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»Der Wert eines Gedichts steigt im Winter / Vor allem in einem harten Winter. / Vor allem in einer leisen Sprache. / Vor allem in unberechenbaren Zeiten.« Was kann und soll die Literatur, wenn Krieg ist? Auf welche Sprache greifen die Dichter zurück? Taugen ihre Instrumente, um dem zum Ausdruck zu verhelfen, »was Angst macht«? Seit vor sechs Jahren die Kämpfe in der Ostukraine begannen, hat Serhij Zhadan die Bewohner in unzähligen Auftritten zu Mut und Resilienz ermutigt und sich mit sozialen Projekten engagiert. Er, der populärste ukrainische Schriftsteller, hat keine existentielle…mehr

Produktbeschreibung
»Der Wert eines Gedichts steigt im Winter / Vor allem in einem harten Winter. / Vor allem in einer leisen Sprache. / Vor allem in unberechenbaren Zeiten.«
Was kann und soll die Literatur, wenn Krieg ist? Auf welche Sprache greifen die Dichter zurück? Taugen ihre Instrumente, um dem zum Ausdruck zu verhelfen, »was Angst macht«? Seit vor sechs Jahren die Kämpfe in der Ostukraine begannen, hat Serhij Zhadan die Bewohner in unzähligen Auftritten zu Mut und Resilienz ermutigt und sich mit sozialen Projekten engagiert. Er, der populärste ukrainische Schriftsteller, hat keine existentielle Herausforderung gescheut, um sich eine starke lyrische Stimme zu erarbeiten, die in langen, songhaften Gedichten das vermeintlich Unsagbare in rätselhaft schöne Bilder fasst. In seinem neuen Buch gedenkt er auch seines verstorbenen Vaters, er findet einen Ton, um über die Unvermeidlichkeit des Todes und den Schmerz der Liebe zu sprechen, und über die Trauer, »die auch hell sein kann«, weil sieuns auf einen verborgenen Sinn verweist.
Autorenporträt
Serhij Zhadan, 1974 im Gebiet Luhansk/Ostukraine geboren, studierte Germanistik, promovierte über den ukrainischen Futurismus und gehört seit 1991 zu den prägenden Figuren der jungen Szene in Charkiw. Er debütierte als 17-Jähriger und publizierte zwölf Gedichtbände und sieben Prosawerke. Für Die Erfindung des Jazz im Donbass wurde er mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis und mit dem Brücke-Berlin-Preis 2014 ausgezeichnet (zusammen mit Juri Durkot und Sabine Stöhr). Die BBC kürte das Werk zum »Buch des Jahrzehnts«. 2022 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zhadan lebt in Charkiw, Ukraine.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Ilma Rakusa sieht die Poesie aus Osteuropa angesichts einer traumatischen Vergangenheit und ebenso verstörenden Gegenwart über sich hinauswachsen. Den ukrainischen Lyriker Serhij Zhadan kennt und schätzt Rakusa als Rhapsoden von "magischer Intensität", wobei seine Gedichte mit ihrem suggestiven Sound eine enorme Wucht entfalten. Zhadan singt vom Krieg im Osten der Ukraine, von Tristesse, Ohnmacht und versehrten Menschen. Wie er dabei Grauen in Schönheit verwandelt, kann die Rezensentin nur bewundern.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.11.2020

Klinge
der Zeit
Serhij Zhadans
Gedichtband „Antenne“
In der feuchten Luft nimmt man die Gerüche besonders gut wahr. Die Soldaten, die aus dem Süden gekommen sind, riechen nach Brand, nach Zigarettenrauch, und alles füllt sich sofort mit dem schweren Dunst nasser Kleidung. In seinem Roman „Internat“ beschreibt Serhij Zhadan den Krieg als etwas, das direkt am Körper ansetzt, das dicht und atmosphärisch ist und sich mit all seiner Härte so fest in die Wahrnehmung und die Erinnerung einschreibt, dass man es ein Leben lang nicht mehr vergisst. Zhadan, der im Osten der Ukraine geboren wurde und seit vielen Jahren in Charkiw lebt, hat die Kämpfe im Donbass von Beginn an nicht nur in seiner Prosa, sondern auch in seinen Gedichten dargestellt. „Gedichte und Prosa aus dem Krieg“ hieß sein letzter Band „Warum ich nicht im Netz bin“ im Untertitel. Darin versammelt er lyrische Porträts von Menschen, die den Krieg erlebt haben, von Händlern, Juwelieren, Anwälten, aber auch von Marodeuren oder verwirrten Künstlern.
