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Fielding Gray ist der strahlende Star der Schule. Brillant in Latein und Griechisch, glänzt er auch beim Cricket und vermag es, alle mit seiner Attraktivität, seiner Eloquenz und einem charmanten Hang zum Draufgängertum für sich einzunehmen. Kurz bevor er 1945 sein letztes Schuljahr antritt, verliebt er sich in den zurückhaltenden blonden Christopher, an dem ihn vor allem dessen Unschuld fasziniert. Obwohl sein bester Freund vor einem möglichen Skandal warnt und ihn ein Konkurrent um die Position des Schulkapitäns offensichtlich genau im Blick behält, bahnt sich eine Tragödie an - und auch…mehr

Produktbeschreibung
Fielding Gray ist der strahlende Star der Schule. Brillant in Latein und Griechisch, glänzt er auch beim Cricket und vermag es, alle mit seiner Attraktivität, seiner Eloquenz und einem charmanten Hang zum Draufgängertum für sich einzunehmen. Kurz bevor er 1945 sein letztes Schuljahr antritt, verliebt er sich in den zurückhaltenden blonden Christopher, an dem ihn vor allem dessen Unschuld fasziniert. Obwohl sein bester Freund vor einem möglichen Skandal warnt und ihn ein Konkurrent um die Position des Schulkapitäns offensichtlich genau im Blick behält, bahnt sich eine Tragödie an - und auch außerhalb der Schule gerät Fielding Grays verheißungsvolle Zukunft ins Wanken. - "Fielding Gray" ist ein berührender Roman über Freundschaft und enttäuschte Erwartungen, Begehrlichkeit und schicksalhaftes Scheitern, manipulative Machenschaften und Schuld.
Autorenporträt
Simon Raven (1927-2001) besuchte als Spross einer Strumpffabrikantenfamilie die elitäre Charterhouse School, von der er 1945 wegen homosexueller Handlungen relegiert wurde. Unter seinen Mitschülern waren u. a. James Prior (später Minister im Kabinett von Margaret Thatcher) sowie der spätere Herausgeber der "Times", William Rees-Mogg (dessen Sohn Jacob heute dem Kabinett von Boris Johnson angehört). Beide hat er in der Romanreihe "Almosen fürs Vergessen" literarisch verewigt. Nach seinem Militärdienst, den Raven als Offiziersanwärter in Indien ableistete, studierte er ab 1948 am King's College in Cambridge Altphilologie. Er wurde Vater eines Sohnes und heiratete widerwillig. In finanzielle Schwierigkeiten geraten, trat er erneut in die Armee ein, wurde in Deutschland und in Kenia stationiert, quittierte den Dienst aber schließlich, um eine unehrenhafte Entlassung wegen Wettschulden abzuwenden. Fortan widmete er sich der Schriftstellerei und arbeitete als Literaturkritiker, bis ihn der Verleger Anthony Blond 1958 unter der Bedingung, mindestens 50 Meilen von Londons Vergnügungsstätten entfernt zu wohnen, unter Vertrag nahm - ein Arrangement, das drei Jahrzehnte währen sollte. Ein ausschweifender Lebenswandel, kühne Meinungen, seine offen ausgelebte Bisexualität und die Tatsache, dass er das Material für seine Bücher aus dem unmittelbaren Freundeskreis gewann und mit freizügigen Sexszenen und scharfzüngigen Urteilen über die Gesellschaft kombinierte, verschafften ihm einen Ruf als Schandmaul unter den englischen Nachkriegsautoren. Zeitgenossen schmähten ihn als Verfasser des "wohl schmutzigsten Cricketbuchs aller Zeiten", und sein Roman "Fielding Gray" verdiene eigentlich den Namen "Brideshead Revilified". Zur gleichen Zeit wurde er von namhaften Kollegen wie etwa Anthony Powell nicht nur als Literaturkritiker, sondern auch als Literat geschätzt. Sein 10-bändiger Romanzyklus "Alms for Oblivion" (1964-1976) wird heute mit dem Werk von Lawrence Durrell, Graham Greene, Anthony Powell und Evelyn Waugh verglichen und Raven als "einer der brillantesten Romanciers seiner Generation" bewertet (Patrick Newley). Einem größeren Publikum bekannt geworden war Raven allerdings zunächst durch Arbeiten fürs Fernsehen, wie die Verfilmung von Trollopes "The Pallisers" (1974) und die Serie "Edward and Mrs. Simpson" (1978), sowie die Mitarbeit am Drehbuch für den James-Bond-Film "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" (1969). Dem Vorwurf, ein Snob zu sein, begegnete er mit dem Hinweis, er schreibe "für Leute, die sind wie ich: gebildet, weltgewandt und skeptisch".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2020

Schlüssellochblick auf die britische Oberschicht

Der Elfenbein Verlag wagt sich nach dem Erfolg von Anthony Powell an die Übersetzung eines anderen vielbändigen englischen Romanzyklus: Simon Ravens "Almosen fürs Vergessen". Der erste Teil ist gleich ein Höhepunkt der Serie.

