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Der Beginn des Zweiten Weltkriegs liegt achtzig Jahre zurück, doch die Folgen sind bis heute spürbar. Der britische Historiker Andrew Roberts hat Ursachen und Verlauf des globalen Kriegs neu erzählt. Seine dichte, quellennahe Darstellung wurde als Meisterwerk gerühmt, das große Anschaulichkeit im Detail mit einem souveränen Überblick über die zahlreichen Kriegsschauplätze verbindet und die Leser von der ersten Seite an fesselt. Andrew Roberts folgt der Frage, warum die Achsenmächte den Krieg verloren: tatsächlich durch strategische Fehler und aus ideologischer Verblendung oder wegen der…mehr

Produktbeschreibung
Der Beginn des Zweiten Weltkriegs liegt achtzig Jahre zurück, doch die Folgen sind bis heute spürbar. Der britische Historiker Andrew Roberts hat Ursachen und Verlauf des globalen Kriegs neu erzählt. Seine dichte, quellennahe Darstellung wurde als Meisterwerk gerühmt, das große Anschaulichkeit im Detail mit einem souveränen Überblick über die zahlreichen Kriegsschauplätze verbindet und die Leser von der ersten Seite an fesselt.
Andrew Roberts folgt der Frage, warum die Achsenmächte den Krieg verloren: tatsächlich durch strategische Fehler und aus ideologischer Verblendung oder wegen der Übermacht der Alliierten? Im Mittelpunkt steht die Militärgeschichte mit ihren Operationen und Schlachten zu Land, zu Wasser und in der Luft sowie dem Wettlauf der Rüstungsproduktion und Informationsbeschaffung. Dabei gelingtes ihm, alle Kriegsschauplätze - in Europa, Afrika und Asien, im Atlantik und Pazifik - gleichberechtigt darzustellen. Roberts hat zahlreiche Schlachtfelder besucht, was seiner Darstellung eine mitreißende Anschaulichkeit verleiht. Docher verliert sich nie im Sog der Ereignisse, sondern behält die großen Zusammenhänge im Auge und wechselt virtuos zwischen den Ebenen: von den Politikern und Generälen über die Soldaten in Schützengräben und Sandstürmen bis hin zuden unzähligen Opfern dieses größten Krieges aller Zeiten.
Autorenporträt
Andrew Roberts, Historiker und Journalist, ist Gastprofessor am Department of War Studies des King¿s College London sowie Fellow der Royal Society of Literature. Er gilt als "Britain¿s finest military historian" (Economist).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.02.2019

