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Ralph Waldo Emerson war der wohl wichtigste Essayist und Denker des amerikanischen 19. Jahrhunderts. Der Begründer des Transzendentalismus beeinflusste maßgeblich die Werke von Dichtern und Philosophen wie Walt Whitman, Henry David Thoreau, John Muir, William James und sogar Friedrich Nietzsche. Über Jahrzehnte führte Emerson Tagebücher, aus denen hier eine Auswahl in neuer Übersetzung und herausgegeben von Jürgen Brôcan vorgestellt wird. Emerson notiert Gedichtfragmente, Aphorismen, philosophische Betrachtungen, Erlebnisberichte und Essayentwürfe - ein unerschöpfliches Füllhorn von anregenden…mehr

Produktbeschreibung
Ralph Waldo Emerson war der wohl wichtigste Essayist und Denker des amerikanischen 19. Jahrhunderts. Der Begründer des Transzendentalismus beeinflusste maßgeblich die Werke von Dichtern und Philosophen wie Walt Whitman, Henry David Thoreau, John Muir, William James und sogar Friedrich Nietzsche. Über Jahrzehnte führte Emerson Tagebücher, aus denen hier eine Auswahl in neuer Übersetzung und herausgegeben von Jürgen Brôcan vorgestellt wird. Emerson notiert Gedichtfragmente, Aphorismen, philosophische Betrachtungen, Erlebnisberichte und Essayentwürfe - ein unerschöpfliches Füllhorn von anregenden Gedanken über Natur, Geschichte, Demokratie, den Menschen und seine Möglichkeiten, sich zu bilden und den Anforderungen des Tages zu begegnen. Emerson erweist sich aber auch als scharfer Beobacher der politischen und intellektuellen Entwicklungen seiner Zeit: Die Tagebücher gewähren einen unmittelbaren Einblick in die turbulente Entstehung der damals noch jungen Vereinigten Staaten und bieten Erklärungen für viele noch heute vorhandene Merkmale der amerikanischen Mentalität: Materialismus, Pioniergeist, Expansionismus, rassistische Vorurteile. Emersons Tagebücher sind somit auch ein Buch über die Wurzeln des heutigen Amerikas.
Autorenporträt
Ralph Waldo Emerson, 1803 in Boston, Massachusetts, geboren, verfasste zahlreiche philosophische Vorträge, Essays und Gedichte, in denen er eine radikale Erneuerung und geistige Selbstbestimmung der amerikanischen Kultur und Literatur propagierte. Mit Texten wie Nature (1836), Conduct Of Life (1860) und Society And Solitude (1870) wurde er weltbekannt und gilt als Gründervater nicht nur der sogenannten Transzendentalisten, sondern auch der amerikanischen Literatur- und Philosophiegeschichte. Bedeutend war auch sein Einfluss auf Autoren wie Walt Whitman oder Henry David Thoreau, mit dem er 1840 die Zeitschrift The Dial (1840-1844) gründete, ein »Medium für neue Ideen und Äußerungen, die ernsthafte Denker in jeder Gesellschaft interessieren«. Der entschiedene Gegner der Sklaverei und Verfechter der kulturellen Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten starb 1882 in Concorde, Massachusetts.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Andreas Platthaus jubelt Ralph Waldo Emersons Tagebücher in der Auswahl und Übersetzung und mit der Kommentierung von Jürgen Brocan in den blauen Himmel. Emerson ist für ihn ohnehin der "wichtigste Autor" der USA, Emersons Aufzeichnungen, Ideen und (Lese-)Eindrücke sprühen vor Sprachlust, Witz und Eleganz, versichert er. Die Ausgabe wird dem laut Platthaus weitestgehend gerecht, äußerlich mit Halbleinenbindung und Blindprägung, in Innern durch Brocans Sorgfalt und Sprachgefühl. Zwei kleine Mängel entdeckt der Rezensent aber doch: das Fehlen eines Registers sowie die Ordnung "nach einzelnen Tagebuchheften". Letztere macht laut Platthaus wenig Sinn, da Emerson mitunter mehrere Hefte zeitgleich führte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2022

Schreib deine eigene Bibel

Ein literarisches Ereignis ist anzuzeigen:

Die Tagebücher von Ralph Waldo Emerson, dem

Vordenker des amerikanischen Weltverständnisses, erscheinen erstmals in größerer Auswahl auf Deutsch.