Als Somerset Lloyd-James, Chefredakteur des renommierten Wirtschaftsmagazins "Strix", eines Frühlingsvormittags in seinem Londoner Büro eintrifft, begrüßt ihn die Sekretärin mit der Ankündigung, ein Gentleman erwarte ihn. "Ein Gentleman?", fragt Lloyd-James. "Ich benutze den Begriff mit Bedacht", antwortet die Sekretärin: "Er ist seit halb zehn hier und behauptet, ein alter Freund von Ihnen zu sein." "Name?" "Major Gray. Schon außer Dienst, schätze ich." "De profundis", lautet darauf die Reaktion von Lloyd-James, und dieser Stoßseufzer ist geistreich, denn nicht nur zitiert er den lateinischen Beginn des Satzes "Aus der Tiefe, Herr, rief ich zu Dir" aus Psalm 130, womit der weite Abstand angedeutet wird, den Lloyd-James zwischen sich und dem Major empfindet, sondern auch - und für ein literarisch gebildetes Publikum wohl mehr noch - den Titel des gleichnamigen Briefs von Oscar Wilde, mit dem dieser als verurteilter Homosexueller im Zuchthaus Rechenschaft über sein Leben ablegte.

Der kurze Dialog findet sich in Simon Ravens Roman "Friends in Low Places", und dank des Anspielungsreichtums von Lloyd-James' Schlussbemerkung wissen die Leser schon einiges über diesen Major Gray, obwohl er erst kurz danach zum ersten Mal persönlich die Raven'sche Romanwelt betreten wird - vor allem ahnen sie, dass Gray eine heikle homosexuelle Vergangenheit hat. Die wird in aller Breite erst in einem anderen Buch geschildert, das 1967, zwei Jahre nach "Friends in Low Places", erscheinen sollte, obwohl seine Handlung anderthalb Jahrzehnte früher angesiedelt ist. Es trägt als Titel den Namen seiner Hauptfigur: "Fielding Gray". In deutscher Übersetzung erscheint es nun vor "Friends in Low Places" (das als "Gute Beziehungen nach unten" erst für 2022 angekündigt ist), und das hat einen guten Grund: "Fielding Gray" ist, handlungschronologisch gesehen, der erste Teil von Ravens zehnbändigem Romanzyklus "Alms for Oblivion" - "Almosen fürs Vergessen", wie er nun auf Deutsch heißt.

In unserer Sprache war bisher noch gar nichts von dem sehr produktiven englischen Schriftsteller Simon Raven (1927 bis 2001) erschienen - bestenfalls kennt man ihn hierzulande als einen Drehbuchautor für den James-Bond-Film "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" von 1969, der aber floppte, weil der Hauptdarsteller George Lazenby nach dem die Rolle prägenden Sean Connery das Kinopublikum nicht überzeugte. Das war auch Pech für Raven, dessen ausschweifender Lebensstil ständigen Geldzufluss brauchte. Immerhin zahlte ihm sein Verleger Anthony Blond seit 1958 dreißig Jahre lang ein monatliches Fixum und ermöglichte Raven damit die Abfassung von mehr als zwanzig Romane - auch dadurch, dass Blonds Bedingungen für die Zahlungen außer dem Schreiben die Selbstverpflichtung des Autors umfassten, sich von London und somit dessen Kneipen und Bordellen fernzuhalten.

Dass es nun auf Deutsch gleich mit der monumentale "Almosen"-Serie losgeht, liegt am Verlag: Mit der 2018 abgeschlossenen Übersetzung von Anthony Powells sogar zwölfbändigem Romanzyklus "Tanz zur Musik der Zeit" hatte der kleine Elfenbein Verlag aus Berlin einen für seine Verhältnisse riesigen Erfolg. Was lag da näher, als ein ähnliches Nachfolgeprojekt zu suchen? Zumal eines, das Powell selbst geschätzt haben soll, obwohl es seinem eigenen, älteren Opus magnum recht ähnlich ist: In beiden Zyklen werden die Lebenswege eines seit der Internatszeit miteinander verbundenen Freundes- und Feindeskreises verfolgt. Dadurch entsteht jeweils ein englisches Gesellschaftsporträt, das bei Raven allerdings "nur" die drei Nachkriegsjahrzehnte umfasst, während Powell über mehr als das halbe zwanzigste Jahrhundert hinweg erzählt. Da sich beider Handlungszeiträume und die sozialen Stellungen ihrer Oberschichtfiguren aber überschneiden, ist der Vergleich besonders interessant.