Präzision
und Grusel
Andrew Roberts stellt in seiner guten Darstellung
des Zweiten Weltkriegs allerlei Spekulationen an
VON JOACHIM KÄPPNER
Wilhelm Mohnke war Arbeitsloser und Hilfspolizist in Lübeck gewesen, ein kleiner Mann, der schon 1931 der NSDAP beitrat und sich bald sehr groß fühlte, als Herr über Leben und Tod. Der SS-Hauptsturmführer Mohnke wählte den Tod: In dem nordfranzösischen Ort Wormhout ermordeten Angehörige der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“ 80 britische Kriegsgefangene, indem sie die Wehrlosen in eine Scheune sperrten, Granaten hineinwarfen und hineinschossen. Mohnke gilt als der Hauptverantwortliche für die Gräueltat. Es war der 28. Mai 1940.
Nicht weit entfernt hielten die Alliierten noch den Hafenkessel von Dünkirchen, aus dem sie in den nächsten Tagen das britische Expeditionskorps und zahlreiche Franzosen über See evakuierten. Obwohl der unbeugsame Kriegspremier Winston Churchill der Nation anschließend mitteilte, „Kriege werden nicht durch Evakuierungen gewonnen“, so schwor er doch, im Wissen um die gerettete Armee, Großbritannien werde sich dem Feind niemals beugen. Und er behielt recht.
Präzise und auf der Höhe angelsächsischer Kunst der Geschichtserzählung beschreibt der britische Historiker Andrew Roberts in „Feuersturm“ das militärische Geschehen des Zweiten Weltkriegs; das Kapitel über Dünkirchen, in dem auch Mohnke erwähnt wird, zählt zu den besten. Es ist eine Geschichte der gerade noch geretteten Freiheit, aus einer entschieden demokratischen Perspektive geschrieben, die in Zeiten des durch die freie Welt spukenden Rechtspopulismus von erfreulicher Konsequenz ist. Das Buch ist jetzt, erst zehn Jahre nach der englischen Originalausgabe, auf Deutsch erschienen.
Roberts ist Historiker, Journalist und seit Kurzem Churchill-Biograf. Er gilt als bekennender britischer Konservativer; sein Ruf leidet bis heute darunter, dass er für Großbritanniens Beteiligung am Golfkrieg 2003 plädierte und, als sich die Kriegsgründe der USA als erlogen erwiesen, seinen Irrtum nicht revidierte. Auf das Buch hat sich dieser politische Irrweg nicht ausgewirkt.
Eine vergleichbar umfassende und verständliche deutsche Gesamtdarstellung des Zweiten Weltkrieges gibt es weiterhin nicht, wohl aber Übersetzungen anderer englischer Autoren. „Feuersturm“ ist nicht so facettenreich und von so moralischer Wucht wie das Weltkriegsbuch des Militärhistorikers und Bestsellerautors Anthony Beevor, auch nicht so analytisch brillant wie jüngst der beide Weltkriege einbeziehende „Höllensturz“ des Altmeisters Ian Kershaw. Wirklich neue Erkenntnisse bietet Roberts’ Buch selten. Es ist eher eine, durchaus starke, Darstellung des Bekannten, geeignet für alle, die ohne große Vorkenntnisse einmal lesen wollen, was in diesem größten Krieg der Geschichte geschah, welche Abgründe sich auftaten und welches Leid er schuf, warum der Kampf der Alliierten einerseits fraglos nötig und andererseits so verlustreich, von Fehlern begleitet und unendlich mühsam war. Analytisch dagegen hat das Buch einige Schwächen.
Die wichtigste Frage richtet sich vor allem an angelsächsische Leser, die Roberts ein wenig das Gruseln lehren will, und lautet: Hätten die Deutschen den Krieg gewinnen können? Die Antwort: Ja; nicht nur, aber vor allem 1940, in den Tagen vor Dünkirchen und der Rettung des britischen Expeditionskorps. Der britische Nationalmythos lebt ja von der Erfahrung, in diesem Entscheidungsjahr 1940 dem Naziimperium standgehalten zu haben, allein und als, wie Roberts schreibt, „Insel der letzten Hoffnung“. Es hätte aber auch anders kommen können, sogar so, wie es Robert Harris’ Roman „Vaterland“ oder die Serie „The Man in the High Castle“ beschreibt: Germany triumphant.
Roberts befasst sich daher viel mit den militärischen Fehlern des NS-Regimes, wie in Dünkirchen: Adolf Hitler und Gerd von Rundstedt, der Oberbefehlshaber West, ließen ihre Panzer zu lange vor der belagerten Stadt anhalten. Aber darüber schreiben Historiker seit Jahrzehnten. Immer wieder hält sich Roberts damit auf, längst widerlegte Schutzbehauptungen deutscher Generäle nach 1945 noch ein weiteres Mal zu widerlegen. Ihnen stellt er zwar ein so finsteres wie zutreffendes Zeugnis aus: Sie waren „korrupt, moralisch verkommen, opportunistisch und meilenweit entfernt vom Idealbild der unideologischen Ritterlichkeit, das sie gern von sich selber zeichneten“. Und doch bleibt Roberts zu fixiert auf die Person Hitlers, um ein auch nur halbwegs klares Bild der NS-Herrschaftsstrukturen und der Mitverantwortung so vieler aus den angeblichen Eliten zu zeichnen.
