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Nach über 30 Jahren kreativen Widerstands als Autorin und Aktivistin hat Bernardine Evaristo es geschafft, Geschichte zu schreiben. Als erste Schwarze Frau erhielt sie 2019 den Booker Prize und steht nun im Mittelpunkt der Literaturwelt. »Manifesto« ist ein Memoire über ihre Hingabe und Beharrlichkeit, Geschichten von Menschen zu erzählen, die meist unerzählt bleiben. Es ist das bewegende Zeugnis ihres einzigartigen Lebensweges. Evaristo veranschaulicht, wie ihr persönlicher Hintergrund, ihre politische Einstellung und ihre Beziehungen sie prägten und vor allem wie sie das Schreiben zu einer…mehr

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Produktbeschreibung
Nach über 30 Jahren kreativen Widerstands als Autorin und Aktivistin hat Bernardine Evaristo es geschafft, Geschichte zu schreiben. Als erste Schwarze Frau erhielt sie 2019 den Booker Prize und steht nun im Mittelpunkt der Literaturwelt. »Manifesto« ist ein Memoire über ihre Hingabe und Beharrlichkeit, Geschichten von Menschen zu erzählen, die meist unerzählt bleiben. Es ist das bewegende Zeugnis ihres einzigartigen Lebensweges. Evaristo veranschaulicht, wie ihr persönlicher Hintergrund, ihre politische Einstellung und ihre Beziehungen sie prägten und vor allem wie sie das Schreiben zu einer Rebellion gegen den Mainstream machte.Ungekürzte Lesung mit Lara-Sophie Milagro1 mp3-CD ca. 6 h 39 min
Autorenporträt
Bernardine Evaristo ist Professorin für Kreatives Schreiben an der Brunel University in London. Für ihren Roman »Mädchen, Frau etc.« wurde sie als erste schwarze Schriftstellerin 2019 mit dem Booker-Preis ausgezeichnet. Die britisch-nigerianische Autorin setzt sich mit den Themen Identität, Feminismus und Rassismus auseinander. Sie gründete u.a. die erste Theatergruppe für schwarze Frauen in Großbritannien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2022

