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Der Autor gilt als »Ikone des arabischen Frühlings« (Die Zeit) und ist im Dezember 2021 trotz internationaler Kritik vom ägyptischen Regime zu weiteren fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorwurf lautet Verbreitung von Fake News und Gefährdung der nationalen Sicherheit. Um die Weltöffentlichkeit mit seinen Worten aufzurütteln, haben Freunde und Familie eine Auswahl von Reden, Posts und Essays aus den letzten zehn Jahren zusammengestellt. Die meisten davon hat er unter widrigsten Umständen im Gefängnis geschrieben. In bewegenden Worten, schwankend zwischen Wut und Trauer, erzählt dieser…mehr

Produktbeschreibung
Der Autor gilt als »Ikone des arabischen Frühlings« (Die Zeit) und ist im Dezember 2021 trotz internationaler Kritik vom ägyptischen Regime zu weiteren fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorwurf lautet Verbreitung von Fake News und Gefährdung der nationalen Sicherheit. Um die Weltöffentlichkeit mit seinen Worten aufzurütteln, haben Freunde und Familie eine Auswahl von Reden, Posts und Essays aus den letzten zehn Jahren zusammengestellt. Die meisten davon hat er unter widrigsten Umständen im Gefängnis geschrieben. In bewegenden Worten, schwankend zwischen Wut und Trauer, erzählt dieser mutige, unabhängige Freiheitskämpfer seine Geschichte. Dabei bleibt er sich selbst gegenüber kritisch und ist für alle politisch Engagierten ein Vorbild darin, nie den Humor und die Hoffnung zu verlieren. Er setzt sich mit diversen politischen Fragen auseinander, rechnet beispielsweise mit den Sozialen Medien ab, weil sie ihr solidarisches Potenzial nicht ausgeschöpft haben. Seine Texte sind heroische Zeugnisse eines Jahrzehnts des Widerstands und eine Reflexion darüber, was aus den Niederlagen für die Zukunft gelernt werden kann. Naomi Klein hat dazu ein einsichtsvolles, aufrüttelndes Vorwort geschrieben.
Autorenporträt
Alaa Abd el-Fattah ist ein ägyptischer Autor, Informatiker und Aktivist. Er ist mehrere Male zu Gefängnisstrafen verurteilt worden und sitzt seit 2013 überwiegend in Haft. »Ihr seid noch nicht besiegt« wurde vom »Times Literary Supplement« zum Buch des Jahres gewählt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Einer Fülle ganz verschiedenartiger Texte begegnet Rezensent Cornelius Wüllenkemper mit der Textsammlung des ägyptischen Widerstandskämpfers Alaa Abd el-Fattah. Aus der Zusammenstellung von Haftberichten, Twitter-Posts, politischen Analysen und Aufrufen zum Umsturz gewinnt der Kritiker ein Bild dieses Mannes, der in die Fußstapfen seines ebenfalls linksradikal orientierten Vaters tritt, der seit 2011 im Grunde in Dauerhaft ist und trotzdem immer weiter schreibt. Und er erlebt einen Schriftsteller, der in seinen Texten nicht die Folter in ägyptischen Gefängnissen zum "Leitmotiv" erhebt, sondern jede Verhaftung als neue Chance auf die Verteidigung juristischer Fairness begreift, wie Wüllenkemper zusammenfasst. Dabei seien Abd el-Fattahs Texte keine "Glanzstücke der Argumentation und Rhetorik", hält der Kritiker fest, ihre Relevanz gewinnen sie für ihn aber gerade durch ihre Impulsivität - von "wichtigen zeitgeschichtlichen Zeugnissen" spricht er anerkennend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.11.2022

Unrecht vor den Augen der Welt
Der Autor Alaa Abdel Fattah sitzt als politischer Gefangener in einem ägyptischen Gefängnis.
Die Klimakonferenz COP27 ist vielleicht seine letzte Chance
VON MORITZ BAUMSTIEGER
UND MIRCO KEILBERTH
Am Montagnachmittag traf in Scharm el-Scheich aus London kommend eine Besucherin ein, die ägyptische Regierungsbeamte wohl am liebsten gleich wieder zurückgeschickt hätten: Sanaa Seif ist die Schwester des Bloggers, Autors und Aktivisten Alaa Abdel Fattah, der in den vergangenen zehn Jahren die meiste Zeit in ägyptischen Gefängnissen verbracht hat. Appelle, Petitionen und Bitten, den heute 40-Jährigen doch endlich freizulassen, verhallten beim ägyptischen Präsidenten Abdelfattah al-Sisi ungehört.
