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Die Geschichte einer legendären Familie - und ihres alle Generationen überdauernden Segelboots
Um das Wirken und den Zauber der Kennedys zu verstehen, muss man ihre Leidenschaft für das Segeln und das Meer verstehen. Aus der Menge der Seglerfamilien an der Ostküste der USA sticht die enge Beziehung der Kennedys zu ihrer Yacht Victura heraus. Joe jr., John F. und Bobby jagten das noch nicht einmal acht Meter lange Boot, das 1932 in den Familienbesitz gelangte, endlose Male über das Meer; wenn einer der Söhne bei einem Rennen nicht alles gab, sprühte ihr Vater vor Zorn. Als John F. im Zweiten…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte einer legendären Familie - und ihres alle Generationen überdauernden Segelboots

Um das Wirken und den Zauber der Kennedys zu verstehen, muss man ihre Leidenschaft für das Segeln und das Meer verstehen. Aus der Menge der Seglerfamilien an der Ostküste der USA sticht die enge Beziehung der Kennedys zu ihrer Yacht Victura heraus. Joe jr., John F. und Bobby jagten das noch nicht einmal acht Meter lange Boot, das 1932 in den Familienbesitz gelangte, endlose Male über das Meer; wenn einer der Söhne bei einem Rennen nicht alles gab, sprühte ihr Vater vor Zorn. Als John F. im Zweiten Weltkrieg einen

U-Boot-Untergang überlebte, waren die Kennedys fest davon überzeugt, dass seine Erfahrungen an Bord der Victura der Grund für sein Überleben waren. Hochglanzbilder des späteren Präsidenten und seiner Frau Jackie auf dem sonnigen Deck der Yacht verliehen dem Kult den letzten Schliff. Aber auch Ted navigierte an allerlei Untiefen vorbei, ehe er sich als "Löwe des Senats" einen Ruf machte; und die Kinder und Kindeskinder seiner früh verstorbenen Brüder trieben die Victura noch Jahrzehnte später über die Wellen.

In seinem Buch zeichnet James W. Graham die Lebenslinien einer amerikanischen Dynastie nach, die wie keine zweite Mythos und Lifestyle verkörpert und deren Schicksal oft Nährboden für Verschwörungstheorien war. Seine kenntnisreiche und anschauliche Geschichte rund um ein kleines Boot, das Zeuge großer Ereignisse der Weltgeschichte war und seit jeher für den Kampfgeist seiner Besitzer steht, wirft ein neues Licht auf eine mächtige Familie.
Autorenporträt
James W. Graham, geboren 1956 in Joliet, Illinois, arbeitet seit über dreißig Jahren als Berater in öffentlichen Angelegenheiten; u. a. war er Chefberater des früheren Gouverneurs von Illinois und des Abgeordnetenhauses des Bundesstaats. Wohnhaft in Chicago, besitzt er ein eigenes Segelboot am Michigansee. 'Der Kurs der Kennedys' wurde in Amerika von der Kritik mit Begeisterung aufgenommen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2015

Schiffbruch mit Kriegsheld

Im Flottenverband der Nation: James W. Graham sieht sich an, wie bei den Kennedys die Leidenschaft fürs Segeln mit der Politik zusammenhing.

Die Grundidee ist großartig. Es geht ums Segeln und um Politik. Die Vereinigten Staaten leisten sich bekanntlich so etwas wie eine kryptomonarchistische Verwechslung von republikanischer Staatspolitik mit Familiengeschichte. Die Clintons, die Bushs - vor allem aber die Kennedys, seit Generationen Projektionsfiguren royalistischer Sehnsüchte. Und John, Robert und Ted - die Gründungsfigur, der Thronfolger und der Prätendent dieses demokratischen Königsdramas - haben ihre Politik von Anfang an sozusagen vom Deck eines Segelschiffs aus gemacht: das Familienboot, die "Victura", lag jahrzehntelang im Hafen von Hyannis Port und kann heute vor der John F. Kennedy Presidential Library and Museum in Boston besichtigt werden. Hegel hat Napoleon als den Weltgeist zu Pferde bezeichnet. John Fitzgerald und Robert Kennedy waren in den sechziger Jahren ein paar folgenreiche Jahre lang der Weltgeist an der Segelpinne.

Die Metaphorik des Schiffs und des Segelns durchzog ihre Selbstdarstellung und ihre öffentliche Rhetorik. "Wir danken dem allmächtigen Gott dafür, dass er uns durch gefährliche Passagen geführt hat, und wir bitten ihn, den Schiffsverband, als den Oliver Wendell Holmes unser Vaterland bezeichnet hat, auch weiterhin sicher zu geleiten." In diesem Zitat aus einer Rede Johns zur Lage der Nation aus dem Jahr 1963 ist die alte epikureische Metapher vom Leben als einer Meerreise und das Symbol des Schiffs als Staat ebenso enthalten wie die Verankerung dieser Bildwelt in der amerikanischen Geistesgeschichte. Die Halbinsel Cape Cod, von wo aus die "Victura" bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu Regatten und Segeltörns auslief, gehört neben dem "Walden Pond" bei Concord zu den literarischen Traumorten, in die Henry David Thoreau die neuenglische Landschaft im neunzehnten Jahrhundert umarbeitete. Aus der Natur wird eine Moral abgeleitet, die den Staat durchdringt.

