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"Die Globalisierungsfalle" ist zugeschnappt
Zwei Jahrzehnte nach den so zutreffenden Prognosen seines Weltbestsellers liefert Hans-Peter Martin eine ebenso brisante Analyse: Der Systemcrash findet statt. Robotik und die Digitalisierung werden die bestehende, enorme gesellschaftliche Ungleichheit noch verstärken, selbst im Westen wenden sich nicht nur breite Bevölkerungskreise, sondern auch die Elite von der Demokratie ab. Die Finanzkrise brodelt weiter, Handelskriege drohen, der Klimawandel zeigt seine extremen Gesichter, China auch. Populisten und autoritäre Regime werden die private…mehr

Produktbeschreibung
"Die Globalisierungsfalle" ist zugeschnappt

Zwei Jahrzehnte nach den so zutreffenden Prognosen seines Weltbestsellers liefert Hans-Peter Martin eine ebenso brisante Analyse: Der Systemcrash findet statt. Robotik und die Digitalisierung werden die bestehende, enorme gesellschaftliche Ungleichheit noch verstärken, selbst im Westen wenden sich nicht nur breite Bevölkerungskreise, sondern auch die Elite von der Demokratie ab. Die Finanzkrise brodelt weiter, Handelskriege drohen, der Klimawandel zeigt seine extremen Gesichter, China auch. Populisten und autoritäre Regime werden die private Datenflut jedes Bürgers nutzen, um ihre Macht zu festigen. Auch Deutschland ist keine Insel der Seligen mehr. Der neue Nationalismus gilt als Heilsbringer, doch er mündet in eine Kriegsspirale. Game Over. Freispiel ungewiss. Und dann? Der Autor bietet zahlreiche, unkonventionelle Auswege an.

Mit zahlreichen farbigen Grafiken.
Autorenporträt
Hans-Peter Martin, langjähriger ¿Spiegel¿-Korrespondent und unabhängiger EU-Parlamentarier, zählt zu den erfolgreichsten Sachbuchautoren. Seine Bücher, etwa ¿Die Globalisierungsfalle¿ (mit Harald Schumann) und ¿Bittere Pillen¿, verkauften mehr als 7 Millionen Exemplare, sie wurden in 28 Sprachen übersetzt. Martin lebt in Lech am Arlberg, mit regelmäßigen Aufenthalten in New York, London und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2018

Bitte aufwachen zum Systemcrash
Der ehemalige Politiker Hans-Peter Martin sieht die Welt in der Sackgasse und kennt trotzdem Auswege

Es würde eine Rezension sprengen, den Inhalt dieses Buches wiederzugeben. Der Autor, gelernter Journalist, blättert so gut wie alle Krisensymptome und Gefahren auf, von denen die Welt heute bedroht wird: Die wachsende Ungleichheit und die Spaltung der Gesellschaft in Eliten und "Abgehängte" als Folge der Globalisierung; die fragile Struktur des Welt-Finanzsystems; die digitale Überwachungsdiktatur durch "Datenkraken"; die Gefährdung der Demokratie durch rechtspopulistische Vereinfacher; Handels- und Währungskriege, die den Wohlstand bedrohen; das Aufkommen von "Cyberwars" und in deren Folge ganz realer Kriege.

Ausgespart oder nur gestreift wird allenfalls der Klimawandel, weil er, wie Martin meint, schon in anderen Publikationen ausführlich behandelt worden sei. Das gilt allerdings auch für die übrigen Themen seines Buches. Dessen Verdienst ist es, dass es eine flott formulierte Zusammenfassung bietet, selbst wenn das angesichts der Ankündigung einer Apokalypse etwas seltsam klingt.

Die Daten, Zahlen und Ereignisse, die Hans-Peter Martin, der offensichtlich ein unersättlicher Leser von Zeitungen und Zeitschriften ist, zusammengetragen hat, werden durch im Internet aufgestöberte Zitate aus "Papers" und "Non-Papers" ergänzt und angereichert durch Äußerungen, die er in Interviews mehr oder minder bekannten Zeitgenossen entlockt hat. Nichts davon ist schlicht falsch, aber alles wird stark zugespitzt - man merkt, dass der Mann sein Handwerk gelernt hat und die Nähe zum Boulevard nicht scheut. Sein Resümee: "Die vielfältigen Krisenherde sind miteinander verzahnt und werden den Systemcrash auslösen... Wer jetzt nicht aufwacht, wird nichts mehr mitgestalten können."

