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Eine Großmeisterin der kleinen Form
Mondschein und Nachtigallengesang waren ihr verhasst - zumindest in der Literatur. Ganz im Sinne der beginnenden Moderne entwickelte Katherine Mansfield ihren eigenen, nüchtern-objektiven Erzählstil, der ihr dichterischen Weltruhm einbrachte. "Rosabels Tagtraum", eine exklusive Auswahl aus ihrem Gesamtwerk, lädt ein, die Meisterin der kleinen Form wiederzuentdecken.
Es war der kurze, oft alles entscheidende Lebensmoment, der sie faszinierte. Ganz bewusst konzentrierte sich Katherine Mansfield auf die detaillierte Beschreibung des Augenblicks: Die junge
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Produktbeschreibung
Eine Großmeisterin der kleinen Form

Mondschein und Nachtigallengesang waren ihr verhasst - zumindest in der Literatur. Ganz im Sinne der beginnenden Moderne entwickelte Katherine Mansfield ihren eigenen, nüchtern-objektiven Erzählstil, der ihr dichterischen Weltruhm einbrachte. "Rosabels Tagtraum", eine exklusive Auswahl aus ihrem Gesamtwerk, lädt ein, die Meisterin der kleinen Form wiederzuentdecken.

Es war der kurze, oft alles entscheidende Lebensmoment, der sie faszinierte. Ganz bewusst konzentrierte sich Katherine Mansfield auf die detaillierte Beschreibung des Augenblicks: Die junge Hutverkäuferin, die am Fenster sitzend von Pelzmänteln und Sportcoupés träumt. Der Schock zweier ehemals Verliebter, als sie sich nach Jahren zufällig wiederbegegnen. Der Moment, in dem die Ehefrau begreift, dass ihr Mann die Hand ihrer Freundin um eine Sekunde zu lang gehalten hat. Wie kaum einer anderen Autorin gelang es Katherine Mansfield, stets jenen Zeitpunkt einzufangen, der die ganze Wahrheit offenbart. Mit ihren Erzählungen schuf sie eine moderne Form der englischen Kurzgeschichte und gleichzeitig ein Werk, das dank seiner psychologischen Raffinesse bis heute nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat.

Die eindrucksvollsten Erzählungen aus Katherine Mansfields Gesamtwerk

Inhalt:

Rosabels Tagtraum (1908); Die Gartenparty (1921); Die Seereise (1921); Die Frau von der Theke (1911); Psychologie (1918); Frühlingsbilder (1915); Die Fliege (1922); Glück (1918); Eine Gewürzgurke (um 1918); Der Fremde (1920); Miss Brill (1920); Sixpence (1921); Eine ideale Familie (1921); In der Bucht (1921); Über Pat (1905); Das Puppenhaus (1921); Die schwarze Mütze (1917); Der Kanarienvogel (1922)
Autorenporträt
Katherine Mansfield (1888-1923), aufgewachsen in der Kolonialwelt Neuseelands zwischen Maori-Bräuchen und Cellospiel, beginnt schon im Mädchenalter zu schreiben, entflieht, kaum volljährig, ihrer Familie nach London, wird schwanger, erleidet in Bad Wörishofen eine Fehlgeburt, wird zum Star der jungen Literaturszene und stirbt mit nur 34 Jahren in Fontainebleau. Ihr schmales Werk zählt zur modernen Weltliteratur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2009

Der Tod steht ihm gut

Müdigkeit als Fluchtimpuls: Katherine Mansfields meisterliche Erzählungen zeugen von der mühsam eingedämmten Wandelbarkeit aller Dinge und von der ziellosen Sehnsucht nach einem großen Umsturz.

Rosabels Tagtraum" heißt die Titelgeschichte dieses Erzählbands von Katherine Mansfield, den Manesse zum Glück wiederaufgelegt hat. Darin geht es um eine Hutverkäuferin, die ihr Abendessen halbiert, um sich einen Veilchenstrauß zu leisten. Unter ihren Kunden war an diesem Tag ein wählerisches Paar, das erst zufrieden ist, als Rosabel das neueste Hutmodell hervorzaubert. Auf Wunsch der Dame setzt die Verkäuferin es sich zunächst selbst auf. ",Oh, Harry, ist er nicht bezaubernd?' rief das Fräulein. ,Ich muss ihn haben!' Wieder lächelte sie Rosabel zu. ,Er steht ihnen prächtig.'" Die kleine Szene fängt den sorglosen Sadismus ein, durch den die besseren Schichten sich bei Mansfield behaupten.

Doch die Opfer haben besondere Mittel, um Kränkungen zu kompensieren. Als habe der Hut sie auf märchenhafte Weise verwandelt, bedenkt Harry Rosabel an der Kasse mit einem anzüglichen Kompliment. In ihrer Dachwohnung versinkt die Verkäuferin in einer wollüstigen Phantasie, worin sie und Harry die Hauptrollen spielen. Umstandslos nimmt sie die Stelle seiner Verlobten ein: Champagner fließt, es regnet Seidenroben und Veilchensträuße; dass Rosabels Nachthemd rauh und ihre Decke voller Löcher ist, kann daran nicht das Geringste ändern.

