28,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Für den 78jährigen Zachary Busner, seines Zeichens Psychiater und gealtertes und leicht dementes Familienoberhaupt, bedeutet sein Smartphone die Anbindung an eine Welt, die nicht mehr ganz die seine ist - und zugleich die physische Loslösung von dieser. Den MI6-Agenten Jonathan De'Ath treiben unterdessen ganz eigene Smartphone-Sorgen um, schließlich sind auf seinem Gerät Nachrichten seines heimlichen Langzeitgeliebten gespeichert, einem Panzerkommandanten, der im Irak im Einsatz ist.
Im dritten Teil seiner Jahrhunderttrilogie, die mit Regenschirm und Shark fulminant begann, erzählt Will
…mehr

Produktbeschreibung
Für den 78jährigen Zachary Busner, seines Zeichens Psychiater und gealtertes und leicht dementes Familienoberhaupt, bedeutet sein Smartphone die Anbindung an eine Welt, die nicht mehr ganz die seine ist - und zugleich die physische Loslösung von dieser. Den MI6-Agenten Jonathan De'Ath treiben unterdessen ganz eigene Smartphone-Sorgen um, schließlich sind auf seinem Gerät Nachrichten seines heimlichen Langzeitgeliebten gespeichert, einem Panzerkommandanten, der im Irak im Einsatz ist.

Im dritten Teil seiner Jahrhunderttrilogie, die mit Regenschirm und Shark fulminant begann, erzählt Will Self von einer Familie, die aller Kommunikation zum Trotz im Chaos zu versinken droht; er erzählt vom Schrecken des modernen Kriegs und vom Ende der Privatheit und zeichnet so ein schrecklich amüsantes Porträt unserer Zeit.

"Absolut packend, ja süchtig machend. Ein Must-read." Daily Mail
Autorenporträt
Self, WillWill Self ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Englands. Auf Deutsch erschienen von ihm zuletzt die Romane Dorian: Eine Nachahmung (2008), Die Kippe (2011) sowie bei Hoffmann und Campe Regenschirm (2014), der für den Man Booker Prize nominiert war, und Shark (2016). Will Self lebt in London.

Hens, GregorGregor Hens wurde 1965 in Köln geboren und lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Zuletzt erschien von ihm Nikotin (2010). Er übersetzte Werke von Marlon Brando, Leonard Cohen, Rawi Hage und Kurt Vonnegut.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Thomas Steinfeld feiert Will Self als James Joyce der Jetztzeit und den Übersetzer Gregor Hens als seinen Hans Wollschläger. Selfs neuer Roman, Teil einer Trilogie um den eigenwilligen Psychiater Zack, bezaubert Steinfeld durch Joyce'sche Zertrümmerung der Wirklichkeit und genaueste Beobachtung der "alltäglichen Unwirklichkeit". Im Kern geht es im Buch laut Steinfeld um die Komik der Kommunikation und ihre Effekte auf unser Bewusstsein. Das ist anschaulich und spannend, aktuell und vor allem witzig, versichert er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2021

