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Die wahre Geschichte einer unglaublichen Fälschung im sizilianischen Palermo zu Ende des 18. Jahrhunderts.
Das ägyptische Konzil entwirft lakonisch, amüsant und ironisch eine raffinierte Allegorie um Macht, Betrug und Verrat. Während der Adel bei galanten Festen und Spielen die Ständegesellschaft verteidigt, träumen junge Liberale von der Aufklärung nach französischem Vorbild. Don Giuseppe Vella, Maltesermönch, nutzt die Gunst der historischen Stunde am Hof des Vizekönigs zum »großen Betrug«. Des Arabischen zwar kaum mächtig, gibt er eine Biographie des Propheten gleichwohl als Kodex aus,…mehr

Produktbeschreibung
Die wahre Geschichte einer unglaublichen Fälschung im sizilianischen Palermo zu Ende des 18. Jahrhunderts.

Das ägyptische Konzil entwirft lakonisch, amüsant und ironisch eine raffinierte Allegorie um Macht, Betrug und Verrat. Während der Adel bei galanten Festen und Spielen die Ständegesellschaft verteidigt, träumen junge Liberale von der Aufklärung nach französischem Vorbild. Don Giuseppe Vella, Maltesermönch, nutzt die Gunst der historischen Stunde am Hof des Vizekönigs zum »großen Betrug«. Des Arabischen zwar kaum mächtig, gibt er eine Biographie des Propheten gleichwohl als Kodex aus, der die feudalen Privilegien des sizilianischen Adels festschreibt. Dafür mit Luxus belohnt, zum Abate und zum Arabisten an der Universität aufgestiegen, erfindet er nun eine neue Sammlung: Das ägyptische Konzil. Er fälscht Dokumente in einem Pseudoarabisch, für dessen Übersetzung ins Sizilianische sich nun alle interessieren, der König, der Klerus, der Adel - es geht um ihre Macht. Es ist ein kolossaler Betrug, der Abate Vella gefährlich wird und Sizilien ins politisch-religiöse Chaos stürzt.

Leonardo Sciascia, ein Klassiker der italienischen Literatur, wurde 1921 auf Sizilien geboren und war Volksschullehrer, bevor er sich dem Schreiben und der Politik zuwendete - im Stadtrat von Palermo und als Abgeordneter des Europäischen und des italienischen Parlaments. Schnell wurde er zu einer der markantesten literarischen Stimmen. Der Tag der Eule (1961) und Verfilmungen seiner Bücher machten ihn weltbekannt. 1989 starb er in Palermo.
Autorenporträt
Leonardo Sciascia, geboren 1921 in Racalmuto/Sizilien, gestorben 1989 in Palermo, arbeitete nach seinem Studium der Literatur bis 1957 als Volksschullehrer. Etliche von Sciascias vielfach preisgekrönten Romanen wurden mit großem Erfolg verfilmt. Werkauswahl: Der Tag der Eule (1961, dt. 1964; AtV 2000), Der Abbé als Fälscher (1963, dt. 1967), Jedem das Seine (1966, dt. 1968 unter dem Titel Tote auf Bestellung; AtV 2001), Der Zusammenhang. Eine Parodie (1971; dt. 1974 unter dem Titel Tote Richter reden nicht), Der Ritter und der Tod/Ein einfacher Fall (1988, dt. 1990) sowie etliche Erzählungen und Essays.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Oliver Jungen mag Leonardo Sciascia, der sich Siziliens Geschichte gleichermaßen als Schriftsteller und kommunistischer Politiker eingeschrieben hat, und deswegen liest er auch seinen neu übersetzten Roman aus dem Jahr 1963 mit Wohlwollen und Vergnügen. "Das ägyptische Konzil" erzählt von einem Maltesermönch, der sich am Ende des achtzehnten Jahrhunderts als genialer Fälscher dem Vizekönig von Neapel andient, indem er normannische Schriften erfindet, die der Krone die Herrschaft über Sizilien verheißt, nicht den Baronen. Scharfsinnig und vergnüglich findet Jungen diese Parabel, solange Sciascia mit Lakonie und Leichtigkeit die Korruption des sizilianischen Adels vorführt, der bei ihm eher dekadent als bösartig erscheint. Wenn er am Ende seine Botschaft zu direkt verbreitet, dann rutscht die "verrückte Improvisation" in den Augen des Rezensenten zu sehr in die "engagierte Agitation".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2016

