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Ein Fluch, der über einem Ort in der Pampa zu liegen scheint. Eine Heilerin, die vom Tode bedrohte Kinder zu retten versucht. Und zwei exzessiv liebende Mütter, deren Schicksale auf mysteriöse Weise verbunden sind. - Das Gift ist wie ein Alptraum, der sich schleichend entfaltet. Eine hypnotisierende Geschichte. Packende, fantastische Literatur.

Produktbeschreibung
Ein Fluch, der über einem Ort in der Pampa zu liegen scheint. Eine Heilerin, die vom Tode bedrohte Kinder zu retten versucht. Und zwei exzessiv liebende Mütter, deren Schicksale auf mysteriöse Weise verbunden sind. - Das Gift ist wie ein Alptraum, der sich schleichend entfaltet. Eine hypnotisierende Geschichte. Packende, fantastische Literatur.
Autorenporträt
Samanta Schweblin wurde 1978 in Buenos Aires geboren. Für ihren Erzählungsband Die Wahrheit über die Zukunft erhielt sie 2008 den Premio Casa de las Américas sowie den Juan-Rulfo-Preis, für den Band Sieben leere Häuser erhielt sie den Premio de narrativa breve Ribera del Duero de España. Ihre Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt. Zwei Mal stand sie bereits auf der Shortlist für den International Booker Prize. Samanta Schweblin lebt und arbeitet in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2015

Augen ohne Wimpern
In ihrem neuen Roman „Das Gift“ schickt die argentinische Autorin Samanta Schweblin
zwei Frauen und ihre Kinder ins Zwischenreich von Alltag und Aberglauben
VON RALPH HAMMERTHALER
Ob sie den Geruch im Wasser auch wahrgenommen habe, wird Amanda gefragt, kaum dass sie eingezogen ist. Aber dazu kann sie nichts sagen. Alles ist neu für sie und ihre Tochter Nina. Woher soll sie wissen, ob das Wasser anders riecht als gewöhnlich? Und ob sie deshalb beunruhigt sein müsste? Die Frage hat die Nachbarin gestellt, Carla, eine gut aussehende Frau mit rotem Dutt und in Jeans-Latzhose, etwa zehn Jahre älter als Amanda. Später zeigt sie sich gern in einem goldfarbenen Bikini, immer anmutig in ihren Bewegungen.
  Der Hinweis auf das sonderbar riechende Wasser steht erst im letzten Fünftel des Romans, wie überhaupt die Bedrohung durch ein namenloses Gift erst nach und nach wirksam wird. Mit dieser schleichenden Erzählweise hebt sich Samanta Schweblin, 1978 in Buenos Aires geboren, von der apokalyptischen Literatur ab, auch von der ihres Landsmanns Guillermo Saccomanno, der in seinem jüngsten Roman „Der Angestellte“ ein brutales Katastrophen-Szenario entfaltet. Schweblins Roman „Das Gift“ dagegen ist leise und rätselhaft, doch hinterrücks gefährlich. Und er kommt fast ohne Geraune aus. Erst im letzten Satz wird „das Unheil“ erwähnt, „das jeden Augenblick losbricht“.
  Dabei ist das Gift vom ersten Satz an gegenwärtig. Nur weiß man nicht, dass es damit schon gemeint ist. Ebenso wenig weiß man zunächst, wer hier mit wem spricht und unter welchen Umständen. Der Dialog erstreckt sich über den gesamten Roman, und er treibt die Geschichte voran, aus der Sicht von Amanda. Sie ist es auch, die hier auf Fragen antwortet, die der Nachbarjunge David aufwirft. Einmal sagt sie: „Du musst stehenbleiben. Ich bin total erschöpft.“ Und David gibt zur Antwort: „Wenn du dich konzentrierst, gehen die Dinge schneller.“ „Dann sind sie aber auch schneller vorbei“, sagt Amanda, worauf David sie tröstet: „Sterben ist nicht so schlimm.“
  Vordergründig wird aus dem Alltag zweier Mütter erzählt, der neuen Nachbarinnen Carla und Amanda. Wie zu erwarten, sind sie um ihre Kinder besorgt, Carla um David, Amanda um Nina. Bevorzugt redet Amanda vom „Rettungsabstand“, der unbedingt einzuhalten sei, um ihre Tochter vor Gefahren zu schützen. Im Kopf errechnet sie, wie lange sie bräuchte, um bei Nina am Swimmingpool zu sein. Die Großmutter habe es ihrer Mutter und die Mutter habe es ihr eingetrichtert, jeweils die ganze Kindheit lang. Diese ehrbaren mütterlichen Gefühle sind literarisch wenig ergiebig. Sie gehen einem sogar schnell auf die Nerven. Aber indem Schweblin das allzu Bekannte und hundertmal Gehörte heraufbeschwört, ködert sie ihre Leserinnen und Leser mit vertrauten Erfahrungen – um dann zu zeigen, dass das bürgerliche Sicherheitsbedürfnis für den Ausnahmezustand keine Begriffe hat. Im Fall von Gift hilft das alles nichts.
  Carlas Mann hat früher Rennpferde gezüchtet. Noch immer holt er für seine Stuten einen Deckhengst auf die Koppel. Unten am Bach, wo sie ihren Sohn David kurz absetzt, entdeckt Carla einen toten Vogel. Anderntags verendet der Hengst kläglich. Auch David zeigt plötzlich auffällige Symptome, und als Carla nicht mehr ein noch aus weiß, geht sie mit ihm zu einer Zauberin. Die verspricht Rettung durch „Transmigration“. Wenn Davids Geist einen anderen Körper finde, verschwinde damit auch ein Teil der Vergiftung. Das ist eine riskante Szene, wenn auch nüchtern erzählt. Sie zeigt, wie wir angeblich so Aufgeklärten angesichts der Gefahr im Aberglauben Zuflucht suchen. Nach der Behandlung ist David nicht mehr David, wie ihn seine Mutter gekannt hat.
  Stehen Carla und die Firma, für die sie arbeitet, mit dem Gift in Verbindung? Vieles spricht dafür, denn das Dorf lebt von der Landwirtschaft. Einmal schauen Amanda und ihre Tochter Nina, auf dem Rasen vor der Firma sitzend, Männern dabei zu, wie sie Fässer vom Laster abladen. Nachher sind ihre Kleider nass, und die Hände stinken widerlich. Bald darauf erleidet Amanda einen Schwächeanfall, ihre Augen jucken, und das Licht ist viel zu hell. Im Dorf überqueren Kinder die Straße, „es sind merkwürdige Kinder“, stellt Amanda fest, „es sind, keine Ahnung, meine Augen brennen so. Kinder mit Missbildungen. Sie haben keine Wimpern und auch keine Augenbrauen, ihre Haut ist rot, sehr rot, und schuppig.“
  Die Väter von Nina und David spielen so gut wie keine Rolle. Als sie endlich zusammentreffen, finden sie keine Worte für das, was geschieht. Amanda hat ihren Mann anrufen und aus der Stadt kommen lassen, als würde sie spüren, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt. Wo ist Nina?, stammelt sie, wie geht es meiner Tochter?
  Mittlerweile ist klar, dass Amanda auf der Erste-Hilfe-Station liegt. Und dass ihr David, der Nachbarjunge, beisteht. Dessen Mutter Clara will Fieber an ihr bemerkt haben und Halluzinationen. Es könnte also gut sein, dass alles, was man liest, nichts anderes ist als ein fieberhaftes Selbstgespräch, eine lang andauernde Halluzination. Dass der Roman seine Geheimnisse wahrt und im Kern nicht zu entschlüsseln ist, steht für die literarische Raffinesse, mit der Samanta Schweblin ihre tröpfelnden Informationen setzt.
  Folgt man der Erzähllogik, ob halluzinatorisch oder nicht, dann ist der durch Transmigration veränderte David die Schlüsselfigur. Im Garten hat er 28 Gräber angelegt, für unzählige Enten, für einen Hund, sogar für Pferde. All die todgeweihten Tiere haben seine Nähe gesucht und sind unter seinen Augen gestorben. „Ich werde dich jetzt anschieben“, sagt er zu Amanda. Genau so, wie er die Enten, den Hund, die Pferde angeschoben hat, mit einer leichten Berührung weit hinüber, ins Jenseits.
Dieser Roman ist leise, rätselhaft –
und hinterrücks gefährlich
  