Harry taucht später in völlig anderem Kontext wieder auf, denn Mansfields Geschichten lassen sich wie Puzzlestücke kombinieren. Der Leser hat seinen windigen Charakter bald gründlich durchschaut, doch das kann Rosabels Illusionen kaum entwerten. Im Gegenteil, denn wir sehen, dass sie in Wirklichkeit nichts verpasst.

In "Der Fremde" kommt eine Ehefrau von einer Überseereise heim und wird von ihrem Gatten ungeduldig erwartet. Als er sie am Kai begrüßt, ist sie seltsam kühl und verändert. Den ersten Abend verbringen sie in einem Hotel. Der Kuss, den er ihr abnötigt, hat die Förmlichkeit eines vertraglichen Ritus. Und plötzlich fühlt sich der Ehemann "furchtbar müde". Doch auch wenn Mansfields febrile Geschichten nach Fin-de-Siècle-Art reich an Düften, Farben und Lichteffekten sind, ist die Müdigkeit bei ihr nicht von der dekadenten Sorte. Eher gleicht sie einem vitalistischen Fluchtimpuls, der die Figuren befällt, wenn sich ihrem Lebenshunger ein übermächtiges Hindernis in den Weg stellt. Die stärkste Müdigkeit ist der Tod, und als solcher gewinnt sie überwältigende Macht. Die heimkehrende Ehefrau hatte sich auf dem Schiff in einen anderen Mann verliebt, und als sie ihrem Gatten vom Tod des Fremden kurz vor der Ankunft im Hafen erzählt, weiß er, dass er nie mehr allein mit ihr sein wird.

Laura, die im Zentrum der "Gartenparty" steht, ist fast noch ein Kind, das die Festvorbereitung mit einem Butterbrot in der Hand atemlos verfolgt. Von der Köchin erfährt sie, dass im Dorf ein junger Mann bei einem Pferdeunfall tödlich verunglückt ist. Mit einem durch junge Handwerker, glühende Lilien und tanzende Sonnenpunkte gleichermaßen beeindruckbarem Gemüt fordert Laura ihre Mutter auf, die Party abzusagen. Die hat dafür keinen Sinn, kommt später aber auf die "glänzende Idee", ihre Tochter mit den kulinarischen Partyüberbleibseln ins Trauerhaus zu schicken. ",Nein, warte', sagt sie, ,nimm auch die Aronlilien mit! Leute dieser Schicht sind so beeindruckt von weißen Lilien.'" Ehe sie sich versieht, steht Laura am Bett des Toten, betroffen von seiner Schönheit: "Es ist alles gut, sagte dieses schlafende Gesicht. Es ist so, wie es sein sollte. Ich bin zufrieden."

Der Tod löscht die sozialen Hässlichkeiten aus; er macht ein Ende mit dem Schaulaufen der Hüte. Mansfields Erzählungen sind hinter den Kulissen einer englischen Gesellschaft angesiedelt, die dem Viktorianismus nur abschwört, um dem modernen Konkurrenzkalkül in die Arme zu fallen. Immer wieder geht es um Paare, die nicht zueinanderfinden, weil im förmlichen Diskurs für impulsive Wünsche kein Platz ist. Eine Künstlerin und ihr Atelierbesucher diskutieren psychologische Fragen, statt die eigene Psyche zum Klingen zu bringen: "Wieder waren sie - zwei Jäger über ihre Feuerstelle gebeugt, die plötzlich von jenseits des Dschungels einen Windstoß hören und einen lauten, fragenden Schrei ..." Wo Weltanschauungen den Strom des Begehrens stauen, breiten sich Stimmungen aus. Die Natur wird zum Ersatzobjekt für einsame Seelen, die nur beim Bad im Meer, in Parks und Gärten, des Nachts und in frühen Morgenstunden den großen Atem der Dinge spüren, aus dem menschlicher Verkehr sie schnell wieder vertreibt.

Miss Brill ist eine Glücksvirtuosin, die schon das Anlegen ihres Hermelinkragens in stille Ekstase versetzt. Auf einer Parkbank sieht sie wohlig erregt dem öffentlichen Treiben zu und empfindet sich dabei als Teil eines Bühnengeschehens, das sich jeden Sonntag wiederholt. Doch dann ist sie einem Liebespaar im Weg, das sich lauthals über die "dämliche Alte" im Pelz amüsiert, der "wie ein gebackener Weißfisch" aussieht. Und plötzlich hat Miss Brill keinen Platz mehr im großen Theater; den Hermelin sieht sie nicht einmal an, als sie ihn zurück in die Schachtel stopft.