Alles für die Krone, nichts für die Barone
Die Eitelkeit des Fälschers: Leonardo Sciascias Roman "Das ägyptische Konzil" lässt einen perfekten Plan scheitern

Dass Geschichtsschreibung immer auch mit Deutungsmacht zu tun hat, mit Herrschaftsdiskursen und hegemonialen Narrativen, gilt heute als Gemeinplatz, war aber Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine der heißesten Thesen in der Kulturphilosophie. Es lag nahe, in einem Geistlichen, der sich zwei Jahrhunderte zuvor als ebenso dreister wie feinsinniger Dokumentenfälscher betätigt hat, einen Helden ganz eigener Prägung zu sehen, einen Agenten des "Gegenbetrugs". Auch wenn der Maltesermönch Don Giuseppe Vella aus den eigensinnigsten Gründen in die Historiographie Siziliens, das damals zum Bourbonen-Königreich Neapel gehörte, eingegriffen haben mag, hält er doch einer ganzen Zunft von Wahrheitsproduzenten den Spiegel vor.

Leonardo Sciascias historischer Roman "Das ägyptische Konzil", erschienen erstmals 1963 und nun in Neuübersetzung wieder zugänglich, vereint die Klarheit einer Parabel mit dem Witz der Satire, der Frechheit eines Schelmenromans und der Inbrunst eines politischen Manifests. Der ausgewiesene Kenner der sizilianischen Geschichte Sciascia (1921 bis 1989), hierzulande vielleicht eher für seine Krimis bekannt, vertieft sich dabei in die kurze aufklärerische Epoche der Insel am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, als mit Domenico Caracciolo ein Kosmopolit zum Machthaber (Vizekönig) erhoben wurde. Caracciolo hatte zuvor in Paris geweilt und neigte modernen Staatsideen zu.

Dass die an umfangreiche Vorrechte gewöhnten Inselbarone angesichts seiner straffen Reformpolitik - Privilegien, Titel und das Inquisitionsgericht wurden abgeschafft, neue Steuern eingeführt - aus allen Wolken fielen, wird im Roman mit Humor aufgespießt. Die Szenen, in denen wir die sizilianische Nobilität in ihren Salongesprächen belauschen, gehören zu den unterhaltsamsten des Buches, auch weil der Autor trotz seiner zeitweise kommunistischen Anwandlungen die Oberklasse eher als dekadent und vergnügungssüchtig denn als bösartig skizziert. Sciascia lässt freilich keinen Zweifel daran, dass die lange Rückständigkeit Siziliens auf der Korruption der Eliten beruht.

Der Roman kreist wie eine Ellipse um zwei Brennpunkte, zwei kontrapunktisch angelegte Hauptfiguren. Die erste ist der erwähnte, weitgehend moralfreie Maltesermönch Vella. Wegen seiner rudimentären Arabischkenntnisse wird er als Übersetzer herangezogen, als der nicht des Französischen oder Neapolitanischen mächtige Botschafter Marokkos einen arabischen Kodex im Kloster San Martino in Augenschein nimmt und sofort als gewöhnliche Propheten-Vita erkennt. Vella freilich "dolmetscht", es handele sich um eine wertvolle Sammlung von "Regierungsangelegenheiten". So überträgt man dem Geistlichen die Übersetzung. Mit genealogischer Akribie und viel Phantasie entsteht nun das "Sizilianische Konzil", das vielen Fürstenhäusern schmeichelt, weil es ihre Rolle bei der normannischen Eroberung Siziliens hervorhebt.