  
  
  
Samanta Schweblin: Das
Gift. Roman. Aus dem Spanischen von Marianne Gareis. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015. 127 Seiten, 16,95 Euro. E-Book 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Kersten Knipp sieht Faszination und Langeweile nah beieinander im Debütroman von Samanta Schweblin. Wer schon die Erzählungen der Autorin mit ihrem Sinn fürs Unheimliche gemocht hat, meint Knipp, wird auch den Roman mögen. Wem allerdings das oft Surreale von Schweblins Kunst nicht behagt, der dürfte auch mit dieser Geschichte um eine in der argentinischen Pampa sich abspielende Entfremdung zwischen Mutter und Kind laut Knipp seine Schwierigkeiten haben. Kurze Sätze, Fragen ohne weiterführende Antworten, eine hermetische Welt und ein sich ausbreitendes Verlorenheitsgefühl, damit sieht sich Knipp konfrontiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2015

Mit dem Gift dringt auch das Unheil ein
Als hätte David Lynch einen Roman geschrieben: Das Debüt der Argentinierin Samanta Schweblin steckt voller phantastischer Rätsel

Eine Feriensiedlung weit weg von der Stadt, ist der Schauplatz, zwei Kinder und ihre Mütter, die Erzählerin Amanda und Carla, die schöne Nachbarin mit dem goldenen Bikini, befinden sich dort. Die Frauen haben Angst um ihre Kinder, und sie haben allen Grund dazu. Denn ein unbekanntes Gift, das schon Pferde, Enten und Hunde getötet hat, greift offenbar auch auf Menschen über. Amanda berechnet panisch den "Rettungsabstand" zu Nina, das Maß für die Entfernung, die eine gute Mutter nie überschreiten sollte. "Der Faden ist so gespannt, dass ich ihn im Magen spüre", sagt sie einmal. Das überdehnte Band reißt; der Faden der Liebe wird sie erdrosseln. Oder hat Amanda etwas durcheinandergebracht?

