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"Als ich die Strickleiter hinaufstieg im Dunkeln, / wußte ich nicht, wohin die Reise ging, / nur eben dies: hinauf." Wer sich Matthew Sweeneys Gedichten anvertraut, kann nie wissen, wo er landet, in Grönland oder im Inneren eines gigantischen Rotkohls, und ob nicht gleich ein singendes Pferd oder eine gläserne Nixe um die Ecke biegt. Wohin auch immer die Strickleiter führt, Sprosse für Sprosse, Vers für Vers sind Sweeneys Gedichte von anschaulicher Handfestigkeit und sprachlicher Präzision, die noch das Unwahrscheinlichste selbstverständlich erscheinen lassen. In diesem Auswahlband zeigt…mehr

Produktbeschreibung
"Als ich die Strickleiter hinaufstieg im Dunkeln, / wußte ich nicht, wohin die Reise ging, / nur eben dies: hinauf." Wer sich Matthew Sweeneys Gedichten anvertraut, kann nie wissen, wo er landet, in Grönland oder im Inneren eines gigantischen Rotkohls, und ob nicht gleich ein singendes Pferd oder eine gläserne Nixe um die Ecke biegt. Wohin auch immer die Strickleiter führt, Sprosse für Sprosse, Vers für Vers sind Sweeneys Gedichte von anschaulicher Handfestigkeit und sprachlicher Präzision, die noch das Unwahrscheinlichste selbstverständlich erscheinen lassen. In diesem Auswahlband zeigt Sweeney sich erneut als Lyriker von abgründigem Witz und zarter Melancholie, grandios ins Deutsche übertragen von Jan Wagner.
Autorenporträt
Matthew Sweeney wurde 1952 in Donegal, Irland, geboren und starb 2018 in Cork. Er war einer der bedeutendsten irischen Lyriker seiner Zeit. Zuletzt erschienen die Gedichtbände Horse Music (2013) und Inquisition Lane (2015). Auf Deutsch liegen von ihm die Auswahlbände Rosa Milch (2008) und Hund und Mond (2017) vor, beide in der übersetzung von Jan Wagner.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.10.2017

