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Der neue Roman von der Autorin des vielfach bewunderten Debüts 'Kukolka' »Lana Lux erzählt vom Schmerz der Kinder, vom Schmerz der Mütter, vom Schmerz, die Heimat zu verlieren - so leicht, so tief, so aufregend, dass es einen glücklich macht. Ihre Literatur ist das, was Deutschland jetzt so dringend braucht.« Anna Prizkau Alisa ist zwei Jahre alt, als sie mit ihren Eltern die Ukraine verlässt, um nach Deutschland zu ziehen. Aber das Glück lässt auch im neuen Land auf sich warten: Alisas schöne Mutter ist weiter unzufrieden, möchte mehr, als der viel ältere Vater ihr bieten kann. Die Tochter,…mehr

Produktbeschreibung
Der neue Roman von der Autorin des vielfach bewunderten Debüts 'Kukolka' »Lana Lux erzählt vom Schmerz der Kinder, vom Schmerz der Mütter, vom Schmerz, die Heimat zu verlieren - so leicht, so tief, so aufregend, dass es einen glücklich macht. Ihre Literatur ist das, was Deutschland jetzt so dringend braucht.« Anna Prizkau Alisa ist zwei Jahre alt, als sie mit ihren Eltern die Ukraine verlässt, um nach Deutschland zu ziehen. Aber das Glück lässt auch im neuen Land auf sich warten: Alisas schöne Mutter ist weiter unzufrieden, möchte mehr, als der viel ältere Vater ihr bieten kann. Die Tochter, die sich so sehr um ihre Liebe bemüht, bleibt ihr fremd. 15 Jahre später ist Alisa eine einsame junge Frau, die mit Bulimie und Binge-Eating kämpft. Mia, wie sie ihre Krankheit nennt, ist immer bei ihr und dominiert sie zunehmend ... Lana Lux erzählt hellwach und mit großer Intensität von Mutter und Tochter, die - so unterschiedlich sie sind - gefangen sind im Alptraum einer gemeinsamen Geschichte.
Autorenporträt
Lana Lux, geboren 1986 in Dnipropetrowsk/Ukraine, wanderte im Alter von zehn Jahren mit ihren Eltern als Kontingentflüchtling nach Deutschland aus. Sie machte Abitur und studierte zunächst Ernährungswissenschaften in Mönchengladbach. Später absolvierte sie eine Schauspielausbildung am Michael Tschechow Studio in Berlin. Seit 2010 lebt und arbeitet sie als Schauspielerin und Autorin in Berlin. 2017 erschien ihr vielbeachtetes Debüt "Kukolka", das in mehrere Sprachen übersetzt wurde.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2020

In der Ukraine war alles schön eindeutig
Lana Lux erzählt in ihrem Roman "Jägerin und Sammlerin" eine belastete Familiengeschichte

Wer nicht wusste, dass der notorisch inkonsequente Bulimiker neidisch ist auf die Willenskraft des Anorektikers, der erfährt es in diesem zweiten Buch der 1986 in der Ukraine geborenen Lana Lux. Vorgestellt werden zwei Freundinnen, die miteinander aufgewachsen sind. Beide sind in den neunziger Jahren mit ihren Familien aus der Ukraine nach Berlin emigriert. Beide sind damit auf unterschiedliche Weise den Problemen von Migration ausgesetzt. Und beide entwickeln eine Essstörung.

"Jägerin und Sammlerin" erzählt die Familiengeschichten von Mascha und Alisa vor der Folie ihrer Symptome. Am Krankenbett ihrer unterernährten Freundin kommt weniger Mitleid als Bewunderung auf: "Alisa fand, dass ihr die Magensonde irgendwie stand. Sie hätte es nie zugegeben, aber in Wahrheit wünschte sie sich, selbst dort zu liegen, ganz zart, nur pure, reine Knochen." Hungern und kotzen als Ausdruck einer glücklosen Familienchronik, von der Lana Lux Stück für Stück preisgibt.

Bereits vor zwei Jahren beeindruckte die Debütantin mit ihrem Heimkind-Roman "Kukolka". Der war in der postsowjetischen Ukraine angesiedelt und Deutschland darin ein Ort, in dem Milch und Honig fließen. In Wahrheit floss aber nur das Geld - und zwar vom Freier zum Zuhälter. Die junge Heldin schaffte den Absprung. Ein Neuanfang mit eigener Wohnung, Ausbildung und selbstbestimmter Zukunft schien möglich. So endete dieser schwerverdauliche Roman mit einem Lichtblick.