Die Erste
Mit dem Booker-Prize für ihren letzten Roman wurde Bernardine Evaristo schlagartig weltbekannt.
Jetzt erzählt sie die Vorgeschichte ihres späten Ruhms und verrät, was sie von Literaturpreisen hält
Bernadine Evaristo ist freundlich und streng in ihrem Zoomfenster. Wenn sie eine Frage nicht beantworten will, verweist sie auf Zahlen: „Dazu gibt es bestimmt eine Statistik!“ Sie lacht viel und herzlich. Auch und vor allem da, wo manche es unangebracht finden würden. Umso unangebrachter das Lachen, desto mehr Freude scheint es ihr zu bereiten. Sie kann es sich leisten.
Seit sie 2019 für ihr Buch „Mädchen, Frau etc.“ mit dem Man Booker Prize, dem neben dem Nobelpreis berühmtesten Literaturpreis der Welt, ausgezeichnet wurde, läuft ihre Karriere hervorragend. Und sie ist seitdem oft die Erste: erste schwarze Schriftstellerin, die den Booker je bekommen hat. Erste Britin of color an der Spitze der „Fiction Paperback“-Bestsellerliste. Als sie Präsidentin der Royal Society of Literature wurde: erste Autorin of color und zweite Frau auf diesem Posten. Außerdem ist sie Professorin für Kreatives Schreiben an der Brunel University London, spricht in der BBC zwischen Paul McCartney und Nicole Kidman. Seit 2019 sind ihre Bücher mit erstaunlicher Geschwindigkeit in den Kanon der international gelesenen Literatur geschossen – und das, obwohl ihr Durchbruch erst kam, als sie fast 60 Jahre alt war. Ihre neuen Leser haben ein ganzes Werk aufzuholen.
Dazu veröffentlicht sie jetzt ihre Memoiren, „Manifesto“ heißt das erste Buch, das nach dem Booker Prize von ihr erscheint. „Ich habe es geschrieben, weil ich zeigen wollte, wie ich diesen Punkt als Autorin erreicht habe“, erzählt sie: „Ich hatte vor zwei Jahren diesen wunderbaren Durchbruch. Ich wurde in vielen Interviews nach meinem Leben gefragt, und ich dachte, ein Memoir wäre der perfekte Weg, Menschen vorzustellen, wer ich bin.“
„Manifesto“ ist denn auch kein Manifest im eigentlichen Sinne, sondern Evaristos Lebensgeschichte. Sie wurde 1959 als viertes von acht Kindern in London geboren. Ihr Vater war ein Schweißer nigerianischer Herkunft, ihre Mutter eine weiße Grundschullehrerin, die von ihrer Familie geächtet wurde, als sie einen Schwarzen heiratete. Beide waren Aktivisten. „Sie haben mich zu dem gemacht, was ich bin. Ich bin Individualistin. Ich bin Aktivistin. Ich bin unkonventionell. Das waren sie auch, aber mein Leben ist ganz anders als ihres. Meine Mutter lebt noch, mein Vater starb vor 20 Jahren“, sagt Evaristo.
Als Kind war das politische Engagement ihrer Eltern für sie völlig normal, erst jetzt, beim Schreiben der Memoiren, hat sie tiefer über die beiden nachgedacht. „Darüber, wer sie waren, als ich ein Teenager war. Mein Vater kam 1949 nach Großbritannien. Zu der Zeit wurden afrikanische Menschen als Wilde und Barbaren gesehen. Er hat die komplette Fremdenfeindlichkeit dieser Jahre abbekommen, aber er wurde ein Gemeindeaktivist. Er half Menschen aus der Arbeiterklasse, und zwar aller Ethnien. Wenn ich jetzt daran denke, dass er das jahrzehntelang tat, wächst meine Bewunderung für meine Eltern, umso älter ich werde.“
Evaristo hat sieben Geschwister – ihre Mutter war katholisch, Verhüten galt als Sünde – deswegen war sie nie wirklich allein, bis sie 18 war: „Ich konnte nur alleine sein, wenn ich in einem Buch steckte. Obwohl ich in meinem kleinen – nun, eigentlich großen – Haus in meiner kleinen Stadt war und nirgendwo hinkonnte, reiste ich durch die Literatur.“ Sie ging zur Schauspielschule, wo man sie ermutigte zu schreiben. Die Hälfte der Ausbildung bestand darin, dass die Studenten ihre eigenen Theaterstücke schrieben. Dabei entdeckte sie, dass es ihr Freude bereitete – und sie gut darin war.
Bernardine Evaristo erzählt auch in ihren Romanen von den gesellschaftlichen Verhältnissen, den sozialen Unterschieden, die sie ihr Leben lang beobachtet hat. Ob man mit ihren Büchern etwas anfangen kann, hängt davon ab, wie man zu aktivistischer Literatur steht. Die ist durchaus ein Widerspruch in sich: Ist Literatur nicht nur dann als Technik der individuellen Welterforschung relevant, wenn sie frei ist, sich jenseits sozialer Zwänge zu bewegen? So kann sie zwar Politik reflektieren, aber nicht selbst politische Ziele verfolgen. Was nicht heißt, dass Autorinnen und Autoren keine haben dürfen. Aber im für die Literatur besten Fall lösen sich ihre Texte davon ab. Evaristo aber benennt ihre politischen Intentionen explizit.