Sabine Franke hat sich vor einem Jahr aufgemacht, die Herkulesaufgabe der Übersetzung von mehr als zweitausend Seiten "Alms for Oblivion" zu leisten; bis Ende 2024 sollen alle zehn Bände auf Deutsch publiziert sein. Bei der Ausstattung setzt Elfenbein aufs bei Powell bewährte Prinzip von nostalgischen, farbenprächtig bedruckten Pappeinbänden, diesmal allerdings nicht mit rein geometrischen Mustern, sondern charakteristisch-stimmungsvollen Handlungsszenen, so im Falle von "Fielding Gray" ein junger Cricket-Spieler vor neogotischer Internatskulisse. Das dürfte anglophile Leser unweigerlich hinein in die Lektüre ziehen, und dass es sich bei dem Ich-Erzähler um eine eher abstoßende Figur handelt, werden sie erst im Laufe der Lektüre merken. Dann blieben sie hoffentlich dabei, denn gerade dieser Dreh macht Rang und Reiz des Buchs aus.

Raven, der in seinem Heimatland nicht eben berühmt für subtile Charakterschilderungen ist, vollbringt in "Fielding Gray" ein kleines Meisterstück. Seinem Publikum war 1967 bei Erscheinen des Romans klar, dass die Titelfigur autobiographische Züge trägt - zu berüchtigt war der Ruf des Autors, den seine Schule 1945 wegen homosexueller Handlungen relegiert und dessen Karriere als britischer Berufssoldat mit einer Entlassung wegen "unangemessenen Verhaltens" geendet hatte. Mit dem ebenfalls 1927 geborenen Fielding Gray erschuf Raven sich ein Alter Ego, das für Londoner literarische Kreise ebenso leicht wiederzuerkennen war wie andere Figuren in "Almosen fürs Vergessen". So ist etwa Somerset Lloyd-James nach dem Vorbild des Herausgebers der "Times", William Rees-Mogg (dem Vater des heutigen konservativen leader of the house of commons), gestaltet, was dank der überdeutlichen Namens- und Berufsähnlichkeit leicht zu entschlüsseln war.

Diese Schlüssellochperspektive auf die heimische upper class und deren amouröses und professionelles Treiben machte den Reiz von "Alms for Oblivion" fürs britische Publikum der sechziger und siebziger Jahre aus - der Abschlussband des Zyklus, auch handlungstechnisch dessen letzter Teil, erschien 1976. Heutigen deutschen Lesern jedoch fehlt das Wissen um die Realitäten hinter dem Geschehen, ein Anmerkungsteil wiederum hätte den Verlag überfordert - und wohl auch die Geduld der Leser, die schon beim noch anspielungsreicheren Powell eher das wohlige Schmökergefühl geschätzt haben, das bei der Lektüre eines nun historisch gewordenen Zeitbilds entsteht.

Das bietet auch "Almosen fürs Vergessen" zur Genüge, zumal sich die von Sabine Franke gewählte Sprache flüssig liest. Der deutsche Text bemüht sich nicht um zeitgenössisch-begriffliche Akkuratesse, sondern um die Heraufbeschwörung einer Zeitstimmung sozialer Trennung - ganz gemäß Fielding Grays Feststellung im Roman, als er sich bewusst wird, "dass dies das erste Mal in meinem Leben war, dass ich ein Gespräch mit einem Mitglied der Unterschicht führte, das nicht bloß zu einem administrativen Zweck bestimmt war". Britische Blasiertheit kann Sabine Franke exzellent zum Ausdruck bringen.