Zu lange sinniert der Autor auch darüber, wie ein Deutschland ohne NS-Ideologie den Krieg hätte gewinnen können: Wenn es, beispielsweise, auf dem Boden der Sowjetunion Verbündete unter den von Stalin unterjochten Völkern gesucht hätte, statt in ihnen Sklaven und Heloten zu sehen. Roberts geht sogar so weit, dass er spekuliert, ob ein Deutschland mit der Kompetenz so vieler jüdischer Wissenschaftler den Krieg hätte wenden können, statt sie den Alliierten in die Arme zu treiben oder zu ermorden. Und er schreibt: „Wäre es Deutschland gelungen, alle bis Sommer 1941 besetzten Gebiete zu halten, und hätte es auf den Überfall auf die Sowjetunion verzichtet, … dann hätte er (Hitler) auf dieser Grundlage die mächtigste Supermacht der Welt schaffen können.“
Aber alle solche Spekulationen sind müßig. In der Logik des Mordregimes bestanden solche Optionen nicht. Der Hass auf die Juden, der Holocaust, die „Lebensraum“-Ideologie, das alles liegt dem Zivilisationsbruch von Auschwitz und dem Vernichtungsfeldzug im Osten zugrunde. Dessen Eroberung und Kolonisierung war das eigentliche, rassistisch motivierte Ziel des Krieges. An anderer Stelle schreibt Roberts dies selbst. Das Regime wollte die Sowjetunion niederwerfen, bevor die USA in den Krieg eingreifen würden, was nur eine Frage der Zeit war. Deshalb die Eile, noch im Juni 1941 nach Osten anzugreifen.
Wenn Roberts von „Hitlers Antisemitismus, der im Holocaust gipfelte“, spricht, ist das natürlich richtig, aber nur Teil der Erklärung, warum der Antisemitismus in Deutschland so virulent war, eine moderne Gesellschaft einen Genozid anrichtete und die Wehrmacht diesen Massenmord in so erheblichen Teilen mitbetrieb. Roberts streift dies nur am Rande.
Sonst ist die Lektüre lohnender. Das Buch widerlegt kühl vor allem im Netz wabernde Mythen und Verschwörungstheorien. Hat das Öl-Embargo der USA gegen Japan dieses 1941 erst in den Krieg getrieben? Hat US-Präsident Franklin D. Roosevelt seine ahnungslose Pazifikflotte in Pearl Harbor von den Japanern versenken lassen, um den Krieg zu provozieren? Roberts widerlegt solche rechts wie links gehätschelten Thesen als den Nonsens, der sie sind: Das Embargo gegen eine imperialistische, aggressive Großmacht war berechtigt, der Verlust der Flotte ein militärisches Desaster, das die USA im Pazifik fast ein Jahr lang in die Defensive zwang.
Fair würdigt Roberts den Kriegsbeitrag der Russen: „Es war die Sowjetunion, die Ströme von Blut vergoss, die notwendig waren, um Deutschland zu besiegen.“ Aber er nimmt die Westalliierten doch vor dem Vorwurf des Egoismus in Schutz. Sie wagten zwar erst im Juni 1944, nach drei Jahren Krieg im Osten, die Invasion Frankreichs – aber weil ihre Armeen vorher militärisch schlicht nicht imstande dazu waren. Und doch banden sie – im Atlantik, in der Luft, in Afrika und Italien – schon zuvor fast die Hälfte des deutschen Kriegspotenzials.
Zur noch brisanteren Frage, warum die Alliierten die Gaskammern von Auschwitz nicht bombardierten, gibt er eine weniger eindeutige Antwort: Einerseits legten die Alliierten erschütternde Ignoranz gegenüber dem Schicksal der Juden an Tag, ein Grund für viele Beteiligte, „sich zu schämen“. In den USA benutzen rechte Sender neuere Bücher zum Thema, die Roosevelt beinahe die Mitschuld am Holocaust geben, gierig dazu, das Andenken des bedeutendsten aller von den Demokraten gestellten Präsidenten zu demontieren.
Roberts scheidet als Kronzeuge für diese Attacken aus. Ein Präzisionsangriff mit Langstreckenbombern, schreibt er, wäre nötig gewesen, allerdings galt damals ein solcher schon als erfolgreich, wenn ein Drittel der tonnenschweren Sprengladung ein großes Ziel wie eine Fabrik traf; es hätte „ohne Weiteres geschehen können, dass die Gaskammern funktionsfähig geblieben wären, aber Tausende von Unschuldigen (die Häftlinge) in den nahe gelegenen Baracken ums Leben gekommen wären“. Die Entscheidung der Alliierten, keine Bomber zu schicken, sei daher „kein Kriegsverbrechen und auch kein schuldhaftes moralisches Versagen“. Zumindest was das Versagen angeht, kann man da anderer Meinung sein. Aber die wirklichen Schuldigen waren nicht die Alliierten, sondern Nazideutschland und die vielen „ganz normalen Männer“ wie Wilhelm Mohnke.
Der Mörder von Wormhout kämpfte mehr als vier Jahre nach Dünkirchen noch immer für „Führer und Vaterland“. Als SS-General soll er während der deutschen Ardennenoffensive Ende 1944 erneut Schuld an der Ermordung etlicher alliierter Kriegsgefangenen getragen haben. Für seine Taten wurde Mohnke nie belangt; er starb 2001 in Hamburg als freier Mann.
Zu lange sinniert er darüber, wie
Deutschland ohne NS-Ideologie
den Krieg hätte gewinnen können
Das Schicksal der Juden
kümmerte die Alliierten
nicht besonders
Andrew Roberts:
Feuersturm. Eine
Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Aus dem Englischen von Werner Roller. Verlag C.H. Beck, München 2019.
896 Seiten, 39,95 Euro.
Bomben für London: Deutsche Soldaten beladen 1940 Flugzeuge mit tödlicher Fracht. Großbritannien aber widerstand den Attacken mit Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß.
Foto: Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2019