In „Manifesto“ beschreibt sie einen gewalttätigen Zusammenstoß mit ihrem ersten Freund. Sie hatten in benachbarten Wohnungen gelebt, als sie ihre Liebe für Frauen entdeckte, und Liebhaberinnen empfing, während er nebenan war. Bei einem Streit legte er ihr die Hände um den Hals und drückte zu, bis sie fast erstickte, stieß sie eine steile Betontreppe zur Straße herunter. Bemerkenswert daran, wie sie die Szene wiedergibt, ist, dass sie es beinahe komödiantisch tut – und sich selbst für das heutige „Me Too“-geprägte Gehirn viel Eigenverantwortung an dem Geschehen gibt: „Wissen Sie, ich denke …“, sie überlegt kurz, „ich wollte ihn nicht entschuldigen, aber es ist lange her, über vierzig Jahre. Ich muss auch die Verantwortung für mein Handeln übernehmen. Und der Mensch, der ich heute bin, würde niemals mit jemandem zusammen sein und dann im Nebenraum mit anderen Leuten schlafen, ohne mich vorher zu trennen. Ich war ein selbstsüchtiges Biest! Ich hab ihn in die Destruktivität getrieben. Aber er hätte nicht gewalttätig werden sollen.“
Erinnert sie sich daran, als Kanye West sagte, Sklaverei sei eine Wahl gewesen? Sie bricht in lautes, herzhaftes Lachen aus. „Kanye West ist verrückt. Es war lächerlich, das zu sagen.“ Ist es leichter geworden, Schriftsteller zu sein, zu schreiben? „Nun, heutzutage schreiben alle“, sagt Evaristo. „Sie schreiben Nachrichten und E-Mails und auf Facebook und Instagram und Blogeinträge, falls sie das noch tun. Das Glück meiner Kindheit und meines frühen Lebens war, dass das Internet nicht da war, um mich abzulenken. Du konntest leichter Zeit für dich herausschlagen, ohne dass die Menschen um dich herum dir das Gefühl gaben, du solltest dein Instagram checken. Das erschuf einen großen inneren Frieden.“
Sie schwärmt von einem Schreib-Retreat, in dem sie einmal nur begrenzt Internetzugang hatte: Morgens E-Mails nachsehen, und das wars. „Ich fühlte einen inneren Frieden und eine gedankliche Klarheit und eine Produktivität, von denen ich nicht bemerkt hatte, dass ich sie vor Jahren verloren hatte. Als“, sie deutet auf ihren Bildschirm oder die Welt, wo auch immer das Internet sich gerade aufhält, „als dieses Ding in unser Leben kam.“
Trotzdem twittert sie sehr regelmäßig. Meist geht es dabei um Literaturpreise, wozu es ein paar grundsätzliche Fragen gibt: Ist es sinnvoll, Literaturpreise zu vergeben? Kann ein Buch gegen ein anderes gewinnen? Ist Literatur nicht, nun, eben Literatur, und kein Pferderennen? Sie lacht. „Da fragen Sie die Falsche. Ich habe einen Preis gewonnen, der meine ganze Karriere verändert hat. Es war wunderbar, der Booker-Preis.“
Es sei ja aber auch kein athletischer Wettbewerb, führt sie aus, es gehe um die Kreativität der Menschen: Wie wir die Geschichten erzählen, die wir erzählen. „Ich denke, die besten Preise sind die, die mehr verändern als nur einzelne Karrieren. Der Women’s Prize for Fiction in Großbritannien ist ein sehr wichtiger Preis, es gibt ihn seit 25 Jahren. Er war wirklich hilfreich bei der Profilierung von globaler Frauenliteratur.“ Sie selbst hat einen Preis für afrikanische Lyrik aufgesetzt: „Der einzige Zweck dieses Preises ist, afrikanische Lyrik zu feiern und weiterzuentwickeln. Als ich ihn 2012 einführte, gab es kein Publikum für afrikanische Poesie. Aber jetzt, zehn Jahre später, ist afrikanische Poesie präsent, afrikanische Dichterinnen werden veröffentlicht, und — ja! — sie gewinnen Preise.“ Sie lacht. „Ich mag Preise. Sie sind gut!“
JULIANE LIEBERT
„Ich konnte nur alleine sein,
wenn ich in
einem Buch steckte.“
Bernardine Evaristo, 1959 geboren, wuchs in Woolwich, London auf und arbeitete als Dramatikerin, Dozentin und Schriftstellerin, bevor der Man Booker Prize 2019, den sie zusammen mit Margaret Atwood bekam, sie international bekannt machte.
Foto: Matt Crossick/imago images/PA Images
Bernardine Evaristo: Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Aus dem Englischen von Tanja Handels.
Tropen, Stuttgart 2022.
256 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2022