Es ist eine Moral unbedingter Leistungsbereitschaft. Die Kennedys waren irische Einwanderer, noch bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein eine vom protestantischen Establishment verachtete Immigrantengruppe. In der irischen Einwanderungsgeschichte waren sie das große Beispiel für Tellerwäscher, Millionäre und Gangster zugleich. Der Geschäftsmann Joe Kennedy brachte es um die Wende zum letzten Jahrhundert zuerst zu nationaler Prominenz, als Investor, Berater Roosevelts und Botschafter der Vereinigten Staaten in London. "Wir dulden keine Verlierer in unserer Mitte", soll er den Erinnerungen seiner Frau Rose zufolge gesagt haben. "Wir sind eine Familie von Siegern... Der Zweite ist der erste Verlierer. Das einzige, was zählt, ist der Sieg." Bei den Regatten im Nantucket Sound mussten seine Söhne immer als erste durchs Ziel gehen.

Aber wie wir spätestens seit einem kleinen, aber berühmten Buch Hans Blumenbergs wissen können, ist die Daseinsmetapher der Seefahrt keine des absoluten Erfolgs. Der Schiffbruch gehört zu ihr. John F. Kennedy verdankte seinen Kriegsruhm seinem Verhalten nach dem Schiffbruch seines Torpedoboots im Pazifik, als er durch Kaltblütigkeit, unbedingten Überlebenswillen und dank der Erfahrung, die er durch jahrzehntelanges Segeln von Kind auf erworben hatte, fast alle seiner Kameraden wieder nach Hause brachte. Und historisch betrachtet, ist die Kennedy-Dynastie auch dann kein Erfolg gewesen, wenn man außer Betracht lässt, dass ihre größten Begabungen, John und Robert, politischen Mordanschlägen zum Opfer fielen. Die Invasion in der kubanischen Schweinebucht war ein Debakel, John F. Kennedy musste den Bau der Berliner Mauer hinnehmen und konnte die Aufstellung von Atomraketen in Kuba nur durch den Abbau entsprechender Waffen in der Türkei verhindern. Er hat die Nation in den Vietnamkrieg geführt. Und das "civil rights movement", mit dem die politische Laufbahn Robert Kennedys verbunden war, hat sich erst spät, widersprüchlich und auf vielen Gebieten bis heute noch nicht durchgesetzt. Viel vom Vermächtnis der Kennedys ist zeit ihres Lebens Versprechen geblieben. Und eigentlich ist der widersprüchliche, fleißige, unspektakuläre, aber jedenfalls langlebige Senator Ted Kennedy, der jüngste Sohn des Patriarchen Joe, der einzige Politiker des Clans gewesen, der in der amerikanischen Politik Erfolg im Sinne Max Webers gehabt hat, beim Geschäft also des langsamen Bohrens harter Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß.

All das ist ein beredter Kommentar zur mangelnden Vereinbarkeit demokratischer Politik mit den Narrativen von Sieg, Überwindung und Triumph. Und wie zum Beispiel der große literarische Erfolg der Jugendjahre John und Robert Kennedys, nämlich Ernest Hemingways "Der alte Mann und das Meer" zeigt, gilt die existentialistische Metapher der vergeblichen, aber heroischen Seefahrt auch für die spezifische Mischung aus Niederlagen, Beharrungsvermögen und Verzögerung, die den Erfolg in modernen politischen Apparaten ausmacht.

Die literarische Verarbeitung in Grahams Buch ist allerdings nicht so großartig wie seine Konzeption. Es gelingt ihm zwar manchmal - besonders gut in der Untersuchung der Seefahrtsmetaphorik in Johns politischer Rhetorik -, die maritimen Jugenderfahrungen Johns, Roberts und Teds einleuchtend mit der Betrachtung ihrer politischen Laufbahn zu verbinden. Aber allzu oft reihen sich Segelanekdoten und technische Details des Segelsports recht unverbunden an die Stationen im politischen Leben seiner Protagonisten. So ist ein Buch entstanden, das sich sehr intensiv für den Segelsport interessiert - und ein bisschen auch für amerikanische Politik der fünfziger und sechziger Jahre.

STEPHAN WACKWITZ.

James W. Graham: "Der Kurs der Kennedys". Wie ein kleines Boot die Geschicke einer großen Familie lenkte.

Aus dem Englischen von Rudolf Mast. Mare Verlag, Berlin 2015. 400 S., Abb., geb., 24, - [Euro].

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