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Vier junge Visionäre gründen in Berlin ein Start-Up up und entwickeln zusammen eine App: das sogenannte Ting, das körperbezogene Daten seiner Nutzer sammelt, auswertet und auf dieser Grundlage Handlungs- und Entscheidungsempfehlungen gibt.
Das Prinzip Ting überzeugt - die App schlägt ein wie eine Bombe. Getrieben vom Erfolg entwickelt Mitgründer Linus die Möglichkeiten immer weiter, sein eigenes Leben und das der User mithilfe des Ting zu optimieren. Doch um neue Investoren für die Firma zu gewinnen, sind er und sein Team bald gezwungen, sich auf ein gefährliches Spiel einzulassen: Sie…mehr

Produktbeschreibung
Vier junge Visionäre gründen in Berlin ein Start-Up up und entwickeln zusammen eine App: das sogenannte Ting, das körperbezogene Daten seiner Nutzer sammelt, auswertet und auf dieser Grundlage Handlungs- und Entscheidungsempfehlungen gibt.

Das Prinzip Ting überzeugt - die App schlägt ein wie eine Bombe. Getrieben vom Erfolg entwickelt Mitgründer Linus die Möglichkeiten immer weiter, sein eigenes Leben und das der User mithilfe des Ting zu optimieren. Doch um neue Investoren für die Firma zu gewinnen, sind er und sein Team bald gezwungen, sich auf ein gefährliches Spiel einzulassen: Sie verpflichten sich vertraglich, künftig unter allen Umständen jeder Empfehlung des Ting zu gehorchen - mit verheerenden Folgen.
Autorenporträt
Artur Dziuk wurde in Polen geboren, studierte in Berlin und machte den Master of Arts im Literarischen Schreiben an der Universität Hildesheim. 'Das Ting' ist sein Romandebüt. Er lebt in Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2020

Coden, bis der Tag kommt
Im Klischee des blutleeren Programmierers gefangen: Artur Dziuks Debütroman "Das Ting"

Das ist wahre Freundschaft! Der eine klaut dem anderen das Thema seiner Masterarbeit und heuert bei einer Unternehmensberatung an. Der andere muss ein Semester nachsitzen, verliert sein Stipendium - und sein "Ting". So heißt eine biometrische App, die heutigen Horrorvisionen vom gläsernen Menschen eine KI-positive Wendung gibt. Das Ting soll seinem Nutzer als "Navigationssystem fürs Leben" via Deep-Learning-Algorithmen dienen. Weswegen seine Anweisungen auch nicht Anweisungen heißen, sondern Empfehlungen: "Leichter Eisenmangel festgestellt. Empfehlung: Fleischkonsum steigern." Dann stating the obvious: "Erhöhte Transpiration festgestellt. Empfehlung: Duschen."

Doch das Ting, abgeleitet vom germanischen Wort für Versammlungsstätte, ist nicht so tumb, wie es zunächst ausschaut. Es erfasst nicht nur die körperlichen Zustände seines Anwenders, sondern es nutzt auch über ihn verfügbares Wissen und Erfahrungen aus der Umwelt. Dieser Pakt zwischen Selbstvermessung und Big Data verleiht dem Ting seinen abgründigen Charme. So ist es beispielsweise in der Lage, seinem Erfinder zu empfehlen, eine langjährige Beziehung zu beenden, um sich fortan voll und ganz dem Ting widmen zu können. Und obwohl sich Linus Landmann lange dieser Empfehlung entgegenstemmt, steuert ihn das Ting doch zielsicher in eine Zukunft, von der auch der Leser am Ende nicht weiß, ob es nicht tatsächlich die bessere ist.

Das ist die Fallhöhe, aus der dieses Romanpersonal in die selbstangeheizte Tech-Hölle blickt. Die Frage des freien Willens wird dabei handlungstreibend. Doch wie wird in diesem KI-Märchen das große Unmenschliche der Maschine dem Maschinentraum der Menschheit gegenübergestellt? Welche Metaphern, Beschreibungen, Beobachtungen zieht der Autor dafür heran?

"In der Lobby ist die Luft trocken und steril" - Klischees in enervierenden Mengen. Rhetorische Fragen, die nicht ernsthaft diskutiert werden: "Ist das Ting gut oder böse?" Einfälle, die allesamt den immer wieder zitierten großen Tech-Vorbildern abgekupfert sind. So wird die spätere Firmenzentrale der Ting-Erfinder in eine entwidmete Kirche verlegt, was an die Verkaufskathedralen von Apple erinnert. Dazu Tech-Jargon, der affirmativ eingesetzt wird und die Figuren selbst so phrasenhaft daherreden lässt wie das Ting: "Linus hat das Wunder vollbracht, die User Experience des Ting auf eine emotionale Ebene zu verlagern."

