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Harry Martinson (1904-1978) schrieb, als Europa - auch Schweden - Ende der 1930er Jahre unmittelbar vor dem verheerenden Weltkrieg stand, mehrere Bände mit Reflexionen, Beschreibungen und Bildern der Natur. Ob Mohnkapseln, Baum-Weißlinge, Wasservögel, der Geruch der Erde oder der Winterfrost in den Fichtenwäldern - noch dem kleinsten Detail wird eine persönlich gefärbte Erkenntnis abgetrotzt. Doch er belässt es nicht bei der Beschwörung der schönen Natur: Im erfassenden Erschreiben begibt sich Martinson auf die Spur des Verhältnisses des Menschen zu seiner Umwelt; zu den Tieren, den Pflanzen…mehr

Produktbeschreibung
Harry Martinson (1904-1978) schrieb, als Europa - auch Schweden - Ende der 1930er Jahre unmittelbar vor dem verheerenden Weltkrieg stand, mehrere Bände mit Reflexionen, Beschreibungen und Bildern der Natur. Ob Mohnkapseln, Baum-Weißlinge, Wasservögel, der Geruch der Erde oder der Winterfrost in den Fichtenwäldern - noch dem kleinsten Detail wird eine persönlich gefärbte Erkenntnis abgetrotzt. Doch er belässt es nicht bei der Beschwörung der schönen Natur: Im erfassenden Erschreiben begibt sich Martinson auf die Spur des Verhältnisses des Menschen zu seiner Umwelt; zu den Tieren, den Pflanzen und der Landschaft - aber auch zum Blick auf die Natur, zu ihrem Gebrauch und nicht zuletzt zu ihrem bewahrenden Schutz.Die Natur in »Schwärmer und Schnaken« ist keineswegs nur Idylle, sie ist Spiegel sowohl für Martinsons Innenwelt als auch für das, was um ihn herum vor sich geht. Politisch, biologisch, gesellschaftlich: Mensch und Natur stehen in einer Beziehung zueinander. Unser Blick formt die Natur und bildet sie erst, die Natur wiederum schult unser Auge und zwingt es zur Genauigkeit. Klaus-Jürgen Liedtke hat eine Auswahl aus den Naturtexten zusammengestellt und in eine Sprache übertragen, die Harry Martinsons komplexe Betrachtungen und wortmächtige Ausmalungen auch im Deutschen zu einem reichen Lektüreerlebnis werden lässt. Die dichten Beschreibungen sind Glanzlichter der Sprachkunst, mit einer präzisen Formulierung das Wesen einer Erscheinung zu erfassen. »Hört mir zu, ich wispere aus dem Bach«, steht an einer Stelle. Martinson folgt dieser Aufforderung, er entziffert die Natur und lauscht ihr ihre Geheimnisse ab.
Autorenporträt
Harry Martinson (1904-1978), Sohn eines ehemaligen Kapitäns und bankrotten Ladeninhabers, wuchs in Jämshög in Blekinge auf und verlor seinen Vater im Alter von sechs Jahren. Während die Mutter nach Kalifornien auswanderte, wurden Martinson und seine Geschwister als »Verdingkinder« von Jahr zu Jahr reihum auf Bauernhöfe gegeben. 16-jährig heuerte Martinson als Matrose an, 1927 kehrte er lungenkrank nach Schweden zurück. Sein erster Gedichtband »Das Geisterschiff« erschien 1929. Im selben Jahr heiratete er Helga Maria Swartz, die 1933 als Moa Martinson ihr literarisches Debüt gab. Martinson hatte mit Gedichten, Romanen und Reisebeschreibungen vor allem Erfolg bei der jüngeren Generation. Er ließ sich bei Stockholm nieder, doch der Nomadentrieb blieb ihm erhalten - immer wieder ging er auf Wanderschaft. In den späten 1930er Jahren verfasste er drei eigensinnige Bände mit Texten über die Natur. 1974 erhielt er, gemeinsam mit Eyvind Johnson, als Mitglied der Schwedischen Akademie den Nobelpreis für Literatur. Trotz großer Beliebtheit beim Publikum waren etliche seiner Werke umstritten. Martinson, bekennender Buddhist, beging schließlich während eines Krankenhausaufenthalts Suizid mithilfe einer Schere.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Still und funkelnd" nennt Rezensent Christoph Schröder dieses Buch mit vierzig Texten aus den dreißiger bis siebziger Jahren des schwedischen Literaturnobelpreisträgers Harry Martinson. In den Naturessays des Schriftstellers, der sich 1978 das Leben nahm, verschmilzt der Kritiker geradezu mit der Natur: Ob ihm Martinson das "Echo des Ziegenmelkers", einen Sommersee, eine von der Natur zurückeroberte Zeche, eine Mohnkapsel oder einen Käfer beschreibt - überall findet Schröder wunderbare Beobachtungen, Überraschungen und "originelle" Bilder ohne Kitsch, aber mit eindringlicher Atmosphäre. Die Arbeit des Übersetzers und Herausgebers Klaus-Jürgen Liedtke ist nicht genug zu würdigen, schließt er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.05.2021

Gegen die moderne Welt
Die schwärmerischen Naturessays des schwedischen
Literaturnobelpreisträgers Harry Martinson gehören zu den besten ihrer Art
VON CHRISTOPH SCHRÖDER
