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Eine zufällige Begegnung, die in einem entsetzlichen Akt der Gewalt gipfelt und das Leben zweier Menschen komplett verändert. Winnie M Li erzählt die explosive Geschichte einer Vergewaltigung aus der Sicht des Opfers. Und des Täters. Vivian hat gerade ihr Studium beendet und startet in London durch. In der Freizeit packt sie am liebsten den Rucksack und geht wandern. An einem sonnigen Frühlingsnachmittag kreuzt ihr Weg den eines jungen Mannes, fast ein Kind noch. Er lässt nicht locker, bedrängt sie. Vivian sagt mit Nachdruck Nein. Vergebens. Die Geschichte von Vivian ist Winnie M Lis…mehr

Produktbeschreibung
Eine zufällige Begegnung, die in einem entsetzlichen Akt der Gewalt gipfelt und das Leben zweier Menschen komplett verändert. Winnie M Li erzählt die explosive Geschichte einer Vergewaltigung aus der Sicht des Opfers. Und des Täters.
Vivian hat gerade ihr Studium beendet und startet in London durch. In der Freizeit packt sie am liebsten den Rucksack und geht wandern. An einem sonnigen Frühlingsnachmittag kreuzt ihr Weg den eines jungen Mannes, fast ein Kind noch. Er lässt nicht locker, bedrängt sie. Vivian sagt mit Nachdruck Nein. Vergebens.
Die Geschichte von Vivian ist Winnie M Lis Geschichte. Schonungslos erzählt sie davon, wie eine einzige Begegnung das ganze Leben verändern kann - und geht noch einen Schritt weiter: Sie schreibt zugleich auch die Geschichte des Mannes auf, für den das Wort Nein nichts zählt.
Autorenporträt
Li, Winnie M
Winnie M Li ist Schriftstellerin und Produzentin und hat auf drei Kontinenten in der Kreativbranche gearbeitet. Sie studierte in Harvard, hat für zahlreiche Reiseführer geschrieben, Independent Filme produziert, für Filmfestivals gearbeitet und Eco-Tourismus-Projekte entwickelt. Seit ihrem Abschluss im Kreativen Schreiben ist sie für verschiedene Medien tätig und promoviert im Fach Medien und Kommunikation an der London School of Economics. Sie lebt in London und ist reisesüchtig. Für ihren ersten Roman 'Nein' wurde sie mit dem »Not The Booker«-Preis 2017 ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2018

Ein Buch als Waffe

Zwei Kindheiten, eine Vergewaltigung, ein Prozess, zwei Leben danach. Über Winnie M Lis Roman "Nein" - keine Literaturkritik

Das hier ist keine Literaturkritik. Denn es geht nicht um Literatur. Es geht um Vergewaltigung. Um Hunderte von Seiten, im grüngrauen Umschlag eingebunden, auf dem groß "Nein" steht, darunter klein: "Roman". Dass die Verfasserin selbst vergewaltigt wurde, sagt schon die zweite Seite, und dann: "Die Zeichnung der beiden Hauptfiguren orientiert sich vage an der Autorin und ihrem Bild vom wahren Täter." Und ich, als Frau, als Leser mache das Buch mit einem seltsamen, verlorenen Gefühl auf, das sagt: Ein Vergewaltigungsopfer hat das geschrieben, sei vorsichtig, denn das ist echt.

"Vergewaltigt", schreibt Winnie M Li in "Nein": "Das Wort ist das Schlimmste. Ein geschmackloses, knallbuntes Klebeetikett, das sich nicht mehr ablösen lässt." Das denkt Vivian, Lis Heldin, die im Buch Opfer werden musste, so wie im Leben die Autorin. Und nur durch einen Satz stellt Li oder auch Vivian mich, die Leserin, jetzt bloß, da mein "Sei-vorsichtig-Reflex" dieser Autorin sofort so ein absurdes, vorurteilshaftes Etikett anklebte. Vivians Story erzählt schnell der Prolog. Sie wandert durch den Colin Glen Forest Park in Belfast, Irland. Auf einmal ist im Gebüsch eine Gestalt, ein Junge. Und als sie merkt, was er vorhat und will, ist es zu spät.