Die Story im Hintergrund fügt sich folgendermaßen zusammen: Adam, ein von Komplexen getriebener Deutsch-Pole, hat Linus' Idee geklaut und macht damit Karriere bei Strindholm Consulting. Bis er wegen Industriespionage gefeuert wird. Da begibt es sich, dass er seinen alten Studienfreund Linus wiedertrifft und ihn überredet, ein Start-up zu gründen. Hurtig führt der Erzähler jetzt über ein paar Gewissensprüfungen hinweg, die zu dem Ergebnis führen, dass das Ting nun via Businessplan nur Marktreife gebracht werden soll. Gesucht wird neben Linus und Adam jetzt noch "ein Software Engineer, der die entsprechenden Skills besitzt". Weil der Roman es so will, ist auch der schnell gefunden. Und zwar ebenfalls in der Klischeekiste: Es ist eine verschlossene Asiatin mit schwarzem Kapuzenpulli, die ihr Dasein in einer Ost-Berliner Plattenbaubude fristet.

Coden, bis der Tag kommt - so stellt sich der aufgestörte Kulturbürger das blutleere Programmierervolk vor. "Die Art, wie sie alles um sich herum vergisst, wenn sie programmiert. Ihre kompromisslose Konsequenz." Wenn sie doch mal aus sich herauskommt, was auch kühlen Asiaten manchmal passiert, holt sie ihre Trompete aus dem Gigbag und geht auf eine Jamsession.

Jetzt fehlt dem begabten Trio nur noch ein business angel. Auch der ist schnell zur Stelle in Gestalt des ewig untergebutterten, sensibel-schwulen Strindholm-Sohns, der im Start-up eine Chance sieht, sich endlich dem väterlichen Einfluss zu entziehen. "Wie der Zufall es will, habe ich ein wenig Geld übrig. Einen angemessenen Betrag für die Anschubfinanzierung eines Start-ups in der Seed-Phase." Bingo!

Dieser Roman folgt von der ersten bis zur letzten Seite dem Bingo-Prinzip. Man weiß immer schon lange vor den dramatischen Wendungen, wie diese verlaufen werden, was ihnen jede Dramatik nimmt. Etwa, wenn das Ting durch seine immer übergriffiger werdenden Empfehlungen in das Privatleben seiner Erfinder hineinfunkt. Die Story, die sich daraus entwickelt, hat allerdings über den Einfall hinaus keinerlei eigene Spannung. Sie spiegelt bloß das stumpfe Reflexionsniveau des in ihr thematisierten technischen Geräts wider. Die Form steht dabei in keinem kritischen Verhältnis zu ihrem Inhalt. Und der will sich erzählen, komme da, was wolle: "Eine Kirche als Unternehmenssitz. Ein Start-up mit 20 Mitarbeitern und Praktikanten. Das bevorstehende Millionen-Investment. Und die gravierendste Entwicklung von allen: das Ting, das ihre Handlungen und ihr Schicksal bestimmt."

Schließlich ist es der Berater-Sohn, der einen moralischen Rappel bekommt und diesem dann Taten folgen lässt. Ausgerechnet Google verspricht, dem wild gewordenen Start-up ethische Fesseln anzulegen. Mit ein paar ollen Intrigen gegen die anderen Anteilseigner gelingt der Verkauf des Ting. Man hat den Geist in die Flasche zurückgestopft, und die Gedanken der Entwickler sind wieder frei.

Dass hier nicht der Staat regulierend eingreift, sondern ausgerechnet ein global player der Internetwirtschaft, ist da nur konsequent. Dieser Roman, dessen moralischer Konflikt erschreckend lustlos, ja fast zynisch durchgenudelt wird und der kein Klischee auslässt, ist selbst Teil einer Kultur, die er vorgibt zu kritisieren. Es ist seine kritische Kritiklosigkeit, die dieses Debüt, mit dem man als Erstleser aufgefordert ist, schonungsvoll umzugehen, zu einem Gnade verweigernden Ärgernis macht.

KATHARINA TEUTSCH

Artur Dziuk: "Das Ting".

Roman.

DTV, München 2019. 463 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Katharina Teutsch ärgert sich maßlos über den Debütroman von Artur Dziuk. Das liegt zum einen an der Story um zwei Studienfreunde, die sich einst verkracht hatten, weil der eine dem anderen das Masterarbeitsthema geklaut und damit erfolgreich als Unternehmensberater anheuert hatte. Jetzt entwickeln sie zusammen eine App, die - basierend auf den ausgeforschten Bedürfnisse ihrer User - Lebensanweisungen gibt, so die Kritikerin. Dazu versammeln die beiden laut Teutsch "Klischee"-Personal - eine "verschlossene", asiatische Programmiererin und einen "schwulen, sensiblen" Firmenerben als Investor. Dass die Story vorhersehbar ist, geschenkt, meint die Rezensentin. Wenn den jungen Gründern dann aber ihre App moralisch über den Kopf wächst und sie diese an Google verkaufen, wird der Konflikt so "lustlos, fast zynisch" aufgelöst, dass Teutsch dem Debütanten "kritische Kritiklosigkeit" attestiert und zur Strafe keinen Debütantenschutz gewähren will.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein gelungenes Debüt, das Lesefreude verspricht. Frederik Schulz-Greve NDR 1 Niedersachsen 20191217