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Was unterscheidet den arabischen Porno von seinem westlichen Pendant? Die Motive? Die Einstellungen, Perspektiven? Die Techniken? Mit Begeisterung untersucht der ägyptische Schriftsteller und Journalist Youssef Rakha in diesem aufregenden englischsprachigen Essay, den er auf Arabisch so nicht hätte schreiben dürfen, das ebenso verfemte wie verbreitete Genre der östlichen und der westlichen Popkultur. Beschreibung wechselt sich ab mit Analyse, Kultur und Politik verschmelzen in den Bildern der Lust. Der Porno ist Spiegel der Gesellschaft, seine Bildsprache ist so formalisiert wie kulturell…mehr

Produktbeschreibung
Was unterscheidet den arabischen Porno von seinem westlichen Pendant? Die Motive? Die Einstellungen, Perspektiven? Die Techniken? Mit Begeisterung untersucht der ägyptische Schriftsteller und Journalist Youssef Rakha in diesem aufregenden englischsprachigen Essay, den er auf Arabisch so nicht hätte schreiben dürfen, das ebenso verfemte wie verbreitete Genre der östlichen und der westlichen Popkultur. Beschreibung wechselt sich ab mit Analyse, Kultur und Politik verschmelzen in den Bildern der Lust. Der Porno ist Spiegel der Gesellschaft, seine Bildsprache ist so formalisiert wie kulturell bedingt, gleichzeitig wirkt er zurück in die Gesellschaft. Gelingt am Ende dem arabischen Porno, was der arabischen Rebellion misslang?
Autorenporträt
Rakha, YoussefYoussef Rakha, 1976 in Kairo geboren, verfasst Prosatexte, Lyrik und Sachbücher. 1998 Abschluss des Studiums an der Hull University in England. Seit 1990 betätigt er sich von Kairo aus vorwiegend im englischsprachigen Journalismus. Seine Texte wurden unter anderem in The Atlantic, Lettre International und The Writer Review veröffentlicht sowie zahlreiche Artikel und Übersetzungen in der arabischen Presse. Er ist zudem senior writer bei der Zeitung Al-Ahram Weekly.

Adam, MilenaMilena Adam, 1991 in Hamburg geboren, ist Lektorin und übersetzt und dolmetscht aus dem Französischen und Englischen. Sie lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2018