"Fielding Gray" ist allerdings insofern eine gewagte Wahl als Auftaktband, als seine Form sich von den anderen Teile des Zyklus unterscheidet. Hier tritt ein Ich-Erzähler auf, und auch die vielen eingeschobenen Briefe und eine Rahmenfiktion künden von den während der Arbeit am Großwerk gewachsenen Ambitionen von Raven; anders als Powell war er um formalen Abwechslungsreichtum bemüht. Die englischen Ausgaben behalten deshalb auch in den jüngeren Sammelbänden die Anordnung nach Publikationsreihenfolge der einzelnen Teile bei, während die deutsche Edition nun streng inhaltlich vorgeht. Dadurch wird die ästhetische Entwicklung des Schriftstellers Raven unsichtbar und womöglich durch "Fielding Gray" eine Erwartungshaltung geweckt, die die weiteren, eher konventionellen Bände enttäuschen könnten.

Allein schon die Überraschung, schließlich doch noch von Grays moralischem Versagen zu erfahren oder von der Charakterschwäche seines Rivalen Lloyd-James, dürfte "Fielding Gray" für englische Leser des Zyklus zu einem Binnenhöhepunkt machen, während das deutsche Publikum von diesen Gipfeln nun erst einmal wieder hinab muss. Wobei in den Folgebänden ("Die Säbelschwadron", "Blast nun zum Rückzug" und "Die Reichen zahlen spät", bis dann mit "Gute Beziehungen nach unten" das Ende der fünfziger Jahre und damit die Hälfte des Handlungszeitraums erreicht sein wird) äußerlich viel mehr geschieht als in "Fielding Gray". Aber eine vergleichbare psychologische Faszination wie für dieses im wörtlichen Sinne enfant terrible bieten die späteren Bände nicht. Hier jedoch hält Simon Raven den Vergleich mit Anthony Powell aus, hier hat er alles in einen Einzelband gepackt, worüber er literarisch verfügte - wohl gerade, weil ihm dessen Hauptfigur so nahe stand. Vergleichbare Bosheit auch sich selbst gegenüber sollte sein Schreiben nur noch einmal erreichen: auf dem eigenen Grabstein. Für ihn verfasste der notorische Alkoholiker und Sex-Maniac Raven die Inschrift: "Er teilte seine Flasche - und, als er noch jung und appetitlich war, auch das Bett."

ANDREAS PLATTHAUS.

Simon Raven: "Fielding Gray". Roman. Almosen fürs Vergessen, Band 1.

Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Sabine Franke. Elfenbein Verlag, Berlin 2020. 263 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Peter Praschl macht eine Entdeckung mit Simon Ravens Roman von 1967. Die Hemmungslosigkeit und der lesbare, klare Stil, mit dem der Autor "kurzweilig" von den Sitten und Gebräuchen der britischen Upperclass erzählt, von Konformismus, Geldgier, Doppelmoral und fadenscheiniger Bürgerlichkeit, überraschen Praschl und nehmen ihn ein für das Buch. Dass Raven bisher nie ins Deusche übersetzt wurde, scheint ihm unerhört. Umso dankbarer zeigt er sich angesichts des auf mehrere Bände angelegten Raven-Projekts im Elfenbein Verlag. Guter Stoff für eine neue Netflix-Serie, glaubt Praschl.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.07.2020