Das letzte Zischen
der Festplatte
Will Self findet in „Phone“ die richtigen Formen
für ein Erzählen in Zeiten flüchtiger Kommunikation
VON THOMAS STEINFELD
Als die „Gesellschaft des Spektakels“, Guy Debords Kritik einer globalen Lebensform, in der jedes Ding und jedes Ereignis zur Ware geworden ist, vor einigen Jahren in einer neuen englischen Ausgabe erschien, hatte der Schriftsteller Will Self ein Vorwort geschrieben. Er übernahm dabei die Technik der „dérive“, des freien Schweifens durch eine urbane Landschaft. Gehend und mit Blick auf das Einzelne und Unerwartete, so Guy Debord, sei es möglich, das „halluzinatorische Faktum“, als das sich die Welt mittlerweile darstelle, in etwas Konkretes zu verwandeln. Dieses Konkrete wiederum sei Voraussetzung des Nachdenkens. Also ging Will Self durch Paris, von Argenteuil, dem Arbeitervorort im Nordwesten, bis in das Innerste der Stadt, zu den Säulengängen des Palais Royal, wo sich vor 250 Jahren die französische Aufklärung zusammengefunden hatte. Keinen anderen Text aus den späten Sechzigern kenne er, schreibt Self, der das alltägliche Elend der modernen Welt („the shit we’re still in“) so akkurat beschreibe wie „Die Gesellschaft des Spektakels“.
Will Self ging Debord hinterher und übernimmt auch in etlichen seiner eigenen Werke die Technik der „dérive“, passt sie seinen Zwecken an. In einer Artikelserie zum Beispiel, die er unter dem Titel „Psychogeography“ für die britische Tageszeitung The Independent verfasste (2003 bis 2008), vor allem aber in seinen jüngsten drei Romanen „Regenschirm“ (im Original 2012), „Shark“ (2014) und nun in „Phone“ (2017).
Zusammen bilden sie eine anspruchsvolle, nicht nur auf Totalität, sondern auch auf analytische Tiefe zielende Trilogie, deren Form sich endlosen Wanderungen durch die Gedankenwelten ihrer Protagonisten verdankt. Manchmal rückt in „Phone“ ein geheimes Computersystem an die Stelle dieses literarischen Universalunternehmens, ein „funktionierendes Weltmodell“ namens „SAGE“, das man „im Sitzen manipulieren kann“. Häufiger aber scheint dieses Modell nur aus flüchtigen Blasen zu bestehen, aus Gesprächs- oder Gedankenfetzen, wie sie in chaotischer Folge über eine Festplatte zischen mögen, im letzten Augenblick, bevor sie endgültig ihren Geist aufgibt.
Will Self hat den inspirierten „Trümmerhaufen“ als literarische Form nicht erfunden. James Joyce ist ihm vorausgegangen, und nicht nur er: auch William Gaddis und vielleicht auch Thomas Pynchon. Doch scheint, was einst literarische Avantgarde war, längst in einer Vorvergangenheit versunken zu sein, oder besser noch: in einem längst verstaubten Séparée der Kultur- oder Geistesgeschichte.
Die modernen Wirtschafts- und Lebensverhältnisse mögen sich, vorangetrieben von einem Kapital, das nie der Gegenwart zugehören kann, sondern immer schon in der Zukunft zu Hause ist, zunehmend abstrakt gestalten. Der Literaturbetrieb zeigt sich davon wenig beeindruckt und produziert realistische Romane in einer Zahl, als wäre das neunzehnte Jahrhundert nicht zu Ende gegangen und der allwissende Erzähler nie zu einer zweifelhaften Figur geworden. Will Self aber ist nicht nur ein ausgezeichneter Schriftsteller mit einem oft absolut wirkenden Gehör für die Tonfälle und Schattierungen der alltäglichen Unwirklichkeit, sondern offenbar auch ein Mensch, der es mit seiner Vernunft ernst meint: Wenn der realistische Roman noch eine Gegenwart haben könnte, scheint er zu folgern, dann zu dem Zweck, die Scherben eines zerborstenen Weltvertrauens aufzukehren. Eine große Zukunft würde er dem Genre wohl kaum geben.
Der Roman „Phone“ hat einen Helden. Wer eines der früheren Bücher der Trilogie gelesen hat, kennt ihn schon, den Psychiater Zachary („Zack“) Busner, einst berühmt wegen seiner wenig konventionellen Methoden, nun aber 78 Jahre alt und zunehmend dement. Die ersten Szenen zeigen ihn, wie er, angetan mit nichts als einer Tweedjacke und fortwährend mit seinem Mobiltelefon beschäftigt, ans Frühstücksbuffet eines Hotels in Manchester tritt: „… wo er auf eine pummelige osteuropäische Kellnerin mit dicken Knöcheln traf, die ihn nach seiner Zimmernummer fragte, auf einen Tisch zeigte, seine Teebestellung aufnahm und dann geschockt zusah, wie Zack zwischen den anderen Tischen hindurchdrängte, wobei sein großer, fetter, nackter, zerbeulter, kläglich unbehaarter Hintern … schwang, bevor sie das Wandtelefon hinter dem Frühstücksbuffet ansteuerte und diesen … Luftangriff auf die öffentliche Moral meldete“.
Will Self hat einen Sinn für Slapstick, er weiß um die unfreiwillige Komik, die aus der Vergänglichkeit der Moden entsteht, er verfügt über die erstaunliche Fähigkeit, große Mengen an scheinbarem Un- und Schwachsinn so in der Schwebe zu halten, dass die Neugier des Lesers nicht nachlässt – vorausgesetzt, dieser hat sich daran gewöhnt, dass es keine Absätze gibt und dass drei Punkte hintereinander einen Gedankensprung ankündigen.