Hier allerdings beginnt das Problem. Denn was Martin da in neun Zehnteln seines Buches aufgeschrieben hat, ist ein Kompendium der Hoffnungslosigkeit. Seine Überspitzungen, beginnend mit dem Titel "Game over", wecken deshalb einerseits das lähmende Gefühl der Ausweglosigkeit. Anderseits sind seine Beschreibungen stellenweise - etwa wenn er von einer "herrschenden Medien-Parteien-Demokratie" spricht - Wasser auf die Mühlen genau jener rechten Populisten à la Trump, die er bekämpfen will.

Widersprüchlichkeit hatte man Martin schon vorgeworfen, als er sich selbst als Politiker betätigte: Fünfzehn Jahre lang war er österreichischer Europa-Abgeordneter, zuerst auf der Liste der SPÖ gewählt, dann auf einer eigenen Liste. Damals hatte er zu Recht Missstände im Europaparlament angeprangert, dabei aber oft das von ihm durchaus geliebte Kind, die Idee der europäischen Einigung, mit dem Bade ausgeschüttet.

Erstaunlich ist, dass ein Autor, der die Politik lange professionell beobachtet und selbst betrieben hat, ernsthaft daran glauben kann, dass es in Demokratien - oder gar auf der ganzen Welt - möglich sein könnte, die "miteinander verzahnten" Krisen mit vergleichsweise schlichten Mitteln zu bewältigen, und das auch noch relativ schnell. Dass in Demokratien viel diskutiert wird und deshalb alles länger dauert, dass Entscheidungen meist Kompromisse sind, ist ja per se kein Systemdefekt: Es ist geradezu die Essenz einer Regierungsform, die auf Teilhabe, Deliberation und Machtbegrenzung beruht.

Im Übrigen sind die Mittel und Wege, die Martin unter der Überschrift "Die Vernunft der Utopie" auf knapp dreißig Seiten vorstellt, teils konventionell, teils nicht anwendbar und teils untauglich. Zur Lösung der mit Migration einhergehenden Verwerfungen setzt Martin beispielsweise auf die Bekämpfung von Fluchtursachen - nicht gerade eine originelle Idee. Sein Rezept: "Viel Geld in die Hand nehmen", das unter anderem durch einen "Soli für Afrika" aufgebracht werden sollte.

Dabei ist bekannt, dass mehr Wohlstand in Afrika nicht zu einer Drosselung, sondern, zumindest anfänglich, eher zu einer Verstärkung von Migration führen würde. Vor allem aber: Wo sind denn viele der Milliarden hingekommen, die über Jahre als Entwicklungshilfe nach Afrika geflossen sind? Solange es dort in vielen Staaten Bürgerkriege gibt, die oft auch ein Kampf um Ressourcen sind, solange Regime herrschen, die auf purer Korruption beruhen und das Geld in die Taschen der Potentaten lenken, statt es für Investitionen auszugeben, so lange wird sich nicht viel ändern. Oder sollen Teile des Kontinents - "neokolonialistisch" - unter Kuratel gestellt, also etwa von den Vereinten Nationen verwaltet werden? Das widerspricht nicht nur dem Gedanken demokratischer Selbstbestimmung, es würde weder politisch noch ökonomisch funktionieren.

Ein anderer, näher liegender Fall. Martin will die Europäische Union zu einer Finanz- und Sozialunion ausbauen. Das widerspricht allerdings einer anderen Forderung, nämlich weniger auf EU-Ebene zu entscheiden und Städten, Regionen und Nationalstaaten mehr Selbständigkeit zu lassen. Dabei ist doch sogar jedem Steuerzahler klar, dass gerade Finanz- und Sozialpolitik unvermeidlich von einer hohen Regelungsdichte geprägt sind. Auch die Idee, das Europa-Parlament drastisch zu verkleinern, ist populär. Abgesehen davon, dass so etwas schon beim Bundestag nicht klappt: wie sollten danach, bei 450 statt 750 Abgeordneten, kleine Staaten wie Malta, Luxemburg oder Zypern überhaupt noch repräsentiert sein, ohne dass das Prinzip des gleichen Gewichts jeder Stimme, das schon heute verletzt ist, vollkommen abgeschafft würde?