Hätte, hätte, Panzerkette

Rote Elefanten auf deutschen Fahnen: Der britische Historiker Andrew Roberts taucht den Zweiten Weltkrieg ins Zwielicht strategischer Spekulationen.

Von Andreas Kilb

Gesamtdarstellungen des Zweiten Weltkriegs sind nicht die Stärke der deutschen Geschichtswissenschaft. Zwar gibt es seit 2008 das vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt herausgegebene zwölfbändige Riesenwerk "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg", aber wer nach kompakteren Erzählformen sucht, ist immer noch auf angelsächsische oder französische Autoren angewiesen. Vor dreißig Jahren waren das Raymond Cartier und Basil Liddell Hart, heute sind es John Keegan und Antony Beevor. Die Herausforderung an die Autoren ist dabei immer noch dieselbe: den Krieg in allen Aspekten zu schildern, ohne sich in Kleinigkeiten zu verlieren; die politischen Verhältnisse der kriegführenden Mächte in den Blick zu nehmen, ohne darüber den Gang der Ereignisse zu vernachlässigen.

Der britische Historiker Andrew Roberts hat sich dieser Aufgabe mit Verve gestellt. Nach einer kurzen Einleitung skizziert er auf 750 Textseiten die dramatischen Entwicklungen vom Überfall der Wehrmacht auf Polen bis zur Kapitulation Japans im August 1945. Dabei entgeht ihm kaum ein wichtiges Detail, auch wenn man sich fragt, ob der U-Boot-Krieg im Atlantik, das "Inselspringen" der Amerikaner im Pazifik, die Konferenzen von Teheran und Jalta oder die sowjetische Schlussoffensive auf Berlin nicht doch breiteren Raum verdient gehabt hätten. Aber es sind nicht solche Nebensachen, die den Erkenntnisgewinn dieses Buches trüben - und es ist auch nicht das mit vierzig Seiten sehr kurz geratene Kapitel über die Judenvernichtung, in dem Roberts die Frage, ob die alliierten Luftstreitkräfte Auschwitz hätten bombardieren sollen, zwar in aller Ausführlichkeit diskutiert (und verneint), aber das bürokratische System, das die Ermordung von sechs Millionen Menschen organisierte, nur sehr oberflächlich umreißt.

Nein, das, was der Darstellung von Roberts fast von Anfang an eine unangenehme Schlagseite gibt, ist ihre Haltung zu ihrem Gegenstand. Roberts betrachtet den Zweiten Weltkrieg nicht als im Einzelnen kontingentes, aber aufgrund der Kräfteverhältnisse insgesamt unvermeidlich ablaufendes Gewaltgeschehen, sondern als militärisches Planspiel, das auch ganz anders hätte ausgehen können. Das beginnt bei der Manöverschelte für den Befehl, der die deutschen Panzer vor Dünkirchen stoppte, während die Royal Navy das britische Expeditionskorps evakuierte, und setzt sich fort in der Betrachtung der strategischen Alternativen, die Hitlers Armeen bei Kriegsbeginn im Mittelmeerraum hatten. "Mit einem Bruchteil der beim Unternehmen ,Barbarossa' eingesetzten Soldaten", so Roberts, hätte die Wehrmacht Gibraltar, den Nahen Osten und die Golfregion erobern, den Suezkanal blockieren und Großbritannien von der Ölversorgung abschneiden können. Aber: "Hitler entschied sich stattdessen im Juli 1940 für den Angriff auf die Sowjetunion im darauffolgenden Frühjahr."