Angestachelt vom Erfolg dieser Unternehmung, plant Vella schon bald "ein Werk, das seinem Wesen, den Zeitumständen und der Weltgeschichte von größerem Nutzen wäre". Er gibt vor, in einem alten arabischen Kodex auf Briefe der Normannenkönige selbst gestoßen zu sein, dank deren die Verhältnisse "in einer ganz anderen Ordnung dastünden: alles der Königskrone, nichts den Baronen!" Der Fälscher, auf Ruhm und Reichtum aus, kalkuliert richtig, dass dies dem Vizekönig gefallen dürfte. Aber es erfreut Vella auch, wie sehr die Hochadligen das Entsetzen packt: "Er gehörte zu der Sorte Mann, der es nicht genug ist, mit Respekt behandelt, mit Ehren bedacht und verwöhnt zu werden. Er wollte zu denen gehören, die den Menschen in ihrer Umgebung Furcht einflößten."

Die um ihre angestammten Feudalrechte fürchtenden Barone, plötzlich allesamt Förderer der Wissenschaft, überhäufen Vella mit Käse, Leckereien und Goldmünzen. Sie gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass sich die Historiographie - auch die schon abgeschlossene - in die eine oder andere Richtung lenken lässt. Damit nobilitieren sie ironischerweise Vellas Betrug. Immer wieder werden zwar Zweifel an den Kenntnissen des Übersetzers laut, doch die Nutznießer der neuen Dokumente halten ihre schützende Hand darüber. Sogar eine öffentliche Prüfung durch einen Orientalisten übersteht Vella, weil er, inzwischen eine Autorität und Abt genannt, die Gegenseite als unwissend diskreditieren kann. Die Wahrheit ist ein Pokerspiel.

Nur einen Faktor hatte Vella nicht berücksichtigt: die eigene Eitelkeit. Schließlich gewinnt der Wunsch, als Literat und genialer Fälscher anerkannt zu sein ("Ein viel größeres Verdienst sei es, die Geschichte neu zu erfinden, anstatt sie von alten Dokumenten zu übernehmen"), sosehr die Oberhand, dass er selbst seinen Betrug bekanntmacht. Hier erreicht auch Sciascias Ironie ihren Höhepunkt. Mit Genuss porträtiert er die Verbiegungen der Zeitgenossen, die ihre eigene Verstrickung nur dadurch herunterzuspielen wissen, dass sie den Abt mit einer milden Strafe davonkommen lassen. Ganz anders sieht das aus bei der zweiten, mit Vella in gegenseitigem Respekt verbundenen Hauptfigur, dem Rechtsgelehrten Di Blasi, der - auf andere Weise in den Geschichtsverlauf eingreifen wollend - einen jakobinischen Aufstand angezettelt hat.

Das Martyrium Di Blasis dominiert das letzte Drittel des Romans. Leider verliert die Geschichte dabei kräftig an Schwung. Die lässig lakonische Leichtigkeit, mit der das Schelmenstück Vellas erzählt wurde, opfert Sciascia der temperamentvollen Botschaft. Er lässt den Revoluzzer nicht nur ohne jedes Augenzwinkern revolutionäre Reden schwingen und aufrecht in den Tod gehen, sondern auch leicht schulmeisterlich die allzu direkte Deutung der Handlung vornehmen: "Der Abate Vella hat kein Verbrechen begangen, er hat schlicht durch die Umkehrung der Vorzeichen die Parodie eines Verbrechens zuwege gebracht, eines Verbrechens, das in Sizilien seit Jahrhunderten begangen wird."

So endet das Buch, das als schön verrückte Improvisation über den Umstand, dass auch Klio dichtet, begonnen hat, leider doch noch in der engagierten Agitation. Als Allegorie über die Intrigen der Mächtigen aber hat der Roman, dem in dieser edlen Edition noch ein kleiner Essay Sciascias und außerdem ein informatives Nachwort von Maike Albath beigegeben sind, seither nichts an Aktualität eingebüßt.

OLIVER JUNGEN

Leonardo Sciascia: "Das ägyptische Konzil". Roman.

Aus dem Italienischen von Monika Lustig. Die Andere Bibliothek, Berlin 2016. 372 S., geb., 42,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Leonardo Sciascias historischer Roman (....) vereint die Klarheit einer Parabel mit dem Witz der Satire, der Frechheit eines Schelmenromas und der Inbrunst eines politischen Manifests." Oliver Jungen Frankfurter Allgemeine Zeitung 20161101