Und auch jener Brief, in dem mehrere Literaturnobelpreisträger die deutschen Teilnehmer baten, auf der derzeitigen Weltklimakonferenz COP27 am Badeort am Roten Meer auf die Gastgeber einzuwirken, brachte keine Wende: „Wir glauben an die Kraft des Wortes, die die Welt verändern kann“, schrieben unter anderem Elfriede Jelinek, Orhan Pamuk, Herta Müller, Louise Glück, Annie Ernaux und Abdulrazak Gurnah. „Krisen werden nicht durch Kompromisse mit Autoritarismus beigelegt“. Bundeskanzler Olaf Scholz, einer der Empfänger des Briefes, forderte daraufhin am Dienstag in Scharm el-Scheich die Freilassung Abdel Fattahs.
Und Sanaa Seif nutzte dort die Gelegenheit, die 30 000 Konferenzteilnehmer darauf aufmerksam zu machen, unter welchen Bedingungen in Ägypten Schätzungen zufolge fast doppelt so viele politische Gefangene in Haft sitzen. Ihrem Bruder bleibt unterdessen, weiter an die Kraft der Worte zu glauben. Das belegt ein Buch mit ausgewählten Texten, das in der kommenden Woche auch auf Deutsch erscheinen soll: Der Band „Ihr seid noch nicht besiegt“ versammelt auf 240 Seiten Essays, Facebook-Posts und Ansprachen von Abdel Fattah, der schon vor den Demonstrationen von 2011 in oppositionellen Gruppen organisiert war und dann auf dem Tahrirplatz zu einer der prägendsten Stimmen jenes sogenannten „Arabischen Frühlings“ wurde. Dass es sich mit autoritären Regimes arrangieren lässt, daran glaubt Abdel Fattah ebenfalls nicht – das zeigt das kompromisslose Vorgehen auch gegen sich selbst, zu dem er sich nun entschlossen hat: Seit 200 Tagen befindet er sich im Hungerstreik, seit Sonntag verweigert er nun auch die Aufnahme von Wasser. Er und seine Unterstützer sind entschlossen, die internationale Aufmerksamkeit während der Weltklimakonferenz zu nutzen, um eine Freilassung zu erwirken.
Das Risiko ist groß – für Alaa Abdel Fattah selbst, der in Gefahr läuft, die deutsche Veröffentlichung des Buches nicht mehr zu erleben. Aber auch für das sich bislang hart stellende Regime, das die Konferenz doch eigentlich nutzen wollte, um sich zu im besten Licht zu präsentieren, internationale Anerkennung zu erringen und um dringend benötigte Kredite zu werben. Nach Angaben von Agnes Callamard, Chefin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, bleiben nur noch wenige Tage, das Leben des Autors zu retten.
Warum das Regime die Worte von Alaa Abdel Fattah so fürchtet, warum es ihn immer wieder in Präventivhaft nehmen ließ, unter Hausarrest stellte und zuletzt 2019 wegen „Verbreitung von Falschmeldungen“ zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilte, zeigen die mal sehr kurzen, mal einige Seiten langen Texte in „Ihr seid noch nicht besiegt“ deutlich: Abdel Fattah ist kein wütender Agitator, keiner, der die Massen aufpeitschen will und den man so leicht als Extremisten verunglimpfen könnte. Er ist ein leiser, aber genauer Analyst der herrschenden Zustände – im immer repressiver herrschenden ägyptischen Staat, in der gescheiterten Revolutionsbewegung.
Aber Alaa Abdel Fattah blickt in seinen Texten auch über Ägypten hinaus. Früh erkannte er die dystopischen Potenziale der sozialen Netzwerke. Als die Tech-Branche ihn 2011 zu einer „RightsCon“ ins Silicon Valley einfliegen lässt, auf der sich die Tech-Konzerne für ihren Beitrag zum Arabischen Frühling feiern lassen wollen, benennt Alaa Abdel Fattah das Ziel der Social Media-Giganten klar: „Jede einzelne Transaktion zu monetarisieren“. Und als das Unternehmen Uber in Ägypten von vielen arbeitslosen jungen Männern überschwänglich als Möglichkeit begrüßt wird, endlich ein wenig dazu zu verdienen, sieht Abdel-Fatttah bereits die Selbstausbeutung der Shareconomy: „Morgen wird ein glücklicher Tag, wenn Uber seine Fahrer durch selbstfahrende Autos ersetzt und die Fahrt zur Universität günstiger wird; und der Tag danach wird ein noch glücklicherer Tag, wenn sie die Universität abschaffen, sodass die Fahrt überflüssig wird.“ Und wenn „sie dich als Teil eines flexiblen, Sharing-basierten Arbeitsmarkts von zuhause aus im Akkord arbeiten lassen“, werde das natürlich ein noch glücklicherer Tag, schreibt er bereits 2016, lange bevor Corona Homeoffice zur Realität lassen ließ. Alaa Abdel Fattah formulierte die Zeilen, ohne ein Uber benutzen zu können – „verfasst im Tora-Gefängnis“ steht unter dem Text, wie unter vielen anderen auch. Die auch „Skorpion“ genannte Justizanstalt gehört zu den berüchtigsten in Ägypten, südlich von Kairo werden hier Systemgegner eingesperrt und Berichten zufolge auch gefoltert, mit Stöcken, Stromstößen und Vergewaltigungen.