"Sie wollte es, oder? Klar wollte sie. Alle Frauen wollen es." Das lässt Li später Johnny denken, er ist der Vergewaltiger. Lis Buch ist so gebaut, dass sich die Perspektiven abwechseln: Es ist in der dritten Person erzählt, mal aus dem Kopf des Täters, dann des Opfers. Am Anfang geht es um die Kindheiten der beiden, dann kommen die Vergewaltigung und der Prozess und die zwei Leben nach der Tat.

Doch Johnnys Sicht, alle Passagen über ihn, ist ein Problem, zumindest literarisch. Selbst wenn es um die Zeit vor dieser Tat geht, ist er immer abstoßend, immer Monster: Ständig denkt er, dass Frauen "Schlampen" sind. Ständig geht es ihm nur ums "Klauen", um "Titten", "Alkohol" und "Pillen". Diese Figur ist widerwärtig, immer, ohne Pause, und dadurch ist sie leer und leblos, nur Druckerschwärze auf Papier.

Anders als Vivian, als alle Vivian-Passagen. Nicht, weil sie aus der schönen Welt kommt: Klavierunterricht, Harvard, später Filmproduzentinnenjob in London. Nein, weil sie Brüche hat und lügt und mal banal ist, mal pathetisch, das manchmal weiß und manchmal auch nicht: So ist sie vollkommen echt und voll mit Leben.

Deshalb stellt sich auch immer eine Frage: Ist das tatsächlich ein Roman? Oder ein Tatsachenbericht, den der Verlag nur falsch beschriftet hat? Wenn er ein Roman sein soll, dann ist er nur zur Hälfte gut, in der Hälfte von Vivian. Und das, obwohl sich auch in diese gute Hälfte ab und an schlechte Sprache drängt: Mal hat Vivian einen "Kloß im Hals", mal "weht durchs Fenster" "eine warme Brise". Aber selbst so ein flacher, schlechter Satz macht nichts kaputt an dieser Kraft von "Nein". Und das jetzt nicht, weil ich, als Frau, als Leserin vorsichtig und sanftmütig sein will mit einem Opfer einer Vergewaltigung - das hat Winnie M Li oder auch Vivian ja indirekt verboten -, sondern weil alles scharf ist, während des Lesens in die Finger, in Arme, in den Bauch schneidet. Diese Details: die Tat, die Untersuchung, der Prozess, die E-Mails an die Freunde; alles ist vollkommen nah, geht einem nah. Zumindest ist es so in allen Vivian-Erzählungen. Und deshalb sind auf einmal, vielleicht nach hundertfünfzig Seiten, die Künstlichkeit und Leere in den Passagen Johnnys auch ein Glück. Denn die Unechtheit der Figur holt einen immer wieder raus aus diesem Zustand der Unmittelbarkeit und des Schmerzes, gibt Zeit zum Atmen und Erholen von dieser Härte der Vivian-Berichte.

Wäre es aufregender, wenn er, der böse Vergewaltiger, nicht immer nur ein Monster wäre? Wäre es literarischer, wenn er glaubwürdige Gefühle hätte? Wenn er manchmal sympathisch wirkte? Vielleicht. Gegenfrage: Wie überhaupt soll eine Frau von einer Vergewaltigung berichten? Und über ihren Täter? Wie soll sie so etwas schreiben?