Dieses Buch ist ein großes Glück. Zunächst einmal rein äußerlich: Halbleinen, Blindprägung, der von Michael Rosenlehner gewählte Einbandkarton ein veritabler Handschmeichler, obwohl man mehr als ein Kilo Gewicht zu halten hat. Dieses Buch sticht aus jeder Regalumgebung heraus durch seine geradezu klassische Eleganz. Und der Inhalt? Das erste Aufschlagen nach dem Anstaunen in der Buchhandlung führte zufällig zu einer Seite, in deren Mitte ein Eintrag vom 2. Juni 1833 mit folgenden Worten anhebt: "Ich habe Venedig schnell satt. Es ist eine großartige Kuriosität - eine Stadt für Biber." Mehr braucht es doch gar nicht, um auch per Text für dieses Buch zu begeistern.

Sein Autor ist Ralph Waldo Emerson, der wichtigste Autor der Vereinigten Staaten, vergleichbar in seinem Einfluss aufs amerikanische Geistesleben mit dem, was Goethe den Deutschen bedeutet(e). Emerson lebte von 1803 bis 1882, und mit ausgiebigen Niederschriften im Tagebuch begann er als Sechzehnjähriger. Seine letzten sieben Jahre durchlebte Emerson in wachsender Demenz, doch noch 1880 hielt er einen seiner legendären Vorträge in Concord, Massachusetts, wohin er 1834 aus der nahe gelegenen Geburtsstadt Boston gezogen war. Emersons Ruhm hatte weitere Autoren dorthin gezogen; die auch hierzulande bekanntesten waren Nathaniel Hawthorne und Henry David Thoreau, Pioniere der amerikanischen Erzählprosa. Emerson aber reüssierte vor allem als Philosoph und politischer Denker. Sein in Weiterentwicklung des deutschen Idealismus entstandener Transzendentalismus war bis zur Herausbildung der analytischen Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert die wichtigste amerikanische Denkschule und prägt das intellektuelle Selbstverständnis der Vereinigten Staaten bis heute - ein metaphysisches Vernunftideal, das auf dem christlichen Prinzip der Auserwähltheit gründet. "Manifest Destiny" als geistige Lebensform.

Emerson war sich seiner Bedeutung bewusst, entsprechend akribisch bereitete er seine Vorträge und die ihnen zugrunde liegenden oder daraus resultierenden Essays vor. Die amerikanische Gesamtausgabe seiner Tagebuchnotate umfasst zehn dicke Bände, und auch wenn die nun erschienene erste größere Auswahl auf Deutsch daraus fast neunhundert Seiten umfasst, reden wir doch nur von etwa einem Achtel. Umso wichtiger war Sorgfalt bei Auswahl und Übersetzung. Beide hat der Dortmunder Publizist Jürgen Brôcan besorgt, dessen Leistung einfach nur Bewunderung verdient. Man darf ihn Mitautor dieser deutschen Tagebuch-Ausgabe nennen. Und das nicht nur, weil er neben der Übersetzung auch noch die (jeweils knappe, aber präzise) Kommentierung und Benachwortung von Emersons Notaten besorgt hat.

Brôcan macht aus dem Steinbruch der Ideen, Eindrücke und Deutungen des unermüdlich lesenden und lehrenden Emerson eine wohlvertikutierte Parklandschaft, ein intellektuelles Arkadien. Das wird Emerson gerecht, denn obwohl er seine Zeit in theoretische Gedanken zu fassen strebte, war er vor allem ein Bewunderer der großen Dichter: Shakespeares vor allem, der nie zuvor oder danach vergleichbare Elogen erhalten hat ("In der Teleologie wird man sagen, dass der letzte Grund für die Erschaffung der Erde Shakespeare war"), aber auch Dantes oder der lateinischen Autoren. Und als ihm geistesverwandtesten unter den noch einigermaßen zeitgenössischen Autoren eben Goethes - "hat man Goethe oder die Goetheaner nicht gelesen, ist man ein altmodischer Kauz und zählt zu den Vorsintflutlichen". Bettina von Arnim wurde so zu einem wichtigen literarischen Einfluss auf Emerson; er las fließend Deutsch. Zu den prominenten aktuellen Autoren seiner eigenen Sprache hielt Emerson dagegen eher Distanz, obwohl auch Walter Scott oder Charles Dickens ihn begeistern konnten (ganz im Gegensatz zu Jane Austen). Doch sie waren für ihn keine Dichter, weil Emerson schriftstellerisches Können an Rhythmik und Wortgewalt der Lyrik maß: "Bei der Lektüre von Prosa werde ich aufmerksam, sobald ein Satz hinkt, bei der Lektüre von Poesie, sobald nur ein Wort hinkt."