Dass die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein das Vorwort zu seinem Buch geschrieben hat, ist kein angesichts von Abdel Fattahs Haltung zum Kapitalismus kein Zufall. Der Sohn des zunächst kommunistischen, dann auf Menschenrechte fokussierten Anwalts und Aktivisten Ahmad Seif el-Islam dachte seine Kritik des repressiven Regimes daheim schon immer internationalistisch und aus der Ecke jener linken und säkularen Graswurzelbewegungen heraus, die „gegen das transnationale Kapital und seine nationalen Institutionen“ kämpften und im Westen etwa ihre Ausformungen in den Occupy-Bewegungen fanden. Dass seine Gedanken nun in einem Sammelband vorliegen, nennt Klein ein „Ergebnis von revolutionären Bemühungen, List und Hoffnung“.
Die revolutionären Bemühungen sind unverkennbar: Sie richten sich zunächst gegen den Militärrat, der anstelle des gestürzten Mubarakregimes übernimmt und bald selbst Massaker an Demonstranten anrichtet. Dann gegen die Muslimbrüder, die die Revolution kapern und die ersten und bislang einzigen freien Wahlen gewinnen. Und schließlich gegen das aktuelle Regime, das den Muslimbruder Mohammed Mursi 2013 stürzt.
Wie Abdel Fattahs Texte aus dem Gefängnis gelangten – Stichwort List –, wird zum Teils das Geheimnis von ihm und seiner Unterstützer bleiben. Vor allem seine Schwester Sanaa Saidi wird nicht müde, den Kampf für die Freilassung voranzutreiben. An anderen Stellen ist es offensichtlich: „Stellungnahmen gegenüber der Staatsanwaltschaft“ heißt eines der letzten Kapitel. Als sich Abdel Fattah 2019 und 2020 in Sicherheitsverwahrung befindet, muss diese alle 15 Tage verlängert werden. Abdel Fattah nutzt diese Haftprüfungstermine, um seinerseits eine Anklage gegen den ägyptischen Staat und seinen Repressionsapparat vorzubringen, die seine Verteidiger schließlich nach außen tragen.
Bliebe die Hoffnung. Sie blitzt in Abdel Fattahs Text etwa auf, wenn er von einer Reise nach Gaza und somit von seiner Freiheit träumt (Alaa Abdel Fattah ist im Thema Palästina eindeutig positioniert, „BDS ist ein Akt der Solidarität mit den Palästinensern“, schreibt er etwa). Vor allem aber manifestiert sich die Hoffnung für Abdel Fattah derzeit in dem britischen Pass, den er dank seiner in London geborenen Mutter Laila Soueif neben dem ägyptischen besitzt. Wie viel die Hoffnung auf Beistand aus dem Mutterland wert ist, ist fraglich: Als Rishi Sunak, der neue britische Premier, in Scharm el-Scheich von Journalisten auf Alaa Abdel Fattahs Schicksal angesprochen wurde, ging er wortlos weiter.
Fattah ist kein Polemiker,
sondern ein genauer Analyst
der herrschenden Zustände
Seine Schwester Sanaa Seif
wird nicht müde, den Kampf für
die Freilassung voranzutreiben
Seit 200 Tagen im Hungerstreik: der ägyptische Blogger und Aktivist Alaa Abdel Fattah.
Foto:AFP 
Alaa Abdel-Fattah: Ihr
seid noch nicht besiegt. Ausgewählte Texte 2011-2021. Mit einem
Vorwort von Naomi Klein
Aus dem Englischen
von Utku Mogultay.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2022.
240 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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