegermächte die Wiedervereinigung nur mit deren Zustimmung ins Werk gesetzt werden.

Erst die internationale Entwicklung, die sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre vollzog, schuf die Rahmenbedingungen, die eine Wiedervereinigung Deutschlands zu westlichen Konditionen möglich machten. Spätestens seit dem Abschluss des Abrüstungsvertrags über die nuklearen Mittelstreckenraketen zwischen den USA und der Sowjetunion im Dezember 1987 bahnte sich ein grundlegender Wandel des internationalen Systems an, der nicht nur Europa erfasste, sondern sich auch in Entwicklungen in den anderen, bis dahin in gleicher Weise von der Blockkonfrontation geprägten Teilen der Welt niederschlug. Dafür waren ein Umdenken der politischen Führungen - in Moskau wie in Washington - sowie erste vertrauensbildende Maßnahmen ursächlich (Hélène Miard-Delacroix).

Der von Generalsekretär Michail Gorbatschow unter den Schlagworten Glasnost und Perestroika eingeleitete Reformprozess führte indes nicht nur zu einem neuen Denken in der sowjetischen Außenpolitik, sondern erfasste auch die inneren Verhältnisse in der Sowjetunion und innerhalb des Ostblocks. Er entfaltete hier schließlich eine von ihrem Urheber nicht mehr beherrschbare Dynamik, die zur Auflösung des Ostblocks, des Warschauer Pakts (Helmut Altrichter) und schließlich auch der Sowjetunion selbst führte.

Im Rahmen dieser Entwicklung entstand - für eine kurze Zeit - eine internationale Konstellation, in der mittels des Zwei-plus-vier-Prozesses die Vereinigung der beiden deutschen Staaten realisiert werden konnte. Die größte Unterstützung bei ihrer Wiedervereinigungspolitik erfuhr die Bundesrepublik dabei bekanntermaßen durch die USA. Doch gab es durchaus Spannungen zwischen den USA und der Bundesrepublik bei der Herstellung der Einheit, die vor allem die Frage der Osterweiterung der NATO betrafen (Mary Elise Sarotte). Differenzen bestanden insoweit zeitweise nicht nur zwischen den Regierungen, sondern auch innerhalb der amerikanischen Regierung (Präsident Bush/Außenminister Baker) und der Bundesregierung (Bundeskanzler Kohl/Außenminister Genscher). Die Jahre später erfolgte Osterweiterung der NATO hat im Übrigen wesentlich dazu beigetragen, dass in Russland die Wiedervereinigung teilweise als schwerwiegende politische und militärische Niederlage angesehen wird (Wolfgang Mueller).

Ein zentrales Thema der Vorgespräche zum Zwei-plus-vier-Vertrag war die Frage, ob dieser als Friedensvertrag im klassischen Sinne ausgestaltet werden sollte. Wegen drohender Reparationsforderungen in gigantischer Höhe wollte die Bundesregierung unter allen Umständen einen förmlichen Friedensvertrag vermeiden, der leicht zu einem "Super-Versailles" hätte werden können. Tatsächlich gelang es schließlich, mit dem Zwei-plus-vier-Vertrag eine abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland zu treffen, die kein Wort über Reparationen verlor.

Hat Deutschland auf diese Weise auch die Entstehung von Reparationslasten gegenüber anderen Staaten verhindern können, so entging es doch "nicht dem moralischen Druck und seiner Verantwortung für die Opfer des NS-Regimes" (Jürgen Lillteicher). Nach der Wiedervereinigung wurde es vor allem aus Osteuropa mit Entschädigungsforderungen für Zwangsarbeiter konfrontiert und sah sich zum Schutz deutscher Großunternehmen, auch vor Schadensersatzklagen in den USA, zu Globalabkommen und Ex-gratia-Zahlungen genötigt.

Wie hat sich die internationale Ordnung nach der Wiedervereinigung entwickelt? Die KSZE hat nach dem Wegfall des Ost-West-Gegensatzes, bei dem sie eine Brückenfunktion besaß, ungeachtet ihrer Internationalisierung keine zentrale Rolle einnehmen können; sie geriet vielmehr ins Abseits (Hermann Wentker). Sicherheit versprach die NATO, Wohlstand die EU. Die mittelosteuropäischen Staaten betrachteten die Anbindung an die EU - "unter Ausblendung der offensichtlichen supranationalen Elemente im europäischen Integrationsprozess" - nicht als Verzicht auf nationale Souveränität (Wanda Jarzabek). Das Missverständnis wirkt bis heute nach und bildet die tiefere Ursache für die Konflikte zwischen Polen, Ungarn und der EU.

Fehlvorstellungen, die zu Enttäuschungen, Verstimmungen und Animositäten führen, prägen bis heute auch das Bild, das sich Partnerländer vom wiedervereinigten Deutschland machen. Während die USA politische und militärische Führungsschwäche diagnostizieren (Konrad H. Jarausch), treibt andere (Po-len, aber auch England oder Frankreich) mitunter die wirkliche oder vermeintlich Sorge vor einem "Vierten Reich" um: Allzu große Europaseligkeit wird als besonders perfide Form deutschen Nationalismus wahrgenommen (Dominik Geppert). So bleibt die internationale Ordnung volatil, Deutschlands Rolle in ihr noch immer unbestimmt. CHRISTIAN HILLGRUBER

Tim Geiger, Jürgen Lillteicher, Hermann Wentker (Hrsg.): Zwei plus Vier. Die internationale Gründungsgeschichte der Berliner Republik.

De Gruyter Oldenbourg Verlag, Berlin 2021. 251 S., 24,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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