Von der Power des Herausredens

Die preisgekrönte britische Autorin Bernardine Evaristo erzählt ihr Leben als Manifest. Feiert die Kraft der Fehler und der Unbeugsamkeit. Und sich selbst.

Wer regelmäßig von einer der zahlreichen Listen deprimiert ist, die dreißig ganz besonders erfolgreiche Leute unter dreißig vorstellen, dem bietet die Schriftstellerin Bernardine Evaristo Trost. Als sie für ihren Roman "Mädchen, Frau etc." den Booker Prize gewann, einen der berühmtesten Literaturpreise der Welt, war sie sechzig Jahre alt. Und hatte schon einige Jahrzehnte von der Öffentlichkeit mehr oder weniger unbemerkt Romane veröffentlicht. Inzwischen ist sie Bestsellerautorin und, laut Forbes, eine von fünfzig besonders erfolgreichen Frauen über fünfzig. Manche mögen es nun unpassend finden, Literatur in Superlativen dieser Art zu messen. Und es ist ja auch einigermaßen unsinnig. Dass Bernardine Evaristo auf dieser Liste steht, passt aber trotzdem ganz gut. Zumindest denkt man das, nachdem man ihr neuestes Buch "Manifesto - Warum ich niemals aufgebe" gelesen hat.

In sieben Teilen beschreibt Evaristo in diesem autobiographischen Text ihren Werdegang: Kindheit und Jugend als Außenseiterin in einem mehrheitlich weißen Viertel, ihre Jahre beim Theater, Beziehungen und Affären, zahlreiche Umzüge, Zwischenmieten und kurzfristige Anstellungsverhältnisse, mit denen sich die Schriftstellerin ziemlich lange durchschlägt, um niemals Abstriche bei dem zu machen, was sie eigentlich möchte: Schreiben.

All das hat sich nun, Jahrzehnte später, ausgezahlt. Nicht nur ist Evaristo Professorin, preisgekrönte und gefragte Autorin, sondern auch Vorsitzende der Royal Society of Literatur, als zweite Frau, erste Schwarze und auch als erste Person, die weder in Eton, Oxford noch Cambridge war. Das ist erschreckend - und macht Hoffnung. Lässt sich doch an Evaristo und ihrer Biographie ziemlich gut zeigen, wie sich die Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten geändert hat. Und wie viel von diesen Veränderungen man unermüdlichen Kämpferinnen wie ihr zu verdanken hat.

"Manifesto" ist deshalb zu großen Teilen ein inspirierendes Buch, wenn auch nicht unbedingt so, wie es sein Titel verspricht. Man kann Evaristo für ihr Selbstbewusstsein und ihr Durchhaltevermögen wirklich nur bewundern - es nervt allerdings ein wenig, dass sie das selbst auch so ausgiebig tut. Gerade der zweite Teil ihres Buches, in dem es um ihre Entwicklung zur Schriftstellerin geht, liest sich manchmal wie der Ratgeber eines Erfolgsgurus: "Selbst wenn sich wirklich alles gegen mich verschworen hatte, gelang es mir noch irgendwie zu glauben, dass mir eines Tages der Durchbruch gelingen würde." Oder: "Ich rede mich selbst schon wieder aus der Enttäuschung heraus, noch während ich sie erlebe, sodass ich gar nicht erst in die Abwärtsspirale des Selbstmitleids gerate." Sie sei, schreibt Evaristo, deshalb schon als "Positivpropagandistin" bezeichnet worden. In dieser Art der Erzählung hat auch jede Niederlage einen tieferen Sinn: Sie macht stärker und schärft die Persönlichkeit.

Das lässt sich alles gut sagen, wenn der eigene Plan aufgegangen ist und nach der Niederlage dann auch der Erfolg kam - bei vielen anderen kommt er allerdings nie. Ist das, wie diese Art von Aufsteigermärchen implizit nahelegt, deren eigene Schuld? Haben diese Leute es einfach nicht genug gewollt?

Zu Evaristos Verteidigung muss man sagen, dass sie von dem darwinistischen Weltbild, nach dem diese Sätze klingen, weit entfernt ist: Sie kennt die gesellschaftlichen Einschränkungen, unter denen bestimmte Bevölkerungsgruppen zu leiden haben, sie benennt und bekämpft sie. Sie entscheidet sich für eine Schauspielschule, die den Studiengang "Community-Theatre" anbietet, in dem es nicht nur um die persönliche schauspielerische Entwicklung, sondern auch um die Arbeit für und mit bestimmten Gruppen geht. Sie hat den "International African Poetry Prize" ins Leben gerufen und gibt bei Penguin die Reihe "Black Britain: Writing Back" heraus, in der sie vergessene Werke schwarzer Schriftsteller wieder auflegt. Das erfordert, neben politischem Willen, auch eine ganze Menge Energie. Vor allem wenn der Hauptberuf als Schriftstellerin ja eigentlich ein anderer ist.