Das Echo des Ziegenmelkers zieht sich durch dieses Buch. Im letzten Text hört das durch die Sommernacht streunende Ich ein schwaches Schnurren, das über den See tönt. Knapp 30 Jahre später schreibt Harry Martinson über dieses Panorama, Naturzerstörung und Motorboote, „die an breite Cabriolets erinnern, mit einem Autolenker“ machten es unmöglich, der Landschaft zu lauschen: „Der Ziegenmelker ist nur noch selten zu hören, da fast immer ein Motor läuft.“
Jener „Brief“, so der schlichte Titel des auf 1963 datierten Essays, der sich nicht an einen bestimmten Adressaten richtet, ist auch Ausdruck eines sich verdüsternden Bewusstseins. 1974 erhielt Harry Martinson gemeinsam mit Eyvind Johnson den Literatur-Nobelpreis. Eine umstrittene Auszeichnung, da Martinson zu diesem Zeitpunkt selbst Mitglied der Schwedischen Akademie war. Er sei ein Autor, so die offizielle Begründung, der in seinem Werk „den Tautropfen einfängt und das Weltall spiegelt.“ So aus der Zeit gefallen in ihrem Pathos die Begründung auch anmuten mag, so einleuchtend erscheint sie angesichts der rund 40 Texte in diesem stillen, funkelnden Buch. Herausgeber und Übersetzer Klaus-Jürgen Liedtke hat für die Ausgabe im Guggolz Verlag die überwiegend kurzen, aber sprachlich verdichteten Betrachtungen aus drei im Original zwischen 1937 und 1939 erschienenen Büchern ausgewählt und durch einige spätere Essays Martinsons ergänzt.
Harry Martinson lebte zu dieser Zeit, in der Europa sich für den Ausbruch eines weiteren Krieges rüstete, gemeinsam mit seiner Ehefrau in einer Hütte südlich von Stockholm, inmitten von Wald, Seen und Stechmücken. Kein Einzelfall, wie Herausgeber Liedtke in seinem Nachwort betont: Das pessimistische Grundgefühl, sich in einer Zwischenkriegszeit zu befinden, habe mehrere Schriftsteller aus Martinsons Generation in eine geradezu kindliche Begeisterung für die Natur hineingetrieben.
Martinsons Leben allerdings war bis dahin alles andere als behütet: Der Vater starb 1910, als Martinson sechs Jahre alt war; die Mutter wanderte in die USA aus und gründete eine neue Familie, nachdem sie ihre Kinder in Schweden auf Bauernhöfen untergebracht hatte. Mit 16 fuhr Martinson zur See, kam mit einer Lungenerkrankung zurück und ließ sich schließlich nach weiteren Wanderjahren auf dem Land nieder. Seine Naturbetrachtungen sind beseelt von der Vorstellung des schreibenden Ichs, in der Umgebung aufzugehen, also keine Deutungshoheit und auch keine Herrschaft über den Betrachtungsgegenstand zu gewinnen, sondern Natur als eigenen Text zu entziffern. Wer so schreiben will, muss genau wissen, worüber er schreibt. In dem Essay „Über Naturschilderung“ benennt Martinson drei Grundlagen des gelingenden Nature Writing, wie er es definiert: Grundlagenwissen, Präzision und eigenes Erleben verbinden sich im Idealfall zu einer Perspektive auf die Welt, die sie neu erscheinen lässt, obgleich jeder den Zugang zu den Objekten haben könnte. Die Literatur, die einer solchen Poetik entspringt, ist in ihrem Vokabelreichtum, den die Übersetzung ganz offensichtlich ins Deutsche hineintragen konnte, und in ihrer zeitlosen Schönheit beglückend.
Ganz gleich, ob Martinson einen See im Sommer mitsamt seiner schwirrenden Fauna und Flora beschreibt oder eine alte Zeche, die von der Pflanzenwelt nach und nach zurückerobert wird; ob er eine Staude in den Blick nimmt, eine Mohnkapsel oder einen Käfer: Man kann dieses Buch an jeder beliebigen Stelle aufschlagen und wird stets auf überraschende Beobachtungen, originelle Bilder und Betrachtungen stoßen, die frei sind von Manierismen und doch aufgeladen mit einnehmender Atmosphäre: „Eisginster. Feuergoldenes, zitronensaures Blendwerk, während die Kälte in den Wäldern knarrt und die Luft wie eiskalte, wochenalte Wintermagermilch erscheint, ungenießbar wie der Schnee, nährstoffarm wie der Winter und mit einem todesstummen hohen Ton erklingend wie ein Vibrato von Eisnadeln.“ Den Übergang in die Nachkriegswelt, in „die Bedrohung durch Wasserstoffbomben und andere Totalformen einer gigantischen Erpressung“, in der ihm der Blick verstellt und das Sensorium für die Feinheiten überdröhnt war, hat Martinson nicht verkraftet: 1978 erstach er sich selbst während eines Krankenhausaufenthaltes mit einer Schere.
Harry Martinson:
Schwärmer und Schnaken. Naturessays. Aus dem Schwedischen von
Klaus-Jürgen Liedtke.
Guggolz Verlag,
Berlin 2021.
220 Seiten, 22 Euro.
Zeitlose Schönheit: Viele Jahre lebte Harry Martinson in einer Hütte südlich von Stockholm.
Foto: imago images / Westend61
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