"Jägerin und Sammlerin" greift das Thema des Neuanfangs noch einmal auf und erzählt eine andere ukrainisch-deutsche Geschichte. Mascha und Alisa haben mehr Glück als ihre Generationsgenossin aus "Kukolka". Sie kommen als Kinder nach Berlin, lernen schnell die deutsche Sprache und integrieren sich. Sie erleben aber auch, wie ihre Eltern um Anerkennung in dieser neuen Welt ringen. Den Druck der Übererfüllung geben sie ungebrochen an ihre Kinder weiter. Dass Alisa weder die Disziplin noch den Ehrgeiz ihrer bildhübschen Mutter an den Tag legt, scheint in der Natur der Sache zu liegen. Anstatt wie Mascha ein Ballettsternchen zu werden, fristet sie ein Dasein als plumpes Nilpferd. Eines Tages schafft Mascha die Aufnahmeprüfung an der Ballettschule in Dresden und beginnt zu hungern. Alisa bleibt in Berlin zurück und baut ihre Bulimie zum Exerzierfeld ihres Selbsthasses aus. Wie es dazu kam, davon handelt der letzte Teil dieses Romans.

Im letzten Drittel kommt nämlich Tanya, Alisas perfekt gestylte Mutter, zu Wort. Die Tochter ist ihr nach einer Psychotherapie abhandengekommen. Der fast doppelt so alte Ehemann hat die Familie schon lange zurück in Richtung Ukraine verlassen. Und auch der neue Freund ist inzwischen der alte Freund. Bei lauwarmem Weißwein lässt sich die strenge Tanya nun zu einer Art writing cure verleiten. Das Ergebnis dieser Selbstauskunft bekommt der Leser taufrisch vorgesetzt. Es ist die Geschichte einer jungen Frau aus schwierigen Verhältnissen, die vom Topos der Selbstermächtigung getrieben ist und so die eigene Tochter unter Druck setzt. Sie ist die Jägerin, während das Kind unnütze Gegenstände sammelt. Und eben Essen.

Es ist eine Binse, dass unaufgearbeitete Traumatisierungen an die nächste Generation weitergegeben werden. So ist es auch hier. Wir lesen von Tanya, die vaterlos aufwächst. Sie ist das Kind einer Autistin und damit in der Ukraine eine Außenseiterin. Als sie den Absprung in die Universitätsstadt Lviv schafft, verliebt sie sich in den Vater ihrer besten Freundin. Die beiden brennen miteinander durch und zeugen ein Kind. Die Ausreise nach Deutschland dient auch der Legalisierung einer moralisch angezählten Liebe. Doch bald wird der Zauber des Neuanfangs von den Enttäuschungen des Alltagslebens überschattet. Keine guten Voraussetzungen für ein Kind, das den ungelebten Muttertraum verwirklichen soll, Ärztin zu werden.

Es ist qualvoll, von dieser Mutter-Tochter-Beziehung zu lesen, aus der sich Alisa erst in einer Klinik um den Preis des Kontaktabbruchs befreit. Sofern man bei solchen Familiendämonen von einer Befreiung sprechen kann. Jedenfalls ist ihr Künstlername als queere Comiczeichnerin fortan Eva.

Es geht nicht nur um Bulimie und Therapie in diesem Roman, sondern auch um Frauenbilder und wie sie tradiert werden. Tanya definiert ihren Wert über männliche Anerkennung. In ihren Selbstbetrachtungen muss sie sich eingestehen, dass ihr eigenes Begehren immer vom fremden Blick auf sich selbst geleitet war. Und das hat geschlechtersoziologisch Methode. In der Ukraine, schreibt Tanya, war alles eindeutig: Wenn zwei Menschen miteinander ausgingen, waren sie anschließend ein Paar. "Wollten sie dann auch noch miteinander schlafen, war es das Zeichen, dass sie zum Heiraten bereit waren. Schliefen sie einfach so miteinander und trennten sich danach, ohne vorher geheiratet zu haben, so war die Frau, je nach familiärem Hintergrund, entweder dazu verführt, ja beinahe genötigt worden und ein bemitleidenswertes Opfer, oder sie war ein Flittchen."

Lana Lux baut die psychische Hardware dieser Frau mit großer Klugheit auseinander. Sie gewährt Einblicke in die Probleme von Migrantenfamilien. Und ihre Erzählung entwickelt den Sog therapeutischer Rede. Gleichzeitig wird aber auch alles ausbuchstabiert. Das therapeutische Narrativ gibt dem Buch etwas Gefälliges. Themen wie die jüdische Identität, die Erfahrungen in der Altenpflege oder das Berlin der neunziger Jahre müssen sich dem Psychodrama, das erzählt werden will, unterordnen. Das ist was für die Jäger unter den Lesern, nicht unbedingt für die Sammler.

KATHARINA TEUTSCH

Lana Lux: "Jägerin und Sammlerin". Roman.

Aufbau Verlag, Berlin 2020. 304 S., geb., 20,- [Euro].

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»Lux findet sprechende Bilder für die Unfähigkeit Alisas, zwischen sich und der Welt Grenzen zu ziehen.« Marlen Hobrack taz. Die Tageszeitung 20200818