Kalte Blicke,
gebildetes Gefühl
Eine Entdeckung: Simon Ravens Romanzyklus
„Almosen fürs Vergessen“ startet glanzvoll
VON GUSTAV SEIBT
England im Frühsommer 1945: Man hat überlebt, man hat gesiegt, nur im japanischen Krieg wird noch gekämpft. Eine Schule gedenkt ihrer Toten, der Prediger mahnt schon zur Milde gegenüber den besiegten Deutschen. Die Liste der Gefallenen und Verstorbenen ist individualisiert genug, um Erbarmen für das hingemähte junge Leben zu erwecken. Doch die Trauer vermengt sich sogleich mit der Erbarmungslosigkeit sozialer Beobachtung: Die Toten waren als Lebende Teil einer Klassengesellschaft, sie waren keineswegs gleichermaßen distinguiert, heroisch, vielversprechend. Der kalte Blick, der darauf fällt, gehört dem Ich-Erzähler, dem brillanten und attraktiven Schüler Fielding Gray. Er hat noch ein Jahr vor sich, aber ihm winkt schon ein Stipendium in Cambridge, für Altphilologie.
Er sieht ein erfreuliches Leben voller Erfolge und Genuss vor sich: „Wenn ich durch glückliche Fügung für die annehmlichen Innenhöfe von Lancaster bestimmt war und nicht für die in Ruinen liegenden Straßenzüge von Berlin, dann sah ich keinen Sinn darin, mich schlecht zu fühlen.“ Ein Buch, das so sieghaft beginnt, kann nur in einer Desillusionierung enden. Das tut der Roman um Fielding Gray – die Namensgleichheit mit Oscar Wildes Dorian Gray ist beabsichtigt – auf eine bis in die letzten Seiten überraschende Weise. Wobei sich die Überraschungen, die natürlich kein loyaler Rezensent verraten darf, gar nicht nur auf der Ebene der Handlung, des Plots, ereignen, sondern in einem Blickwechsel, der ähnlich schockhaft eintritt wie am Schluss von Flauberts „Éducation sentimentale“.
„Fielding Gray“ ist Teil eines zehnbändigen Romanzyklus, den sein Autor Simon Raven unter den bezwingenden Titel „Almosen fürs Vergessen“ gestellt hat und der zwischen 1964 bis 1976 erschien. Die ausgezeichnete Übersetzung, die der Elfenbein-Verlag jetzt gestartet hat, beginnt mit dem chronologisch frühesten Abschnitt des Zyklus, nicht mit dem zuerst erschienenen Band. Diese Entscheidung ist klug, weil der Verfasser sich in dem Buch auch selbst vorstellt.
Simon Raven, der von 1927 bis 2001 lebte, muss viele Züge seines verwegenen Helden getragen haben; wir lesen von provozierender Homosexualität, von Wettschulden, von einem Altphilologie-Studium, vom Dienst in der Armee, bevor eine Schriftstellerkarriere zu Ruhm und Lebensunterhalt führte. Der Verlag kündigt den Zyklus an als Parallelaktion zu Anthony Powells „Ein Tanz zur Musik der Zeit“, seinen übersetzerischen Großerfolg der letzten Jahre: gesteigerte Britishness im Durchgang durchs späte zwanzigste Jahrhundert. Ja! Der Auftakt verspricht viel, vielleicht nicht ganz Powells mehrfach lasiertes Hintergrundglühen, aber doch ziemlich unendlichen Spaß.
Denn der stolze Gray, der zwar weiß, was er werden will, aber doch nicht sagen kann, worum es ihm geht („Das kann man noch nicht wissen“), muss sich durch einen Dschungel von Liebeswirren, College- und Familienintrigen kämpfen, um am Ende – doch das sei hier verschwiegen. Gesellschaftlich gehört er der oberen Mittelschicht an, die weder mit Griechisch und Latein noch mit Homosexualität, Grays zweiter Leidenschaft, viel anfangen kann. Campus-Liberalität winkt nur von Ferne, die Klassenlage bleibt puritanisch-verlogen. Erpressung wegen sexueller Devianz ist ein Hauptmotor des Geschehens.
Fieldings Eltern, deren autoritäre Engstirnigkeit erstickend gezeichnet wird, wollen den Sohn in einer indischen Teefirma unterbringen (noch ist Indien nicht unabhängig). Warum eigentlich, wenn akademischer Erfolg doch fast sicher erscheint? Sie ertragen es nicht, dass jemand Geld mit einem Beruf verdient, der ihn erfüllt: „Ihre Empörung rührt von einem aufrichtigen moralischen Empfinden her: Sie gleicht dem Ressentiment, das eine Frau in der Ödnis ihrer Ehe angesichts des Erfolgs einer berühmten Kurtisane empfindet.“
Doch nicht nur spitzzüngig ist der voltenreiche Roman, sondern voller gebildeten Gefühls. Fieldings erste Liebe ist ein Mitschüler, den er so schön findet, dass er sich ihn wie in der „Ode auf eine griechischen Urne“ von John Keats verewigt wünscht. Über diese Geschichte, den Glutkern des Romans, der ihn über die Kälte der Beobachtung, den Witz, die Demontage des Ich-Erzählers hinausführt, darf man vorwegnehmend nicht sprechen. Gray ist am Ende ein anderer, verblüfft stellt er in einem Moment sogar fest, dass er gerade sein erstes Gespräch mit einem Menschen der Unterschicht geführt hat – eine Erfahrung, ähnlich buchenswert wie der erste Sex. Die Übersetzerin und der Verlag mögen nun die ausstehenden Bände rasch liefern, damit wir die Spur des großartigen Schriftstellers Simon Raven nicht mehr verlieren.
Simon Raven: Fielding Gray (Almosen fürs Vergessen). Aus dem Englischen von Sabina Franke. Elfenbein Verlag, Berlin 2020. 262 Seiten, 22 Euro.
Der stolze Gray weiß, was er
werden will, kann aber nicht
sagen, worum es ihm geht
Altphilologie und Cricket: Simon Ravens Internat.
Foto: mauritius images / Alamy
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