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Für Respekt und Anerkennung
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2019 befasste sich die internationale Tagung »Respekt und Anerkennung« mit der Entwicklungszusammenarbeit Mosambik-Deutschland unter dem Schwerpunktthema Vertragsarbeit. Anlass war der 40. Jahrestag des 1979 geschlossenen Staatsvertrages der VR Mosambik mit der DDR. Der nun erscheinende Tagungsband enthält u. a. Beiträge zu den Themen »Die Lebenswege der SchülerInnen der Schule der Freundschaft in Staßfurt«, »DDR-ExpertInnen in Mosambik«, »Wie aus Vertragsarbeitern Madgermanes wurden« und »Auf dem Weg zu Respekt und Anerkennung: Sind wir für die Versöhnung?«. Ein Dokumentenanhang ergänzt den…mehr

Produktbeschreibung
2019 befasste sich die internationale Tagung »Respekt und Anerkennung« mit der Entwicklungszusammenarbeit Mosambik-Deutschland unter dem Schwerpunktthema Vertragsarbeit. Anlass war der 40. Jahrestag des 1979 geschlossenen Staatsvertrages der VR Mosambik mit der DDR. Der nun erscheinende Tagungsband enthält u. a. Beiträge zu den Themen »Die Lebenswege der SchülerInnen der Schule der Freundschaft in Staßfurt«, »DDR-ExpertInnen in Mosambik«, »Wie aus Vertragsarbeitern Madgermanes wurden« und »Auf dem Weg zu Respekt und Anerkennung: Sind wir für die Versöhnung?«. Ein Dokumentenanhang ergänzt den Band.Mit Beiträgen von Katrin Baar, António Daniel, Hans-Joachim Döring, Anónio Frangoulis, Rainer Grajek, Adelino Massuvira João, Lázaro Magalhães, Dinis Matsolo, Francisca Raposo, Marcia C. Schenck, Ralf Straßburg, Mathias Tullner und Cesare Zucconi.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Jürgen Zimmerer sieht etwas Licht in einen dunklen Teil der DDR-Geschichte und der Wiedervereinigung fallen mit dem von Birgit Neumann-Becker und Hans-Joachim Döring herausgegebenen Tagungsband zu Honeckers "Vertragsarbeiterabkommen" mit Mosambik, zum Leid der nach der Wiedervereinigung ihrem Schicksal überlassenen Rückkehrer und zur Haltung der Bundesrepublik zu ihren Schadensersatzforderungen. Für Zimmerer machen die Beiträge und Zeitzeugenberichte im Band nicht nur deutlich, wie menschenverachtend die DDR mit ihren Gastarbeitern umging, sondern auch, wie gleichgültig sich die Regierung Merkel weiterhin gegenüber den Kompensationsforderungen der Mosambikaner verhält.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.02.2021

Ein Lehrstück in angeblicher "Solidarität"
Das Schicksal der Vertragsarbeiter aus Moçambique in der DDR

Auch dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung demonstrieren einige ihrer Opfer jeden Mittwoch! Sie tun es jedoch nicht in Berlin oder Dresden, sondern mehr als 10 000 Kilometer entfernt in der moçambiquanischen Hauptstadt Maputo. Die "Madgermanes", wie sie genannt werden, wollen Anerkennung ihres Leids und des an ihnen verübten Betrugs: Sie wollen Transparenz, und sie wollen Kompensation beziehungsweise endlich das erhalten, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht.

Die Geschichte dieser "Madgermanes", Männer und Frauen, die zwischen 1979 und 1989 als Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter in die DDR geschickt wurden, gehört mit zu den bizarrsten Kapiteln der Geschichte des ostdeutschen Staates. Es offenbart aber auch die ganze Empathielosigkeit der deutschen Wiedervereinigung, die menschliche Lebensentwürfe zur Makulatur machte und sich darum nicht scherte. Eine Empathielosigkeit, die bei einigen deutschen Regierungsvertretern offensichtlich bis heute anhält.

Zugleich gehört die Frage nach den ausländischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern in der DDR zu den Seiten der Wiedervereinigung, über die man auch zum dreißigsten Jahrestag im geeinten Deutschland kaum spricht. Ist schon die Geschichte von Gastarbeit und Migration in die Bundesrepublik ein Thema, das in vielen offiziellen Narrativen fehlt, obwohl Millionen von Nachkommen der ersten und zweiten Generation hier leben und die Ergänzung des Geschichtsbuches um diese Kapitel einfordern, so gilt das noch viel stärker für die Arbeitsmigration in die DDR. Dies umso mehr, als Deutschland sehr rabiat dafür sorgte, dass nicht zu viele von ihnen hier blieben.

Mit dem Zusammenbruch und dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland hingen alle vertraglichen Regelungen ihres Aufenthalts in der Luft. Den Staat, der sie aufgenommen hatte, mit dem ihre Verbände oder Herkunftsregierungen, das betraf nicht nur Moçambique, vertragliche Regelungen eingegangen waren, gab es nicht mehr. Die Fabriken, in denen sie arbeiteten, bald auch nicht mehr. Eine starke Interessenvertretung besaßen sie ebenfalls nicht. Was als Kollateralschaden der Wiedervereinigung oftmals nicht mehr als eine Fußnote wert ist, wenn überhaupt, war für die betroffenen Menschen oftmals eine Katastrophe.