Martin plädiert für gemischt-nationale Wahllisten - auch so ein vermeintliches Patentrezept. Von Ausnahmen abgesehen - zum Beispiel Daniel Cohn-Bendit, der als deutscher Staatsbürger auf einer französischen Liste gewählt wurde -, würde das nur dazu führen, dass nicht nur die gefühlte, sondern auch die reale Distanz zwischen den Wählern und ihren Repräsentanten im Europaparlament noch größer wäre, als sie es schon heute ist.

Der Autor hat auch Schmankerl parat wie den Vorschlag, eine Visumpflicht "für die wirklich Reichen..., abhängig von einer aktuellen Einkommensteuererklärung und dem Nachweis angemessener Steuerzahlungen" einzuführen. Nach all den Missständen, die er zuvor als Folge von Einkommens- und Vermögensunterschieden beschrieben hatte, fragt man sich, wer das erzwingen könnte in Zeiten, in denen man die Staatsbürgerschaft von Zypern oder Portugal für vergleichsweise kleines Geld kaufen kann (ganz abgesehen davon, ob es wünschenswert und rechtmäßig wäre).

Überdies geht Martin über das unbequeme Detail, wer als "wirklich reich" - statt "nur reich"? - zu definieren wäre, großzügig hinweg. "Game over" soll ein Weckruf sein. Die Ideen, die Martin für ein "New Game" hat, weisen mit Sicherheit keinen Königsweg; manche darf man sogar getrost als Holzweg bezeichnen.

GÜNTHER NONNENMACHER

Hans Peter Martin:

"Game over". Wohlstand für wenige, Demokratie für

niemand, Nationalismus für alle - und dann?

Penguin Verlag, München 2018. 382 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.11.2018