In einem Interview sagte Winnie M Li, dass sie aus Johnnys Perspektive geschrieben habe, weil sie die Gründe für die Tat verstehen wollte. Doch Bücher sind oft klüger als Menschen, die sie schreiben. Darum liest "Nein" sich auch wie eine unbewusste Rache. Johnny und all seine Passagen, die Grobheit darin, die Leere und die Flachheit der Figur sind wahrscheinlich die Schläge der Autorin. Denn es kommt einem so vor, als ob Johnny nur da sei, damit Winnie M Li mit ihrem Täter kämpfen kann. Zum zweiten Mal. Und ihn zu besiegen. Indem sie ihm nichts Menschliches, nichts, was ihn zu einer literarischen lebendigen Gestalt machte, geben will und kann. Sie zeichnet ihn als Ungeheuer. Immer schon Ungeheuer. Und für immer.

Aber noch mal: Hat das etwas mit Literatur zu tun? Ist dieses Buch nicht viel mehr nur eine Waffe? Ja, und wenn schon. So viele Frauen haben das erlebt, auch wenn es zu dem Äußersten, der Vergewaltigung, nicht immer kommen muss - zum Glück. Zuerst ein harmloses Gespräch. Dann diese Augen eines Mannes, die sich ändern. Die Zeichen und die Sätze, die er nicht sieht, versteht oder nicht sehen, nicht verstehen will. Dann seine Hände dort, wo sie nicht hingehören. Und das Danach: die Unmöglichkeit des Darüber-Sprechens. Oder dieses Verdrehen, die Situation harmloser machen, damit die Menschen, die sie hören, meistens die Freunde, nicht zu betroffen sind, nicht zu geschockt, damit man sie am Ende nicht noch trösten muss. Das alles steht in "Nein". Es ist ein Dokument, das Menschen helfen kann. Männern und Frauen. Egal, ob Opfer oder nicht. Denn es passiert in Wirklichkeit und jeden Tag. Und darum ist das hier auch keine Literaturkritik.

ANNA PRIZKAU

Winnie M Li: "Nein". Aus dem Englischen von Volker Oldenburg. Arche, 448 Seiten, 22 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension

Rezensentin Anna Prizkau weiß nicht, wie sie mit Winnie M Lis Text umgehen soll. Ist es ein Roman, ist es der Bericht einer Vergewaltigung? Beim Versuch, das Buch als Fiktion zu lesen, fällt Prizkau auf, wie unterschiedlich Opfer- und Täterperspektive gebaut sind, hier die Frau mit Ecken und Kanten, da der Täter, ein Monster und sonst nichts. Diese "Unechtheit" der männlichen Figur gibt ihr Zeit zu verschnaufen von den harten, ihr schmerzhaft nahegehenden Passagen, in denen die Frau berichtet über Kindheit, Vergewaltigung, Prozess und die Zeit danach. Aber eigentlich liest sie es doch eher als Tatsachenbericht, was bedeutet, dass ein literarisches Urteil hier für sie nicht zählt. Wichtig ist für sie, dass das Buch verstehen hilft, wie Anmache in sexuelle Belästigung und Gewalt umschlagen kann. Und darum ist es für die Rezensentin ein wichtiges Buch.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine Teufelsaustreibung mittels Literatur, die ihresgleichen sucht." Brigitte "Ein Dokument, das Menschen helfen kann. Männern und Frauen. Egal, ob Opfer oder nicht. Denn es passiert in Wirklichkeit jeden Tag." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung "Das packende Zeugnis einer Frau, die sich nicht nur literarisch, sondern auch im realen Leben für eine bewusste, auf unterschiedlichsten Ebenen geführte Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen sexuellen Missbrauchs engagiert." Neue Zürcher Zeitung "Das besondere und mutige an diesem Buch ist, dass die Geschichte sowohl aus der Sicht des Opfers, als auch aus der Sicht von dem Täter erzählt wird. Auf jeden Fall lesen!" WDR 1LIVE "Schonungslos plastisch." MDR Kultur "Eine Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft, in der ignoriert wird, wie Menschen zu Tätern werden und von sexualisierter Gewalt Betroffenen ihre Stimme genommen wird." Missy Magazine "Schweigen und Scham machen nur die Täter stark. Deshalb spricht Li. Hören wirihr zu." Emotion