Schlummernde
Würmer
Neue Gedichte des irischen
Autors Matthew Sweeney
Nichts ist leichter, als einen Tiger zu häuten. Man braucht dafür nur ein scharfes Messer und eine Rüstung. Auch für das Adlerrupfen hat Matthew Sweeney ein einfaches Rezept: Mit Armbrust, Schwert und einem Blitzstrahl lässt sich die Sache prompt erledigen. Wie aber sieht es mit dem Schreiben von Gedichten aus, Sweeneys ureigenstem Metier? Auf jeden Fall benötigt man „Liedtexte“, „alchemistische Tränke“ und Gold. Dann könnte die Einfahrt in jenen „Tunnel“ gelingen, den Sweeney einmal besingt, den Tunnel des Gedichts vielleicht, in dem das Licht einer winzigen silbernen Taschenlampe von Mosaikspiegeln reflektiert wird.
Im Grunde gleicht jedes von Sweeneys Gedichten einem solchen Tunnel. Womöglich sollte man sogar von einer Kapsel sprechen, einer Kapsel für Geschichten, die der irische Autor einer Reihe von alchemistischen Prozeduren unterzieht. So verwandelt er die Erzählungen gerne in ein Gefüge mal surrealer, mal absurder Elemente, was immer dann gelingt, wenn er auf alle Pointen verzichtet. Noch stärker ist Sweeney in der Kunst, lange Sätze zu schreiben, die sich von Vers zu Vers verzweigen und immer neue Details in ihren Rhythmus holen.
Wenn man sich als Leser in dieser Kapsel umgesehen hat, kann man, muss man vielleicht sogar – wie der Dichter selbst – darüber nachdenken, was es heißt, den „verstörenden Schritt vom Rand in die Leere“ zu tun. Dabei handelt es sich bei der Leere manchmal um den Tod, den großen Impulsgeber dieser Gedichte, manchmal aber auch nur um einen Traum oder einen roten Hubschrauber, der über dem Haus schwebt. Der Dichter, meint eine Figur des Gedichts, solle sein Schreiben um diese Leere kreisen lassen. Auf dass der Leser sich vom Dichter an den Rand jener Leere mitnehmen lässt, um seine Wahrnehmung neu auszurichten – oder einfach staunend vor dem Nichts zu verharren. Natürlich ist es kein Zufall, dass der „einäugige Philosoph von Kathmandu“ diesen Ratschlag gibt. Noch den unscheinbarsten Vers unterzieht Sweeney einer feinen ironischen Brechung. Sein poetisches Denken kann zugleich den verstorbenen Großvater und ein paar in der Pfanne brutzelnde Würstchen bedichten, „dicke, schlummernde Würmer“, die nur darauf warten, verspeist zu werden.
Einmal erzählt Sweeney von einem anderen Verstorbenen, einem Geist. Wie es sich für einen ordentlichen Geist gehört, verfügt dieser über eine „nebelhafte Aura“ und kann durch Wände gehen. Doch der Geist verabscheut sein Geisterwesen und sehnt sich zurück nach einem begrenzten Dasein als Mensch: „Körper ...! Was gäbe er nicht dafür, den eigenen / zurückzuerhalten, im Alter von zwanzig Jahren“. Bei Matthew Sweeney sind die Geister als Ideen verkleidet – und er erfüllt ihnen ihre Wünsche. In loser Anlehnung an William Carlos Williams’ Bonmot „no ideas but in things“ gibt er jeder Idee eine sinnliche Form, einen bildstarken Körper aus Sprache, mal gestropht, mal als Block, immer aber mit einem guten Gespür für rhythmische Volten.
Jan Wagner hat viele dieser Gedichte schön im Deutschen nachgeformt. An manchen Stellen klingt die Übersetzung ein wenig angestaubt, etwa wenn er „your own place“ in „dein trauter Grund“ verwandelt oder aus „while old men complained“ die Wendung „sehr zu der Alten Verdruss“ macht. Manchmal hat Sweeney die Latte auch so hoch gelegt, dass sie für den Übersetzer kaum zu überspringen ist. So baut er zum Beispiel Haikus, in denen auch noch je der erste und der dritte Vers das umspielen, was die Engländer „slant rhyme“ nennen, den unsauberen Reim. Dafür folgt Wagner geschickt Sweeneys Kunst der Versbeschleunigung oder seinen rhythmischen Schwüngen.
Vor allem aber hat er eine überzeugende Auswahl aus Sweeneys letzten beiden Büchern und einigen neuen Gedichten komponiert. Die irische Landschaft rund um das Städtchen Lifford, wo Sweeney 1952 geboren wurde, spielt nicht mehr jene große Rolle wie noch in „Rosa Milch“, dem ersten Sweeney-Sammelband auf Deutsch, den Wagner vor knapp zehn Jahren zusammengestellt hat. Nun rücken Tiere und Märchenfiguren in den Vordergrund, Zwerge, Prinzessinnen oder Meerjungfrauen. Dazu gibt es kleine Motive, die über die Seiten verteilt sind, ein Glasauge etwa oder jene Krähe, die hier ein ganzes Gedicht durchfliegt, dort am Bildrand krächzt, um sich am Ende mit ein paar Möwen einen Zaun zu teilen.
So wie im Titelgedicht die Leuchtkraft des Mondes einen Hund fast verrückt macht, stellt im ganzen Band die Leuchtkraft der Poesie den Wahrnehmungsraum des Lesers bisweilen auf den Kopf. In Sweeneys besten Gedichten glaubt man als Leser für Momente selbst, durch Wände gehen zu können
. NICO BLEUTGE
Matthew Sweeney:
Hund und Mond.
Gedichte. Aus dem
Englischen von
Jan Wagner. Hanser
Berlin, Berlin 2017.
144 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Nachdenklich, witzig, unglaublich einfallsreich und makellos geschrieben - das Beste, was die zeitgenössische Lyrik zu bieten hat." Charles Simic

"[Ein] poetisches Universum, das zwischen amüsanter Anschaulichkeit, irritierender Groteske und philosophischem Tiefgang oszilliert und in dem jedes Gedicht eine Geschichte erzählt [...]." Kristina Maidt-Zinke, Lyrikempfehlungen 2018

"Wer in Matthew Sweeneys Gedichte eintritt, fühlt sich wie in einer Kapsel für Geschichten, die der irische Autor einer Reihe von alchemistischen Prozeduren unterzieht. Jan Wagner hat viele dieser Verse schön im Deutschen nachgeformt." Nico Bleutge, Stuttgarter Zeitung, 06.04.2018

"Erstaunliche, skurrile, melancholische Geschichten kommen uns in mühelos fließenden Versen entgegen, ohne Reimzwang, ohne Abstraktionsehrgeiz, bildreich und bezaubernd. Sie stellen uns eine Welt vor Augen, die wir kennen, erweitert um jene Zonen, denen Schwerkraft, Logik oder Alltagsmonotonie gewöhnlich einen Riegel vorschieben." Gisela Trahms, Tagesspiegel, 25.01.2018