Die da oben, wir da unten
Woran kranken Demokratie und Gesellschaft? Am Neoliberalismus und der Diktatur der Eliten, lautet die aktuelle Antwort von links. Doch die Analyse
führt über politische Rundumschläge und krude Besserwisserei oft nicht hinaus. Eine halbwegs erfreuliche Ausnahme gibt es aber. Ein kleiner Überblick
VON TANJEV SCHULTZ
Die einen fischen Pfandflaschen aus Mülleimern, die anderen trinken sündhaft teure Weine und verschieben Millionenbeträge. Ein Klischee? Sich über unverschämten Reichtum aufzuregen ist nicht billig, auch wenn einige darin Neid oder Naivität wittern wollen. Die massive Konzentration von Macht und Geld war und ist eine ernste Bedrohung für Freiheit und Gerechtigkeit einer Gesellschaft. Nach den jüngsten Zahlen eines Reports der Schweizer Bank UBS und des Wirtschaftsprüfer-Netzwerks PwC ist das Vermögen der 2158 Superreichen dieser Welt zuletzt um 1,4 Billionen US-Dollar gestiegen. Sie besitzen jetzt fast neun Billionen Dollar. Wie schön für sie.
Trotz oder gerade wegen der aktuellen Schwäche der Sozialdemokratie haben viele Menschen das Bedürfnis, über die Verteilung des Wohlstands zu streiten. Sogar solche, die sich eher in der politischen Mitte zu Hause fühlen und denen es gar nicht so übel geht – die sich aber wundern, weshalb sie nur mit Mühe ihre Miete bezahlen können. Die Dauerdebatte über die AfD und den rechten Populismus überdeckt, dass die soziale Frage keineswegs obsolet ist. Das ist eine Chance für linke Autoren, die mit pointierten Attacken auf die Eliten und den Neoliberalismus auf den Buchmarkt drängen.
Zu ihnen gehört der Darmstädter Soziologe Michael Hartmann. Seine Analysen zum Profil der Eliten sind stets interessant, in seinem neuen Buch verbindet er sie mit einem Appell für einen „grundlegenden Politikwechsel“. Der Titel („Die Abgehobenen“) und das Titelbild (Golfspieler in Schneekugel) sind reißerischer als die streckenweise viel differenziertere Darstellung im Text. Das fängt schon damit an, dass Hartmann das Bild des golfenden Spitzenmanagers hinterfragt: Nur etwa zehn Prozent spielen Golf. Insgesamt werden offenbar sportliche Aktivitäten für das Spitzenpersonal der Wirtschaft allerdings wichtiger, kulturelle Hobbys dagegen unwichtiger.
Auch wenn klassische Bildungsbürgerlichkeit an Bedeutung verliert und viele Reiche und Mächtige lockerer wirken als früher (ohne Krawatte, mon Dieu!): Die „Vertrautheit mit dem Milieu“ bleibe entscheidend. Stallgeruch, Habitus – man kennt und erkennt sich. Man merkt, wer dazugehört und wer dazugehören darf. So ist auch die Entfremdung von der Lebenswelt der Durchschnittsbürger weiterhin ein Problem. Zwar gibt es Veränderungen, wie das überfällige Aufsteigen von Frauen in die Chefetagen; an den grundlegenden Mechanismen ändert das laut Hartmann jedoch wenig. Im Gegenteil, die soziale Selektivität könnte sogar noch zunehmen: „Denn die Frauen, die es so weit schaffen, scheinen sich sozial noch exklusiver als die Männer zu rekrutieren.“ Zugespitzt formuliert: „Bürgertöchter verdrängen Arbeitersöhne.“
Hartmann unterscheidet zwischen verschiedenen Staaten und widerspricht der Vorstellung, es gäbe eine kosmopolitische Elite, für die Grenzen keine Bedeutung mehr hätten. Für einen weltweiten Trend hält er jedoch eine neoliberale Politik, die von Eliten gestaltet werde, deren Haltung zu sozialer Ungleichheit durch ihre eigene Herkunft geprägt werde. In diesem Punkt wirkt die Analyse mitunter doch holzschnittartig. Wie steht es um den Staatskapitalismus in China? Oder um die in Deutschland gängigen Verflechtungen staatlicher und privater Akteure in Konzernen wie VW oder in den Landesbanken? Der „Neoliberalismus“ als Begriffsklammer, der alles Böse umschließen soll, erscheint oft etwas zu vage und zu simpel. Erhellend wird es dagegen, wenn Hartmann konkret am Beispiel der Erbschaftsteuer zeigt, wie Vermögende systematisch verschont werden.
Während Hartmanns Buch trotz seiner unverhohlenen Botschaften in einem wissenschaftlichen Fundament verankert ist, liest sich Hans-Peter Martins „Game Over“ wie ein politischer Rundumschlag mit einer fast rührenden Neigung zu Weisheiten fürs linke Poesiealbum („die Zukunft vernünftig umarmen“; „jeder kann mit jedem reden, wenn er will“). Kaum ein Thema lässt Martin aus: Ungleichheit, prekäre Jobs, Klimawandel, Trump, Mietwucher, Flucht und Elend, Rechtspopulismus, Datenhandel und Überwachung, Roboter, Terrorismus. Der frühere Europaabgeordnete aus Österreich, der als junger Mann beim Magazin Der Spiegel arbeitete und in den Neunzigern mit Harald Schumann einen Bestseller über die „Globalisierungsfalle“ veröffentlichte, hat großen Rede- und Erklärbedarf.
