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Hans Mommsen schildert die einzelnen Bausteine und Etappen, die zur Kulmination der nationalsozialistischen Verbrechen geführt haben.Hans Mommsen, einer der bedeutendsten Zeithistoriker der Bundesrepublik, liefert eine kompakte Gesamtinterpretation der komplexen Geschehnisse, die zur Entfesselung des Holocaust geführt haben. Dafür skizziert er zunächst die Judenfeindschaft in der Weimarer Republik sowie die Rolle des Antisemitismus beim Aufstieg der NSDAP. Er schildert, wie das NS-Regime die Verfolgung der Juden radikalisierte, bis hin zu ihrer vollständigen Entrechtung. Und er fragt, warum…mehr

Produktbeschreibung
Hans Mommsen schildert die einzelnen Bausteine und Etappen, die zur Kulmination der nationalsozialistischen Verbrechen geführt haben.Hans Mommsen, einer der bedeutendsten Zeithistoriker der Bundesrepublik, liefert eine kompakte Gesamtinterpretation der komplexen Geschehnisse, die zur Entfesselung des Holocaust geführt haben. Dafür skizziert er zunächst die Judenfeindschaft in der Weimarer Republik sowie die Rolle des Antisemitismus beim Aufstieg der NSDAP. Er schildert, wie das NS-Regime die Verfolgung der Juden radikalisierte, bis hin zu ihrer vollständigen Entrechtung. Und er fragt, warum und unter welchen Bedingungen die einzelnen Stufen von der Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Gesellschaft bis hin zu ihrer Vernichtung vollzogen wurden.Für diese Ausgabe hat Hans Mommsen den Band »Auschwitz, 17. Juli 1942« (2002) erweitert und auf den neuesten Forschungsstand gebracht. So wird ein Grundlagenwerk zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wieder zugänglich.
Autorenporträt
Hans Mommsen, geb. 1930, war emeritierter Professor an der Universität Bochum. Er war Fellow im Institute for Advanced Studies in Princeton, am Wissenschaftskolleg zu Berlin, im St. Antony`s College in Oxford und am U.S. Holocaust Memorial Museum und nahm zahlreiche ausländische Gastprofessuren wahr. Für sein Lebenswerk erhielt er 2013 den Victor-Adler-Staatspreis der Republik Österreich, für sein publizistisches Gesamtwerk wurde er 1998 mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis und 2010 mit dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch ausgezeichnet. Er verstarb am 05.11.2015. Veröffentlichungen u.a.: Zur Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert: Demokratie, Diktatur, Widerstand (2010); Alternative zu Hitler. Studien zur Geschichte des deutschen Widerstandes (2000); Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918 bis 1933 (1989)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2014

Vom Erfolg beharrlicher Aufklärung
Hans Mommsen stellte in Berlin seine letzte Studie zum Judenmord vor

Kein Stuhl blieb frei im großen Saal der Berliner Gedenkstätte "Topographie des Terrors", die zum Gespräch mit Hans Mommsen über sein Lebenswerk und sein neues Buch geladen hatte. Geschrieben hat es der 84 Jahre alte Gelehrte in einem von schwerer Krankheit dominierten Jahr. Er wirkt gebrechlich, als er mühsam die Stufen zum Podium hochsteigt, haut dann seinen Gehstock zwischen Manuskript und Mikrofon auf den Tisch und lässt seinen Gesprächspartner Götz Aly ausrichten, dass sein Zustand derzeit "nicht besonders sportlich" sei. Der streitbare Hans Mommsen, der ganze Historikergenerationen mit seiner Forschung, aber auch als begnadeter Lehrer beeinflusst hat, wirkt an diesem Abend eher milde, dabei hellwach und unendlich geduldig, wenn er später noch die verquerste Frage aus dem Publikum beantwortet. Zufrieden darf er feststellen, dass seine komplexe Erklärung des Judenmordes, die sich einfachen, entlastenden Festlegungen immer verweigert hat, Früchte trägt. Was er seit den siebziger Jahren beharrlich vertritt, gegen alle Widerstände, gehört inzwischen zum Allgemeinwissen.

Noch einmal hat der große Historiker seine Studien zum Judenmord unter dem NS-Regime zusammengefasst, die einzelnen Bausteine der Ausgrenzung und Ausschaltung der deutschen Juden bis zu ihrer völligen Enteignung beschrieben; mitten in einer bis dahin kultivierten, zivilisierten Gesellschaft, die sich im "Halbdunkel" der unscharfen Begriffe einrichtete und diese völlige Entrechtung ohne nennenswerten Widerstand hinnahm. Vorstufen des Holocaust, die Deportationen und das Morden ermöglichten.