Dabei stehen Tiere im heimlichen Zentrum der Mansfieldschen Prosa. Ihre Protagonisten spüren, wie das Tier in ihnen erwacht, wenn die Sinnlichkeit für einen Augenblick den Sieg davonzutragen scheint. Sie sind immer da, wenn etwas Elementares vor sich geht, als Hund, der Lauras Weg zum Trauerhaus kreuzt, in Gestalt des Frühlings, der seriöse alte Herren atemlos wie ein Hund anspringt, und in Metaphern versteckt, wenn der Ehemann am Kai die wartende Menge wie ein nervöser Hirtenhund umkreist. Vergleiche dieser Art sind bei der gebürtigen Neuseeländerin, die Anfang 1923 fünfunddreißigjährig verstarb, keine leeren Stilkunststücke: Wenn das Poetische überhandnimmt, der Sonnenfleck zur Münze, die Spinne zur Stachelbeere und die Nelke zum Nadelkissen wird, dann deutet sich die mühsam eingedämmte Wandelbarkeit aller Dinge an, und man ahnt die ziellose Sehnsucht nach einem großen Umsturz.

Mansfields Welt ist eine der Frauen, Kinder und alten Leute, derer, die nicht direkt im Tumult der Selbstbehauptung stehen. Von ihrer Warte aus sehen wir zu, wie Gatten für den Überlebenskampf aufgebaut, Senioren ausgemustert und Sprösslinge von ehrgeizigen Eltern für den Erfolg zugerichtet werden. Draußen, jenseits der feinsinnigen Prosa, tobt eine Schlacht, für die der Erste Weltkrieg nur am Rande einsteht. Der Chef einer Firma erhält Besuch von einem Freund, der die Kriegsgräber Belgiens besucht hat. Beider Söhne liegen dort, der Chef ist niemals da gewesen. Als der Besucher fort ist, versucht er Trauer heraufzubeschwören, doch er vergisst seinen Vorsatz über einer Fliege, die er sorgsam in Tinte ertränkt.

Dort, wo das Individuum sich auf seinen inneren Reichtum zurückzieht, entdeckt die Autorin die Geschwulst des Egoismus. Ein einst hoffnungsvolles Paar trifft nach sechs Jahren zufällig aufeinander. Dabei erfährt sie, dass er die Erinnerung an ihre Liebe in einen Kult verwandelt hat. Und obwohl die verlorene Frau all seine Gedanken besetzt hält, erkennt er sie anfangs nicht. Die Möglichkeiten, die beide einst hatten, sind für ihn zum narzisstischen Zeitvertreib degeneriert. Die Dame begreift nicht gleich, dass sie selbst in diesem Arrangement nur stört: "Sie holte tief Luft, als dufteten die Papiernarzissen zwischen ihnen unerträglich betörend."

Der neue Mittelstand mag schwerfällig und humorlos sein, wie Mrs. Knight befindet, doch auch die Poesie der Oberschicht, zu der sie zählt, ist längst zur Farce geworden. Auf der Gartenparty erscheint sie in einem orangefarbenen Mantel mit schwarzen Affenapplikationen und beschwert sich, dass die Leute sie im Zug anstarrten. Die Erzählerin weiß ihre Moral feiner zu dosieren. Statt zu konstatieren, wie scheinheilig dergleichen ist, lässt sie uns nur wissen, dass Herr und Frau Knight sich "Topf" und "Deckelchen" rufen.

Für die wenigen, die ihr Glück nicht in selbstgefälligen Egoismen suchen, reserviert Katherine Mansfield das Bild eines Birnbaums in Blüte: "Er stand ganz vollendet und unbewegt gegen den jadegrünen Himmel." Die verschwenderisch kindliche, mit Harry liierte Bertha glaubt zu spüren, "dass er nicht eine verwelkte Knospe" besitzt. Kurz darauf beobachtet sie im Spiegel das erotische Einverständnis, das ihr Gatte insgeheim mit einer ihrer Freundinnen unterhält. So kurz und leicht erschütterbar ist der Frühling der Menschen bei Mansfield.

INGEBORG HARMS

Katherine Mansfield: "Rosabels Tagtraum". Erzählungen. Aus dem Englischen von Ruth Schirmer. Manesse Verlag, München 2008. 368 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Wiederauflage von Katherine Mansfields Erzählband hält Ingeborg Harms für ein großes Glück. Die miteinander kombinierbaren Prosastücke sprühen für sie vor Düften, Farben und Lichteffekten nach Fin-de-Siecle-Art, aber ohne die dekadente Müdigkeit. Laut Harms befällt die Figuren eher ein "vitalistischer Fluchtimpuls", der Tod im schlimmsten Fall. Die Texte, erklärt uns Harms, kreisen um narzisstischen Zeitvertreib und nicht zueinander findenden Paare im viktorianischen England, um Momente animalischer Sinnlichkeit, die die Autorin in aussagekräftige Metaphern kleidet. Laut Harms schreibt Mansfield eine feinsinnige Prosa aus der Welt der Frauen, Kinder und alten Menschen. Und draußen tobt eine Schlacht, "für die der Erste Weltkrieg nur am Rande einsteht".

© Perlentaucher Medien GmbH
»(...) ein Werk, das dank seiner psychologischen Raffinesse bis heute nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat.« Stadtgespräch