Von der ersten bis zu letzten Seite schrillen hier die Alarmglocken, und wer alles für bare Münze nimmt, könnte jede Hoffnung fahren lassen. „Alles kann doch noch gut werden“, versucht Martin am Ende noch ein wenig Optimismus zu verbreiten. Er serviert ein paar recht allgemeine Rezepte, die schon früh im Buch so lauten: „faires, soziales Teilen der anhaltenden wirtschaftlichen Erfolge der Globalisierung und eine ernsthafte politische Teilhabe aller Bevölkerungskreise und Schichten am politischen Willensbildungsprozess“. So weit, so sympathisch. Und natürlich schon oft gehört und gelesen. Erfahrungsgemäß fangen die wahren Probleme an, wenn zu definieren ist, was das alles im Einzelnen bedeutet. Das Buch springt hin und her zwischen großen Schlagworten („den Neoliberalismus überwinden“) und trivialen Details (Spielzeug: „Holzbaukästen waren und bleiben sinnvoll“).
Eine zumindest reizvolle Provokation: der Vorschlag einer „Visumspflicht für die wirklich Reichen“. Das Erteilen eines Visums solle von der Vorlage einer aktuellen Einkommensteuerklärung und dem Nachweis angemessener Steuerzahlungen abhängig sein. Oha. Viele mögen so etwas als linke Spinnerei abtun, Hans-Peter
Martin setzt aber erkennbar auf den Gerechtigkeitssinn und die Solidarität einer aufgeklärten Bürgerschicht – und auf eine „Radikalität aus der politischen Mitte heraus“.
Wie groß die Gefahr ist, bei solch einer Radikalisierung abzudriften in krude Bescheidwisserei, zeigt das Buch von Rainer Mausfeld. Der emeritierte Kieler Psychologie-Professor führt den Bürgern die Techniken der Manipulation vor Augen, die sie angeblich zum Stummsein verdammen. Für Mausfeld wird das Publikum beherrscht von „einer neuen Form des Totalitarismus, der von der Bevölkerung nicht als Totalitarismus empfunden wird“. Manipuliert von neoliberalen Eliten und sediert von ungeordneten Informationen und dummer Unterhaltung, schweigen die Lämmer.
Die freie Presse und die liberale Demokratie sind in dieser einfachen Sicht auf die Welt weitgehend Lug und Trug; und man müsste nur ein paar Vokabeln von links nach rechts drehen, und schon könnten auch Trump oder die „Lügenpresse“-Krakeeler der Analyse gut folgen. Dass in der angeblich so neoliberal dominierten Presse über die Steuerflucht der Reichen ausgiebig debattiert wird oder Recherchen wie die Panama Papers“ möglich sind – für Mausfeld offenbar egal.
Er vertritt eher schematische Wahrheiten, zum Beispiel die, dass das Völkerrecht sich zu einem Instrument unverhohlener Machtpolitik entwickelt habe. Solche Sätze sind schnell geschrieben und schnell beklatscht, deshalb aber noch lange nicht wahr. Jedenfalls werden sie der Komplexität im Ringen um Fortschritte in der Weltgemeinschaft nicht gerecht.
Das Buch ist auch nicht besonders originell. Es baut auf einer radikalen Demokratietheorie auf, mischt sie mit den Denkfiguren des alten Adorno und des im Laufe der Jahre immer zorniger und paranoider werdenden Noam Chomsky – und fertig ist ein Buch für den linken Wutbürger. In dessen Weltbild wünschen sich die „herrschenden Eliten“ angeblich eine bloße „Zuschauerdemokratie“ mit lethargischen Bürgern. Wirklich? Wer sich umhört bei den „Eliten“ wird auf sehr viele treffen, die ein hohes Lied auf zivilgesellschaftliches Engagement singen und sich wünschen, dass die Menschen wählen gehen, dass sie in Parteien und Vereinen aktiv werden und sogar ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen. Aber bestimmt steckt dahinter nur eine neoliberale Finte …
Der Neoliberalismus ist für Mausfeld „weltweit der größte Feind von Demokratie“. Das ist angesichts brutaler Diktaturen eine verwegene These, aber damit nicht genug: In offenbar zustimmender Absicht bringt das Buch ein Zitat, demzufolge die neoliberale Wirtschaftsordnung in einem Jahr locker so viele Menschen umbringe wie der deutsche Faschismus in sechs Jahren. Wer so halbseiden – man könnte auch sagen: infam – argumentiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm nur ein paar eingefleischte Schafe folgen.
Von der ersten bis
zu letzten Seite schrillen
die Alarmglocken
Ein bisschen Adorno, ein bisschen
Noam Chomsky – fertig ist
das Buch für linke Wutbürger
London, Juni 2017: Der Premierministerin kann man nicht trauen.
Stefan Rousseau/dpa
Chemnitz, September 2018: Kanzlerin Merkel ist für alles verantwortlich.
Jens Meyer/AP
Marseille, Mai 2018: Macron schmeckt nicht mal in Fischsuppe.
BERTRAND LANGLOIS/AFP
Rainer Mausfeld:
Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören.
Westend, Frankfurt 2018. 303 Seiten, 24 Euro.
E-Book: 16,99 Euro.
Michael Hartmann:
Die Abgehobenen.
Wie die Eliten die
Demokratie gefährden.
Campus, Frankfurt 2018. 276 Seiten, 19,95 Euro.
E-Book: 16,99 Euro.
Hans-Peter Martin:
Game Over. Wohlstand für wenige, Demokratie für niemand, Nationalismus für alle – und dann? Penguin, München 2018. 382 Seiten, 24 Euro.
E-Book: 19,99 Euro.
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»"[Das Buch] besticht dadurch, dass es verschiedene gesellschaftliche Phänomene zusammenbringt, die nicht so oft zusammen gedacht werden (...).« ZEIT ONLINE, Ulrike Guérot