Warum es sich lohnt, "Manifesto" zu lesen, liegt an der wahrhaft unkonventionellen Art seiner Autorin und ihrer erzählenswerten Biographie. Ihre Mutter, schreibt Evaristo an einer Stelle, habe ihr einmal gesagt, "sie habe mich als Kind nicht sonderlich gemocht, weil ich 'zu viel Charakter' gezeigt hätte". Von diesem Charakter bekommt man beim Lesen eine ganze Menge mit. Die Außenseiterinnenposition, in der sich Evaristo als eins von acht Kindern aus der "Brown Immigrant Class" zwangsläufig befindet, hat sie zur Tugend gemacht. Dass sie, wie es an einer Stelle heißt, noch mit Anfang vierzig "bei sämtlichen gesellschaftlichen Initiationsriten" - Kinder, Ehe, fester Wohnsitz, gutes Gehalt, sichere Rente - versagt hat, kümmert sie zwar, doch nicht so sehr, als dass sie deshalb Kompromisse eingehen würde. Und auch jetzt, da sie mit ihren Romanen so genau den Zeitgeist zu treffen scheint, tut sie das doch nicht so ganz.

Das Konzept von "kultureller Aneignung", dass also beispielsweise Weiße nicht über die Erfahrungen Schwarzer schreiben können, hält sie für Unsinn. Und auf ihr früheres aktivistisches Selbst schaut sie kritisch zurück: So sei, schreibt sie einmal, ihre damalige feministische Haltung "wenig mehr als Makulatur" gewesen. "Hätte es, als ich Anfang zwanzig war, schon die sozialen Medien gegeben, ich wäre vermutlich eine von denen geworden, die ich gern als die 'geifernden Wölfe der Twittersphäre' bezeichne, ich hätte mich auf alle gestürzt, die mit meiner politischen Haltung nicht übereinstimmten, und keinerlei Differenzierung zugelassen."

Man kann sich vorstellen, dass solche Äußerungen von jemandem, der nicht Bernardine Evaristo ist, als reaktionär gewertet werden würden, andere vielleicht als unverzeihlich: Da lässt sie etwa, gegenüber einem Ex-Freund, der sie nach einem Betrug würgt und die Treppe hinunterschmeißt, erstaunlich viel Milde walten. Doch zu einer der starken Meinungen Evaristos gehört auch, dass Meinungen und Menschen sich ändern können und dass man nicht für das verurteilt werden sollte, was man einmal war. Denn ihr Optimismus hört im Privatleben offenbar nicht auf: Trotz ihrer beständigen Kritik an Rassismus, Sexismus und der Diskriminierung von Älteren übersieht sie niemals die Fortschritte, die es trotz allem eben auch gibt. Und diese Haltung, so banal sie auch klingt, ist in Zeiten beständiger Weltuntergangsstimmung sympathisch unberechenbar. ANNA VOLLMER

Bernadine Evaristo, "Manifesto. Warum ich niemals aufgebe". Aus dem Englischen von Tanja Handels. Tropen, 256 Seiten, 22 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Kira Kramer empfiehlt die Memoiren von Bernardine Evaristo, die nun als Hörbuch, gelesen von Lara-Sophie Milagro, erschienen sind. "Ohne Wehmut" blickt die gefeierte Autorin aus London mit dem nigerianischen Vater auf ihren Lebensweg zurück, darin kommen Erinnerungen an von Rassisten eingeschlagene Fensterscheiben genauso vor wie die gewaltvolle manipulative Beziehung zu einer Frau, resümiert die Rezensentin. Dabei überzeugt Kramer besonders, dass Evaristo vermeintliche Widersprüche aushält und nicht aufzulösen versucht. Überraschend leichtgängig, "offen" und "merklich ungeschönt" fügte sich so diese "erzählerische Assemblage" zu einem Bild zusammen, lobt die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Evaristo erzählt mitreißend, lebendig und amüsant.« Denis Scheck