Zack Busner jedenfalls interessiert sich für spirituelle Erleuchtungen, gern von fernöstlicher Art. Er hat Kinder und Enkelkinder. Sie sind ihm mehr oder minder fremd, diskutieren aber mit ihm über seinen Pflegebedarf. Ansonsten wollen sie ihn beerben. Nach einer Weile wächst ihm ein zweiter, den notorischen Self-Lesern ebenfalls schon bekannter Protagonist entgegen, ein Agent im Staatsdienst, den man den „Schlachter“ nennt, der aber eigentlich Jonathan De’Ath heißt, ein Dandy und Homosexueller, der so geheim ist, dass er sich selbst für ein Geheimnis hält.
Er unterhält ein selbstverständlich äußerst verborgenes Verhältnis zu einem britischen Oberst, dessen Panzereinheit erst in Kosovo, dann im Irak stationiert ist. In der Truppe wird ein Kriegsverbrechen begangen. Ben, ein Enkel Zack Busners, ein Autist und Hacker, kommt dem Spion und dem Soldaten auf die Spur, und so fügen sich die Fragmente allmählich zu einem Finale, das sich auch in einem realistischen Roman hätte behaupten können. Hat der Leser indessen diesen Punkt der Geschichte erreicht, haben sich ihm längst die „Trampelpfade“ erschlossen, die kreuz und quer über den Trümmerhaufen führen, und sei es nur, weil er gelernt hat, das literarische Navigationspogramm zu benutzen, das den in diesem Roman allgegenwärtigen Mobiltelefonen beigegeben ist: „Drücken Sie die A-Taste.“
Will Selfs Buch „Phone“ ist eine nicht nur anschauliche und beredsame, sondern auch spannende Studie zur Fragilität des Bewusstseins unter den Bedingungen der digitalen Kommunikation. Ein Roman, von dem man ohne die geringste Übertreibung sagen könnte, er befinde sich auf der Höhe der Zeit.
Für das englische Original bedeutet diese Aktualität, bis ins Innerste verwoben zu sein mit Orten und Ereignissen, die nur die Einheimischen kennen können, mit Dialekten und Anspielungen, die sich kaum durchdringen ließen, wäre man nicht in den Sechzigern in einem nördlichen Vorort der großen Stadt London, irgendwo zwischen East Finchley und Hampstead Garden aufgewachsen: Im Essay über Guy Debord wundert sich Will Self darüber, wie jener Paris für die Hauptstadt der kapitalisierten Welt halten konnte, während doch die britische Metropole in ihren unendlichen Wucherungen ein viel besseres Bild abgäbe. Dem Ineinander von Stoff und Sprache in „Phone“ eine angemessene, nachvollziehbare, überaus lebendige Form gegeben zu haben, ist das Verdienst des Berliner Schriftstellers und Übersetzers Gregor Hens. Es ist nicht geringer als das, was Hans Wollschläger für James Joyce oder Marcus Ingendaay für William Gaddis taten.
Hört man, indiskreterweise, Menschen zu, wie sie in ihre Mobiltelefone sprechen, dauert es oft lange Zeit, bis sich dem Lauscher der Gegenstand des Gesprächs erschließt. Bis dahin scheinen die Verlautbarungen aus „okay“ und „echt“, aus vielen „Jas“ und wenigen „Neins“, aus Stöhnen und Seufzen zu bestehen. Sie tun es aber nur auf der Oberfläche, als „halluzinatorisches Faktum“. Darunter öffnet sich ein ganzer Kosmos von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, denen erst die digitale, mobile Kommunikation ihre spezifische und spezifisch zeitlose Form verleiht. Würden sie in einem Gespräch vorgetragen, von Angesicht zu Angesicht, oder wären sie gar niedergeschrieben worden, womöglich in einem Brief, trügen sie einen anderen Charakter.
Der Roman „Phone“ ist ein Buch über eine Praxis der Kommunikation, in der jede Nachricht in eine andere übergeht und keine Botschaft mehr zu einer geschlossenen Form findet. Der Roman ist aggressiv. Er ist elegisch. Denn was wäre geschehen, wenn sich Jonathan De’Ath, der „Schlachter“, nach dem zweiten Irakkrieg wirklich nach Lincolnshire zurückgezogen hätte, um dort eine Frühstückspension zu betreiben? Nichts. Wahrscheinlich hätte darin die beste aller Möglichkeiten gelegen.
Self weiß um die unfreiwillige
Komik, die aus der
Kurzlebigkeit der Moden entsteht
Will Self: Phone.
Roman. Aus dem
Englischen von Gregor Hens. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2021. 640 Seiten,
28 Euro.
Eine Praxis der Kommunikation, in der jede Nachricht in eine andere übergeht und keine Botschaft mehr zu einer geschlossenen Form findet: Passagiere am Handy im U-Bahnhof von Notting Hill, London.
Foto: Matthew Ashmore/Mauritius
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
»Will Self hat einen Sinn für Slapstick, er weiß um die unfreiwillige Komik, die aus der Vergänglichkeit der Moden entsteht [...].« Thomas Steinfeld Süddeutsche Zeitung, 12.03.2021