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»So sehr Heimat auf Orte bezogen ist, Geburts- und Kindheitsorte, Orte des Glücks, Orte, an denen man lebt, wohnt, arbeitet, Familie und Freunde hat - letztlich hat sie weder einen Ort, noch ist sie einer. Heimat ist Nichtort. Heimat ist Utopie.«

Produktbeschreibung
»So sehr Heimat auf Orte bezogen ist, Geburts- und Kindheitsorte, Orte des Glücks, Orte, an denen man lebt, wohnt, arbeitet, Familie und Freunde hat - letztlich hat sie weder einen Ort, noch ist sie einer. Heimat ist Nichtort. Heimat ist Utopie.«
Autorenporträt
Bernhard Schlink, geb. 1944 in Bielefeld, aufgewachsen in Heidelberg. Jurastudium dort und in Berlin, danach wissenschaftlicher Assistent. Erste Professur für VerfR und VerwR in Bonn, dann in Frankfurt. 1988 Richter des VerfGH für das Land NRW. Nach der Wende 1989 in Berlin tätig. Heute Professor für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität in Berlin und Richter am LVerfGH in Münster. Zunächst Fachbuch-, dann Romanveröffentlichungen; Auszeichnungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2000

Sehnsucht
„Heimat” – ein deutsches Wort
BERNHARD SCHLINK: Heimat als Utopie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000. 50 Seiten, 10 Mark.
Der Zufall treibt mir diesen wunderbaren Essay in die Hände – und Zufall ist bekanntlich das, was einem zufällt. Bernhard Schlink entfaltet einen Gedankengang, in dem er die tief gründelnde deutsche Seele antupft, durch unsere politische Kultur pflügt und die politische Ideengeschichte aufnimmt – vom philosophischen Idealismus des vorigen Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Kategorien werden durcheinander gewirbelt, in Frage gestellt und bestätigt. Der Autor spielt mit ihnen, kokettiert mit dem Leser, argumentiert augenzwinkernd, dann wieder ganz ernst, man weiß nicht genau, woran man ist und was Schlink denn nun eigentlich meint.
Was ist Heimat? Eine Utopie? Man stutzt, fühlt sich provoziert, vielleicht auf die Schippe genommen. Wenn Heimat Utopie ist, dann existiert sie nicht, ist ein Nichtort, ist nirgendwo und doch Realität: Man erlebt sie nämlich dann am intensivsten, so Schlink, wenn man fort ist und sie einem fehlt. „ Das eigentliche Heimatgefühl ist das Heimweh. ” Heimat wird in Abwesenheit mit Hoffnung, Sehnsucht, Traum, Unerfülltheit und Unerfüllbarkeit verbunden, scheint etwas Melancholisches mit sich zu führen, ist verbunden mit den Erfahrungen von Verlust, Suche und Heimatlosigkeit – so alt wie etwa das Judentum. Denn: „Heimat” scheint erst Sinn zu machen durch seinen Gegenbegriff: „Exil”. Indes geriert „Heimat” sich auch ganz konkret, handfest, anschaulich, nämlich als Kiez, Stadt, Landschaft, in denen wir leben – gegenständliche Orte also. Gibt es dann so etwas wie ein Menschenrecht auf Heimat? Schlink bejaht die Frage, denn in diesem Menschenrecht sei sowohl die elementare Bedeutung als auch die utopische Qualität von Heimat aufgehoben.
Wehe jedoch, wenn Heimat, Sehnsucht nach Heimat, die Erfahrung des Exils „in Ideologie umschlagen und furchtbar werden”. Schlink: Der deutsche Nationalismus war schön, solange seine Sehnsucht unerfüllt blieb. „Mit der Schaffung des Deutschen Reichs wurde er auftrumpfend, anmaßend und gierig. ”
Elegant und mit intellektueller Leichtigkeit jongliert Schlink mit einem urdeutschen Begriff, dem Leser zum Genuss. Im Jargon des Literaturwissenschaftlers: Der Heimatbegriff wird destruiert und rekonstruiert. Der pädagogische Zeigefinger ist gelegentlich nicht zu übersehen. Und schließlich stellt sich doch die Frage: Ist „Heimat” nicht eine deutsche Mystifikation? Was eigentlich heißt „Heimat” auf Englisch? Home? Home Town? Homeland? Da scheint immer nur die manifeste, elementare Seite des Begriffs auf, nicht die romantische, die sehnsuchtsvolle. „Home” – das meint eben zuerst, vor allem und ganz banal „Haus”. Pointe des geistvollen Essays von Schlink: Er stellt die überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags dar, der in der American Academy in Berlin auf Englisch unter dem Titel „The Place of Heimat” gehalten wurde. „Heimat” also nicht übersetzbar, deutsches Unikat?
PETER LÖSCHE
Der Rezensent lehrt Politikwissenschaft an der Universität Göttingen.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als einen "wunderbaren Essay" bezeichnet Rezensent Peter Lösche diesen Band, in dem "politische Ideengeschichte" erzählt und hergebrachte Kategorien in Frage gestellt werden. Heimat, referiert Lösche, ist für Schlink nicht erklärbar ohne den Gegenbegriff des Exils, ein Menschenrecht auf Heimat wird eingeräumt, gewarnt wird nur vor ideologischen Verfestigungen. Erörtert wird die Frage nach dem spezifisch Deutschen des Heimatbegriffs und der Rezensent weist auf die Pointe hin, dass der Text nach einem ursprünglich in englischer Sprache gehaltenen Vortrag entstanden ist.

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