Wie holt man den Krieg in die Sprache? Wie fasst man das Gefühl der Bedrohung, die Angst, wie zieht man der Sprache die Zerstörung ein? In den stärksten Gedichten seines neuen Bandes versucht es Zhadan mit wahrnehmungsgenauen Szenen, die er metaphorisch anreichert. Heiße Sommerluft, eine staubige Straße. Reisende rennen durch die Stadt, hasten zum Bahnhof, um den Nachtzug zu erreichen. Doch schon früh verändert sich die Perspektive: „Die Bienen holen sich den Honig einfach / aus dem kindlichen Atem“. Ein kleiner Schwenk in der Aufladung der Wörter genügt, und die Biene, von jeher Sinnbild für den Dichter, holt uns mitten ins Gedicht und ins Schreiben.
Doch leider ist das nur die eine Seite dieses Bandes. „Antenne“ heißt er, und er umfasst nicht allein Gedichte des 2018 in der Ukraine erschienenen Buches gleichen Titels, Zhadan hat eigens für die deutsche Ausgabe einen kleinen Prosatext geschrieben, der sich mit dem Tod seines Vaters beschäftigt. Vor allem aber hat er den fast 60 Seiten an Antenne-Gedichten noch einmal den gleichen Umfang an Gedichten aus seinem jüngsten Gedichtband „Schiffsverzeichnis“ vorangestellt. Und hier ist ein anderer Ton prägend. Es sind Gesänge, die mal an Hymnen, mal an Popsongs erinnern. Darin bedichtet er meist pathetisch Nacht und Liebe, Religion und Tiere, vor allem aber das Gedicht selbst.
„Du beobachtest die menschliche Welt wie der Kinderarzt die Knirpse im Park“, schreibt er in seinem kleinen Einleitungstext, „mit Liebe und mit der Bereitschaft, eine Diagnose zu stellen.“ Das ist ein schöner Einfall. Nur schiebt sich die Bereitschaft zur Diagnose trotz aller Liebe immer wieder überdeutlich in den Vordergrund. So liest man Sätze wie „Ostukraine, Ende des zweiten Jahrtausends. / Die Welt quillt über vor Musik und Feuer.“ Oder: „Neue Zeiten brechen an, / die Ernte der Geschichte wird eingebracht.“ Immer wieder führt der Be-hauptungscharakter der Sätze auch zu schiefen Vergleichen („Die Hügel liegen da / wie Menschen in der Holz-klasse“), gern verknüpft mit einem sehr eigenen Frauenbild: („Ich liebe diese Bäume, erwachsenen Frauen / gleich, die ihr Laub abwerfen wie Illusionen“). Andernorts notiert Zhadan: „Dichtung beginnt dort, / wo dein Wortschatz endet“. Doch statt sich auf die Suche nach einer wirklich eigenen Sprache jenseits des Alltagswortschatzes zu machen, greift er immer wieder zu klischeehaften Bildern und Formulierungen, die jedenfalls in der deutschen Übersetzung zu Genitivmetaphern wie „Rauch der Freiheit“ oder „Klinge der Zeit“ werden. Und statt seine Sprache wie in den Antenne-Gedichten zu reduzieren und ein Gedicht zu schreiben, das „aus Schweigen und Stille“ besteht, beschwört er es nur in raunenden Worten. Claudia Dathe hat die freie Rhythmik der Zeilen gut ins Deutsche gebracht, gegen den hohen Verkünderton der „Atemzüge und Küsse“ kommt aber auch die Übersetzung nicht an.
NICO BLEUTGE
Serhij Zhadan: Antenne. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, 144 Seiten, 14 Euro
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Immer wieder greift
Zhadan zu klischeehaften
Genitivmetaphern
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»Mit geradezu magischer Intensität und in einem psalmodierenden Ton der Anrufungen und Fragen entsteht eine versehrte, verstörende Wirklichkeit, der kein Gott zu Hilfe eilt. Himmelstürmerisch vertraut Zhadan indes darauf, dass das dichterische Wort ein wenig Frieden stiften kann.« Ilma Rakusa Neue Zürcher Zeitung 20210126