Warum konnte das geschehen und unter welchen Bedingungen - diese Frage steht noch einmal im Vordergrund von Mommsens letztem Werk "Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa" (Wallstein Verlag). Es analysiert in knappen Kapiteln die "kumulative Radikalisierung" der Mitläufer, des emotionsfrei und effizient arbeitenden riesigen Beamtenapparates, der Militärs und Politiker und die Rolle Adolf Hitlers, die, daran hält Mommsen fest, für die Ausführung dieses beispiellosen Massenmordes nicht entscheidend gewesen sei. Mommsens Gesamtinterpretation des komplexen Geschehens lässt keine letztgültige Antwort auf seine Ausgangsfrage zu. Doch erklärt sie, wie es zum Holocaust kommen konnte, dessen grauenvolle Einzelheiten der Propagandaapparat hinter "auffälligen Tarnbegriffen" wie "Sonderbehandlung" oder "Durchschleusung" habe verharmlosen müssen. Für Hunderttausende beteiligte Vollstrecker genauso wie für die eigene Bevölkerung, die zwar bald vom eigenen Kriegsleid absorbiert war, doch dies für die "Nichtwahrnehmung" des Verschwindens der Nachbarn brauchte. Wenig mehr als zweihundert Seiten hat Hans Mommsen benötigt, um seine beeindruckende Lebensleistung zusammenzufassen, die in Jahrzehnten entstanden ist.

Götz Aly erinnerte noch einmal an den Anfang, als sich Hans Mommsen fast allein, zumindest in Deutschland, aufmachte, den Judenmord in den Fokus der Zeitgeschichtsforschung zu rücken. Aly zitierte eine Besprechung mit dem Fischer Verlag aus dem Jahr 1962, als die Großen des Fachs im Institut für Zeitgeschichte ein komplexes Werk zur jüngeren deutschen Geschichte - von der Zwischenkriegszeit über den Krieg bis zur Nachkriegszeit - planten. Zehn konkrete Kapitel waren damals mit Autoren festgelegt. Den Judenmord sollte kein einziges behandeln.