So geheimnisvoll wie der Rettungsabstand ist auch das Gift, das in homöopathischen Dosen aus Samanta Schweblins Roman tropft. Manches deutet auf ein agrochemisches Pflanzenschutzmittel hin; einmal laden Männer Fässer von einem Lastwagen ab. Aber das Gift kann auch biologischer, magischer oder politischer Natur sein. Ziemlich sicher ist nur, dass Carlas Sohn David beim Beerdigen der toten Tiere auf Sotomayors Ranch mit dem Umweltgift in Berührung kam und krank wurde. Als er im Fieber von Würmern im Kopf phantasierte, brachte Carla ihn zu einer Heilerin. Die Schamanin konnte ihn nicht mehr retten, nicht im landläufigen Sinne jedenfalls, aber sie verhalf seiner Seele durch eine rituelle "Transmigration" zu einem neuen Körper. David lebt, aber ist es noch David? Carla fürchtet sich vor dem wimpernlosen, rotäugigen Kind, das sie mit leerem Blick anstarrt und nicht einmal mehr Mama zu ihr sagt. Der Rettungsabstand existiert nicht mehr: Aus der Mutter-Kind-Dyade ist ein fremdes Wesen geschlüpft, nicht gerade ein Monster, aber ziemlich "merkwürdig".

Jetzt sitzen Amanda und David im Dunkeln eines Hauses und versuchen zu rekonstruieren, was geschah. Die Kommunikation verläuft eher asymmetrisch. Amanda will von dem Jungen wissen, was sie und Nina bereits erlebt und noch zu erwarten haben. Aber immer wenn sie ihre Version der Geschichte erzählt, blockt er ab: "Das ist nicht wichtig", "Dafür haben wir jetzt keine Zeit". Amanda erzählt David, was sie nicht versteht; sie will ihm buchstäblich die Würmer aus der Nase ziehen. Doch er drängt zur Eile, denn er weiß, was Amanda nur ahnt: Sie wird sterben.

Samanta Schweblins Roman "Das Gift" lässt viele Fragen offen, und das liegt an der raffinierten Erzähltechnik der argentinischen Autorin. Wer spricht hier eigentlich, wo, wann und zu wem? Das Debüt der Siebenunddreißigjährigen ist dabei nicht viel länger als eine ihrer gefeierten Erzählungen, aber er ist nicht leicht zu lesen. Die Grenzen zwischen Ich und Du, Gestern und Heute verschwimmen; es gibt Dialoge im Dialog, Albträume im Traum, perspektivisch verzerrte Wahrnehmungen. Innen und Außen, erzählte Zeit und Erzählzeit, Vernunft und Wahn sind so verwirrend ineinander verschachtelt wie ein Möbiusband oder Eschers in sich zurücklaufende Treppen.

Was hier in der Außenwelt passiert, ist kaum der Rede wert, ab und zu gibt es eine kurze Autofahrt und am Ende einen vergeblichen Fluchtversuch. Vielleicht ist der Dialog im Dunkeln überhaupt nur das Selbstgespräch einer kranken Frau. Die Mütter, die sich wie eifersüchtige Rivalinnen vergleichen und belauern, sind jedenfalls "Teil dieses Wahnsinns", und die Väter sind ohnehin abwesend, wenn man sie braucht.

Amanda und der monströse Junge erschaffen im vorwärtsdrängenden Stakkato von Rede und Gegenrede, Frage und Antwort eine Realität, die so flirrend, leuchtend und verstörend ist wie ein Film von David Lynch. Die Filmwissenschaftlerin Schweblin gehört allerdings nicht zu den raunenden, tricksenden Autorinnen, die Wunder gern mit Mystifikationen verwechseln. In bester argentinischer Tradition, in den Fußstapfen großer phantastischer Erzähler wie Borges und Cortázar beschwört sie das Unmögliche, Irrationale und Bedrohliche in einer lakonischen, nüchternen, von der Sonne gleichsam ausgebrannten Sprache. Kein Wort ist zu viel, und wenn man nicht weiß, was es bedeutet: umso besser. Einmal ins Ohr geträufelt, entfaltet "Das Gift" einen unheimlichen Sog.

MARTIN HALTER

Samanta Schweblin: "Das Gift". Roman.

Aus dem Spanischen von Marianne Gareis. Suhrkamp Verlag Berlin 2015. 127 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Als hätte David Lynch einen Roman geschrieben: Das Debüt der Argentinierin Samanta Schweblin steckt voller phantastischer Rätsel.« Martin Halter Frankfurter Allgemeine Zeitung 20151205