Auch wenn die Zahl mit etwa 22 000 Menschen, die zeitweilig aus Moçambique in die DDR gekommen waren, sowohl im Vergleich zu den westdeutschen Gastarbeitern gering war und auch die gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger gerichteten Menschenrechtsverletzungen ganz andere Dimensionen erreichten, so erlaubt ihre Geschichte dennoch einen tiefen Blick in die menschenverachtende Wirtschafts- und Außenwirtschaftspolitik der DDR, aber auch in die Wahrheit sozialistisch-solidarischer Politik mit Staaten der sogenannten "Dritten Welt".

Nur vier Jahre nach Moçambiques Unabhängigkeit von Portugal unterzeichnete Erich Honecker bei einem Staatsbesuch in Maputo 1979 das "Vertragsarbeiterabkommen". Was damals nicht bekannt war, sich aber bis heute als Hypothek entpuppt, war, dass der Bedarf an Arbeitskräften nur ein Motiv der DDR-Führung, ein anderes war, dass die Entsandten Schulden abarbeiten sollten.

Der für die staatliche Devisengewinnung zuständige Bereich "Kommerzielle Koordinierung" von Alexander Schalck-Golodkowski entwickelte ein System, in dem ein Teil des Arbeitslohnes der in der DDR schuftenden Moçambiquanerinnen und Moçambiquaner direkt mit den Schulden ihres Heimatlandes verrechnet wurden. Dazu behielt man kurzerhand, und mit Billigung der moçambiquanischen Regierung, bis zu 60 Prozent des Arbeitslohnes ein, als unmittelbaren Schuldendienst.

Offiziell, so hieß es, sollten die einbehaltenen Anteile von der Regierung in Maputo den Arbeitskräften gutgeschrieben werden. Als diese jedoch nach Moçambique zurückkamen, waren die Konten meist leer.

Und genau an diesem Faktum entzündet sich der Streit. Die ehemaligen Vertragsarbeiter fordern eine Würdigung ihres Schicksals, die Anerkennung des Leids, das ihnen durch das abrupte Ende ihrer Arbeitsverhältnisse widerfahren ist, und eine finanzielle Kompensation für den an ihnen verübten Betrug.

Aus der Sicht der Bundesregierung gibt es "keine offenen Fragen, die die Zahlungsanforderungen an die Bundesrepublik betreffen", man betrachte die finanziellen Forderungen der Geschädigten "als innermoçambiquanische Angelegenheit", wie der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin, Günter Nooke, erklärte.

Ganz so einfach ist es aber nicht, da neuere Forschungen belegen, dass die DDR von Anfang an wusste, dass die Gelder nicht ausbezahlt werden würden. Das aber macht es zu einem Kapitel in der Geschichte staatlichen Unrechts in der DDR, zu dem sich das vereinte Deutschland positionieren muss. Staatliches Unrecht soll schließlich wiedergutgemacht werden.

Dazu müssen aber erst einmal die Fakten auf den Tisch. Hierzu leistet die vom Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland 2019 in Magdeburg organisierte Tagung "Für Respekt und Anerkennung" einen wichtigen Beitrag, wie der nun erschienene Tagungsband belegt.

Er sammelt nicht nur zentrale Dokumente zur Geschichte der Vertragsarbeiter aus Moçambique, sondern auch Zeitzeugenberichte, welche die menschlichen Schicksale hinter den dürren Statistiken hervortreten lassen. Etwa wenn Francisca Raposo, die als Schülerin auf die "Schule der Freundschaft" nach Staßfurt geschickt worden war, berichtet, dass nicht nur die überraschende Beendigung des Aufenthalts in Deutschland traumatisch war, sondern auch die Rückkehr nach Moçambique. Dort wurden die Rückkehrer, besser ausgebildet als viele ihrer in ihrer Heimat gebliebenen Landsleute, als unliebsame Konkurrentinnen und Konkurrenten wahrgenommen. Kurzerhand steckte man die Kinder ins Militär, ohne dass sie vorher ihre Eltern besuchen durften, die sie schon Jahre nicht gesehen hatten. Die Rückkehrer wurden drangsaliert und schikaniert, gerade auch Frauen und Mädchen auch sexueller Gewalt ausgesetzt.

Mittlerweile gehen alle Betroffenen auf das Rentenalter zu. Auf das ihnen versprochene Geld, auf die Anerkennung warten sie immer noch. Wie Lázaro Magalhaes ausführt, sind einige schon verstorben, an mangelnder medizinischer Versorgung, während Geld, das als Ausgleich für Sozialversicherungsabgaben 1990 transferiert wurde, nie bei ihnen ankam. Nun kann man es sich einfach machen wie die Bundesregierung und dies zur innermoçambiquanischen Angelegenheit erklären. Warum aber 1990 mehrere hunderttausend Euro offenbar auf das Privatkonto eines Mitarbeiters des moçambiquanischen Arbeitsministeriums überwiesen wurden, wirft Fragen auf. Fragen, die auch zur Zeitgeschichte der Wiedervereinigung gehören. Der vorliegende Sammelband wirft hier ein erstes Licht in dunkle Kammern.

JÜRGEN ZIMMERER

Birgit Neumann-Becker/Hans-Joachim Döring (Hrsg.): Für Respekt und Anerkennung. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2020. 304 S., br., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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