Rh

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.06.2014

Wie konnte es zum
Holocaust kommen?
Hans Mommsens Resümee
Das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) war völlig überfüllt. Die Versorgung der dort lebenden Juden erschien der deutschen Lagerleitung unmöglich: „Es besteht in diesem Winter die Gefahr, dass die Juden nicht mehr sämtlich ernährt werden können“, schrieb der Leiter des SD-Abschnitts Posen, SS-Sturmbannführer Heinz Höppner im Juli 1941. Allen Ernstes stellte er die Überlegung an, „ob es nicht die humanste Lösung ist, die Juden, soweit sie nicht arbeitsfähig sind, durch irgendein schnell wirkendes Mittel zu erledigen. Auf jeden Fall wäre dies angenehmer, als sie verhungern zu lassen“. Der Mord an den Juden wurde mit einem pseudohumanen Deckmantel versehen.
  In seinem jüngsten Buch beschreibt der Historiker Hans Mommsen die Geschichte des Holocaust, die in der breiten Öffentlichkeit oft auf die Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau reduziert wird. Doch bereits im Sommer 1941 war die Vernichtung der europäischen Juden in den besetzten sowjetischen Gebieten in vollem Gange. Einsatzgruppen der SS zogen – teilweise unterstützt von Wehrmachtseinheiten – eine Blutspur durch das Land. Anfangs wurden vor allem jüdische Honoratioren und Rabbiner erschossen, doch schon im September 1941 stand auch die Ermordung von jüdischen Frauen und Kindern auf der Tagesordnung. Von den ursprünglich etwa 2,5 Millionen Juden in den besetzten sowjetischen Gebieten überlebten nur etwa hunderttausend Menschen.
  Wie erklärt Mommsen diesen kumulativen Radikalisierungsprozess? Die Angehörigen der Einsatzgruppen gewöhnten sich nach und nach an eine immer rücksichtslosere Gewaltausübung. Hinzu kam, dass es keinerlei strafrechtliche Konsequenzen gegen unmenschliches Verhalten gab. Gruppendynamik und Männlichkeitswahn taten ein Übriges.
  Grausame Methoden wurden ersonnen, um möglichst viele Menschen möglichst effektiv zu ermorden. Dem gewöhnlichen Schreibtischtäter fiel es leichter, den Mord anzuordnen, als ihm beizuwohnen. Heinrich Himmler etwa reagierte im August 1941 höchst nervös, als er in Minsk einer Massenexekution beiwohnte. In der Folge sollte er darauf bedacht sein, andere Tötungstechniken zu ersinnen, um die „psychologischen Folgen“ für die Angehörigen der Erschießungskommandos zu mildern. Die Ermordung durch Gas schien eine Lösung zu bieten. Reichlich Alkohol, Prämien und Sonderurlaube sollten die Motivation zum Töten erhalten. Gezielt wurden lettische und ukrainische Milizen eingesetzt, um deutsche SS-Angehörige zu „schonen“.
  Der Antisemitismus war, so Mommsen, nur einer von vielen Faktoren, die zur Erklärung des Zivilisationsbruchs herangezogen werden können. Wichtig dabei war auch das Karrierestreben der Führer der Einsatzgruppen. Deren weiteres berufliches Fortkommen hing von ihrer „Bewährung“ ab. Die Mordkommandos konkurrierten dabei geradezu darum, in ihren Tätigkeitsberichten möglichst hohe Tötungszahlen angeben zu können.
  Neben diese Form der Selbstradikalisierung der Einsatzgruppen trat die Anstachelung zur systematischen Liquidierung der Juden durch die NS-Führung. So erteilte Himmler etwa im Juli 1941 dem 2. SS-Kavallerie-Regiment den Auftrag, sämtliche Juden der näheren Umgebung zu ermorden und die jüdischen Frauen in die Pripjetsümpfe zu treiben. Hitler erklärte zur gleichen Zeit, man solle in der Sowjetunion „jeden erschießen, der nur schief schaue“. Insgesamt muss also von einer unheilvollen Interaktion zwischen der Selbstermächtigung lokaler Akteure und dem radikalisierenden Wirken der Führung in Berlin ausgegangen werden.
  Mommsens Buch unterscheidet sich wohltuend von anderen Darstellungen, die das Menschheitsverbrechen an den europäischen Juden mit einfachen Erklärungen fassen möchten. Auch Historiker sind zuweilen anfällig für simple Deutungen. Doch es genügt nicht, den Deutschen Antisemitismus und Fanatismus nachzuweisen, um so den Holocaust zu begreifen. Damit wird zu wenig erklärt. Zudem ist dies für uns heute ein bequemer Weg, um die eigenen dunklen Seiten, die eigene Verführbarkeit, die eigene Feigheit zu verdrängen: Wenn nur schreckliche Antisemiten fürchterliche Verbrechen begehen, dann muss ich mir keine besonderen Gedanken machen. Denn Antisemit bin ich ja schließlich nicht! Und bestimmte Dinge wird man wohl mal sagen dürfen!
  Doch halt, das Erschütternde am Holocaust war gerade die Tatsache, dass dieser von einer Kulturnation ins Werk gesetzt wurde. Es war eine hochkomplexe Bürokratie, es waren vielfach durchaus gebildete Menschen, die zu Massenmördern wurden. Und die Bevölkerung in Deutschland stand nicht einfach tatenlos im Abseits, sondern bereicherte sich manchmal sogar aktiv – etwa am Eigentum von deportierten Juden, das versteigert wurde.
  Mommsen bietet insgesamt eine gut lesbare Darstellung des Holocaust, die auf seinen Forschungen der vergangenen Jahrzehnte aufbaut und auch die Kontinuitätslinien des deutschen Antisemitismus seit dem Kaiserreich einbezieht. Dabei fällt weniger ins Gewicht, dass die jüngere Literatur kaum Aufnahme gefunden hat. Mit seinem Buch rundet er sein Gesamtwerk ab, in dem er die Fixierung der historischen Forschung auf die Person Hitler bemängelte (Schule des Funktionalismus). Auch kritisierte er vielfach den Unwillen der Deutschen, sich ihrer Mittäterschaft während des Nationalsozialismus zu stellen. Zugleich aber, und damit stellt er einen heute leider rar gewordenen Typus des Historikers dar, verwies er immer wieder auf die Komplexität der NS-Diktatur und beschäftigte sich sowohl mit den deutschen Verbrechen als auch mit dem Widerstand gegen Hitler. Dieser doppelte Zugang ist weiterhin geboten, vor einfachen Erklärungsmustern sei gewarnt!
MICHAEL MAYER
Hans Mommsen: Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa. Wallstein, 2014. 234 Seiten, 19, 90 Euro.
Michael Mayer leitet den Arbeitsbereich Zeitgeschichte an der Politischen Akademie Tutzing. In seinem Buch „Staaten als Täter“ (2012) verglich er die „Judenpolitik“ in NS-Deutschland und Vichy-Frankreich.
Zur Erklärung der Schoah
genügt es nicht, den Deutschen
Antisemitismus nachzuweisen
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Der Bochumer Historiker Hans Mommsen liefert mit seinem Buch "Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa" einen knappen Überblick über die Entwicklung des Holocausts, berichtet Alexandra Senfft, angefangen mit der Rolle des Antisemitismus in der nationalsozialistischen Bewegung, die Radikalisierung durch eine einflussreiche Minderheit in der Partei, die Ausbreitung und Normalisierung des Terrorismus gegenüber den Juden, zählt die Rezensentin auf. Letztendlich kann Mommsen die Ereignisse allerdings auch nur auf einen "grotesken Realitätsverlust" zurückführen, abschließend erklären lasse sich die Unmenschlichkeit nicht, so der Autor, verrät Senfft. Dennoch: in ihrer Prägnanz ist diese Zusammenfassung bisher wahrscheinlich einzigartig, vermutet die Rezensentin.

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»eine gut lesbare Darstellung des Holocaust« (Michael Mayer, Süddeutsche Zeitung, 17.06.2014) »Mit seinem Buch rundet er sein Gesamtwerk ab, in dem er die Fixierung der historischen Forschung auf die Person Hitler bemängelt.« (Michael Mayer, Süddeutsche Zeitung, 17.06.2014)