Es ist weniger die kontrafaktische Erörterung von Handlungsmöglichkeiten als die Ausblendung aller ideologischen und geographischen Gegebenheiten, die solche Gedankengänge ebenso überflüssig wie unhistorisch macht. Hitler schickte im Juli 1940 keine Armee nach Nordafrika, weil die Italiener dort noch auf dem Vormarsch waren, und er wollte die Golfregion nicht erobern, weil der "Lebensraum im Osten", auf den seine gesamte Kriegsplanung zielte, nicht dort, sondern östlich der Weichsel lag. Aber der armchair general Roberts schaut eben von ganz weit oben auf das Gewimmel am Boden, und aus dieser himmelhohen Perspektive liegen die geschichtlichen Optionen klar zutage. "Hätten die Nazis bereits zu Kriegsbeginn über so viele einsatzfähige U-Boote verfügt wie im März 1945 - also über 463 Einheiten anstelle von nur 43 -, hätten sie den Krieg vielleicht gewonnen." Und hätte Hitler den Krieg um ein paar Jahre verschoben, "und wären die Fabriken für die Panzer- und Flugzeugproduktion besser geschützt und so im Reichsgebiet verstreut gewesen, dass ihre Zerstörung für die Alliierten schwieriger gewesen wäre", dann hätte sein Reich eine noch bessere Chance gehabt.

Der Gipfel dieser Sandkastengedankenspiele ist erreicht, wenn Roberts am Ende des Kapitels über die Judenvernichtung die Figur eines vom Antisemitismus geheilten "Führers" auf sein welthistorisches Schachbrett stellt: Dieser "hätte 1939 möglicherweise Millionen der klügsten und bestausgebildeten Europäer für die deutschen Kriegsanstrengungen einspannen können, darunter auch mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Atomphysiker". In England und Amerika, wo das Buch vor zehn Jahren erschienen ist, hat man an solchen Sätzen keinen Anstoß genommen. Hierzulande liest man sie mit Schaudern.

Roberts' Strategieseminar läuft auf eine schlichte Tautologie hinaus: Hitler habe den Krieg aus demselben Grund verloren, aus dem er ihn begann - "er war ein Nazi". Was das aber hieß, worin die nationalsozialistische Ideologie bestand und welche Rolle der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion in ihr spielte, ist Roberts keine tiefere Überlegung wert. Lieber lässt er sich seitenlang über Pétains Altersschwäche, Montgomerys Arroganz und Schukows Lust an Hinrichtungen aus oder bramarbasiert über das "steinerne Herz" der Roten Armee, das sich beim Anblick der zerstörten und ausgemordeten russischen Städte auf dem Vormarsch nach Westen noch "weiter verhärtete".

Man kann es auch anders ausdrücken: "Feuersturm" ist ein Buch, das der Anekdote den Vorrang vor der Analyse gibt und lieber aus Soldatentagebüchern und Generalsmemoiren als aus wirtschafts- und technikgeschichtlichen Studien zitiert. Das beschleunigt die Lektüre, zeigt aber auch die Grenzen einer rein ereignisorientierten Historiographie. Ein freihändig formulierter Satz wie jener über den stalinschen Terror, den es "wahrscheinlich eben doch" gebraucht habe, "um die Sowjetunion im Krieg zu halten", ersetzt eben kein Expertenwissen zum Stalinismus. Immerhin erfährt man bei Roberts nicht nur, was Goebbels während der Alliierten Invasion in Süditalien las - "So grün war mein Tal" -, sondern auch, dass das Militärmuseum in Stalingrad Originalzeichnungen des deutschen Generals Paulus von 1942 aufbewahrt. Sie zeigen rote Elefanten, die auf einer deutschen Fahne herumtrampeln. So machte sich jeder sein eigenes Bild.

Andrew Roberts: "Feuersturm". Eine Geschichte des Zweiten Weltkriegs.

Aus dem Englischen von Werner Roller. Verlag C. H. Beck, München 2019. 896 S., Abb., geb., 39,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Kilb lobt den Drive und die Gründlichkeit, mit denen der britische Historiker Andrew Roberts seine Gesamtdarstellung des Zweiten Weltkriegs angeht. Leider ist das auch schon alles, was Kilb an dem Buch schätzt. Als Geschichtsbuch taugt es ihm nicht. Das liegt an der Haltung des Autors, der sein Augenmerk auf strategische Alternativen von Hitlers Kriegsführung lenkt, ohne ideologische und geografische Voraussetzungen zu berücksichtigen. Wenn Roberts gar in Betracht zieht, welche Vorteile Hitler der Einbezug jüdischer Intelligenz in die Kriegshandlungen eingebracht hätte, läuft es Kilb eiskalt den Rücken runter. Eindeutig zieht der Rezensent die Analyse derartigen Schachbrettspielereien vor. Hier gelangt die ereignisorientierte Historiografie an ihre Grenzen, findet er.

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