Seine Tagebücher zeigen Emerson als großen Literaturliebenden, der dabei selbst eine Anschaulichkeit und einen Witz der Darstellung pflegte, die es bedauern lassen, dass er dieser Sprachlust bei Essay und Vortrag der Präzision zuliebe Zügel anlegte. Wenn er 1841 notierte: "Wir sind zu Büchern viel zu höflich. Für ein paar goldene Sätze durchblättern und lesen wir tatsächlich einen Band von vier- oder fünfhundert Seiten", dann trifft dieses Verdikt auf die Auswahl seiner Notate gerade nicht zu - nahezu auf jeder Seite finden sich hier atemraubende Sentenzen, die ihren Reiz mindestens ebenso ihrer Eleganz wie ihrem Gedankenreichtum verdanken. Und dieses Sprachgefühl, diese Sprachverliebtheit auf Deutsch hörbar zu machen ist die große Herausforderung für Brôcan gewesen.

Zwei Mankos seiner Edition gilt es zu benennen: das Fehlen eines Registers (oder wenigstens ausreichend freien Platzes, um es selbst handschriftlich anzulegen, aber der Vakatseiten am Schluss sind dafür nicht genügend) und das Festhalten an der von der Emerson-Philologie etablierten Anordnung nach einzelnen Tagebuchheften. Emerson führte jedoch bisweilen mehrere davon zugleich, und das der Sortierung der amerikanischen Gesamtausgabe entsprechende Arrangement der übersetzten Notate führt zu so bizarren Ergebnissen, dass der erste in Brôcans Buch abgedruckte Eintrag vom 25. Januar 1820 stammt, fünfzehn Seiten später aber dann einer vom März 1819 folgt. Oder dass der begierig die in der Buchhandlung zufällig aufgeblätterte Venedig-Sottise erwartende Leser plötzlich, am 2. Juni 1833 angelangt, auf folgende Notiz des während einer Europareise frisch in der Lagunenstadt eingetroffenen Emerson trifft: "Ich bedauere noch immer die Leute, die keine Biber sind, und trotzdem gezwungen, hier zu leben." Mochte man sich derart falsch erinnern? O nein, nur folgt die memorierte Formulierung erst auf Seite 133 und nicht schon auf Seite 114. Beide bieten indes Einträge vom 2. Juni 1833, die frühere aus dem "Tagebuch Q", die spätere aus einem mit "Italien" betitelten Heft. Warum hat Brôcan die deutsche Ausgabe nicht einfach chronologisch geordnet, wo doch eh schon so viel entfallen ist?

Dadurch würde seine Charakterisierung des Diaristen Emerson als Lieferant der "Puzzlestücke eines stetig weiterentwickelten Gedankensystems, samt allen im Detail graduell veränderten oder widerrufenen Ansichten", nicht angetastet, vielmehr die Genese dieses Denkens deutlicher. Emerson nutzte seine Tagebücher lebenslang. Noch 1861, also fast dreißig Jahre nach dem Besuch in Venedig, der ihm das Biber-Bonmot eingab, notierte er als Nachüberlegung zu einem seiner Vorträge über Kunst: "Es existieren ebenso viele Arten der Architektur wie Geschöpfe oder Pächter oder Gründe zur Errichtung eines Bauwerks; eine Meeresmuschel, ein Vogelnest, ein Spinnennetz, ein Biberdamm, die Burg einer Bisamratte, der Bau eines Ziesels, eines Kaninchens, die silberne Tagesdecke der Felsspinne über ihren Eiern, ein Kokon, das Loch des Spechts im Baum, der Stollen der Feldmaus, das Wespen-Papier, ein Bienenstock, die Pyramide des Neunauges sind Beispiele dafür." Die Keimzelle zu dieser - man möchte sagen: panthroposophischen - Überblendung von Natur- und Kunstphänomenologie ist das doppelte Notat vom 2. Juni 1833.

"Schreib deine eigene Bibel", ermutigte sich Emerson 1836 im Tagebuch selbst: "Wähle und sammle all jene Worte & Sätze, die dir bei deiner Lektüre wie ein Trompetenstoß aus Shakespeare, Seneca, Moses, Johannes & Paulus entgegentönten." Diese eingeforderten (und auch geleisteten) Exzerpte sind nicht Teil von Brôcans Auswahl. Aber die ist als veritables Konzert aus lauter Trompetenstößen nun tatsächlich zu einer Bibel geworden für all jene, die an die Macht der Literatur glauben. ANDREAS PLATTHAUS

Ralph Waldo Emerson: "Tagebücher".

Aus dem amerikanischen Englisch, hrsg. und kommentiert von Jürgen Brôcan. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2022. 918 S., 6 Abb., geb., 68,- Euro.

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