Zurschaustellung der Kampfbereitschaft
Youssef Rakha über die Rolle der Pornografie im Arabischen Frühling
Warum sie das tut, ist nicht ganz klar. Wie sie daliegt, sich berührt, sich öffnet und sich zeigt – das sagt noch nichts über ihre Motive. Vielleicht gefällt sie sich so. Vielleicht wird sie aber auch genötigt, zumindest gedrängt, sich in ihren autostimulierenden Bewegungen vor der Kamera zu zeigen. Dass sie es tut, ist jedenfalls etwas Neues. Dergleichen kannte man in Ägypten, wie generell in der arabischen Welt, bislang eher wenig. Dass arabische Frauen sich in pornografischen Filmen zeigen, ist ein Phänomen, dessen Anfang in den Beginn des neuen Jahrtausends fällt.
Es ist die Zeit, in der sich in Ägypten die digitalen Medien verbreiten: zunächst das Internet, dann, mit einigen Jahren Abstand, die sozialen Medien. Es ist die Zeit, in der Schrift, Bild und Ton sich der Kontrolle des Regimes entziehen. Ideen und Empfindungen finden dank Youtube, Twitter und Facebook eine eigene, von den Diktaturen des arabischen Raums endlich unabhängige Bühne. Und es ist auch die Zeit der ersten im Netz zirkulierenden spezifisch arabischen pornografischen Videos. Spezifisch arabisch? Ja – zumindest insofern, als es sich sämtlich um nicht-professionelle Produktionen handelt (professionelle, etwa in den USA arbeitende arabische Darsteller nimmt Youssef Rakha nur ganz am Rande in den Blick). Es sind technisch alles andere als überzeugende Videos, mit zum jeweiligen Plot oftmals nicht passenden Stimmen im Hintergrund, mit oft grobkörnigen, verschwommenen Bildern. Der Journalist und Publizist Rakha, Jahrgang 1976, führt die technischen Makel auf die äußeren Umstände der Produktionen zurück: In Ägypten wohnen die meisten Menschen auf engstem Raum zusammen, Söhne und Töchter leben mangels finanzieller Möglichkeiten bis weit ins Erwachsenenalter im Haus der Eltern. In diesem Umfeld pornografische Filme zu drehen: kein leichtes Unterfangen.
Dass es trotzdem geschieht, deutet Rakha als Ausdruck jenes Wunsches nach Emanzipation, der seinen politischen Ausdruck in den Aufständen des Jahres 2011 fanden, die zum Sturz des damaligen Diktators Hosni Mubarak führten. Den Kundgebungen auf dem Tahrir, dem „Platz der Befreiung“, entspricht die öffentliche Darstellung der eigenen Sexualität im Internet. Diese Zurschaustellung deutet Rakha als Kampfansage an jenen Repressionsapparat, zu dem sich politische und konfessionelle Hardliner seit Jahrzehnten zusammengefunden haben. So verstanden, fordern die Videos einen substanziellen Aspekt der Macht heraus: „die Unterdrückung des Begehrens, die als Grundsatz der herrschenden patriarchalischen Triade (God, Baba und ein militärischer oder religiöser Anführer) essenzieller Bestandteil jener Diskursform ist, die Korruption, Vetternwirtschaft und Gewalt aufrechterhält.“
Allerdings ist sich Rakha der Ambivalenz der entsprechenden Videos bewusst. Denn es ist keineswegs klar, warum sich die Frauen vor der Kamera entblößen. Dass zumindest einige dies nur auf äußeren Druck hin tun, schließt er nicht aus. Insofern ist seine These von der Emanzipation via Porno gewagt, zumal im Netz auch Videos kursieren, die einzig dazu dienten, Menschen zu erpressen. Täter und Opfer können durchaus der politischen und ökonomischen Elite angehören. Das zeigt Rakha am Beispiel einer heimlich aufgenommenen und dann im Netz veröffentlichten Liebesnacht eines bekannten ägyptischen Geschäftsmannes zu Beginn des Jahrtausends. Insofern demonstrieren die Videos nicht zuletzt die ethische Gewissenlosigkeit der Geheimdienste zumindest noch in der Ära Mubarak. Und doch, so Rakha: „Wie politischer Aktivismus sind auch Pornos an sich eine Form der Masturbation – eine Schattenwelt, die im Beharren auf sexuelle Selbstentfaltung Religion, Tradition und Ideologie Lügen straft –, obgleich dieses Insistieren bisher nur im Internet stattfinden kann.“
Das Internet ist Bühne der Ersatzhandlungen, aber auch Zurschaustellung des Möglichen – und damit Instrument einer sexuellen Revolution, wie sie im Westen bereits vor fünfzig Jahren stattfand, alle Risiken, Ambivalenzen und Fragwürdigkeiten inklusive. Denn nicht alles, was als Bild ins Netz findet, ist geeignet, Normen auch in der Realität zu setzen.
KERSTEN KNIPP
Youssef Rakha: Arab Porn. Aus dem Englischen von Milena Adam. Matthes & Seitz, Berlin 2017. 76 Seiten, 12 Euro. E-Book 9,99 Euro.
Es ist keineswegs klar,
warum sich die Frauen
vor der Kamera entblößen
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Rezensent Felix Stephan lernt in diesem Buch des ägyptischen Schriftstellers Youssef Rakha, was Internetpornografie mit dem arabischen Frühling zu tun hat. Während das Medium des "isolierten, machtlosen Mannes" der Porno sei, sei auch der Arabische Frühling des Jahres 2012 für den "politisch impotenten Revolutionär" eine "Masturbationsvorlage" gewesen, liest der Kritiker hier. Überzeugend kann ihm Rakha zudem vermitteln, warum die Revolution scheitern musste: Die Kultur, die Gewalt als Männlichkeit und Männlichkeit als Recht betrachte, sei auch von den Revolutionären nicht hinterfragt worden, liest Stephan. Darüber hinaus erfährt der Kritiker nicht nur, wo die Unterschiede zwischen westlichen und arabischen Pornos liegen, sondern er lernt auch anhand von verschiedenen Frauenschicksalen, wie mit dem Porno eine neue Form der "weiblichen Selbstbehauptung" in den arabischen Raum kam.

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