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Ein Überfall auf eine zwielichtige Bar, die Beute: Mafiageld. Die Täter sind schnell gefasst, doch wer steckt wirklich hinter dieser selbstmörderischen Aktion? Ein übereifriger Polizist, ein aufgebrachter Mafiaboss, ein psychopathischer Gangster, und plötzlich sieht der stille Barkeeper Bob Saginowski ein Geheimnis ans Licht gezerrt, das er jahrzehntelang gehütet hat.

Produktbeschreibung
Ein Überfall auf eine zwielichtige Bar, die Beute: Mafiageld. Die Täter sind schnell gefasst, doch wer steckt wirklich hinter dieser selbstmörderischen Aktion? Ein übereifriger Polizist, ein aufgebrachter Mafiaboss, ein psychopathischer Gangster, und plötzlich sieht der stille Barkeeper Bob Saginowski ein Geheimnis ans Licht gezerrt, das er jahrzehntelang gehütet hat.
Autorenporträt
Dennis Lehane, irischer Abstammung, geboren 1965 in Dorchester, Massachusetts, hat bisher 14 Romane veröffentlicht, vier davon wurden verfilmt, darunter die Weltbestseller ¿Shutter Island¿ und ¿Mystic River¿. Lehane unterrichtete Kreatives Schreiben unter anderem an der Harvard University und ist erfolgreicher Produzent und Drehbuchautor, zuletzt für die Apple-TV+-Serie ¿In with the Devil¿. Dennis Lehane lebt in Südkalifornien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.11.2014

In der Tonne das Tier
Dennis Lehane ist das heißeste Ticket in Hollywood: Nun erscheint sein neuer Roman
„The Drop“ zeitgleich mit dem Filmstart – und eine Neuübersetzung von „Mystic River“
VON DAVID STEINITZ
Zwei Tage nach Weihnachten liegt ein Hund in der Mülltonne. Als Barkeeper Bob von seiner üblichen Vier-bis-zwei-Schicht in der Kneipe durch das eiskalte, nächtliche Boston nach Hause spaziert, hört er plötzlich ein Winseln und Fiepsen aus einer Hauseinfahrt, herzerweichend. Unter schimmligen Kissen und ein paar alten, aufgeweichten Gelben Seiten zieht er schließlich einen Welpen aus der Tonne, und ja: Sogar ein Pitbull ist im Welpenstadium superniedlich. Nur: Für diese eine, kleine Rettungstat wird Barkeeper Bob mit großen, bösen Konsequenzen bestraft werden.
  Aus der Idee mit dem weggeworfenen Hund und seinem Retter hatte Dennis Lehane bereits vor über einem Jahrzehnt einen Roman stricken wollen, der ihm dann aber nicht recht von der Hand gehen wollte. Also verbannte er seine Notizen in die Schublade, holte sie ein paar Jahre später wieder hervor und schrieb die Kurzgeschichte „Animal Rescue“, Tierrettung, die er in dem von ihm herausgegebenen Storyband „Boston Noir“ unterbrachte. Und weil Hollywood nach den preisgekrönten Verfilmungen der Lehane-Romane „Mystic River“ (Clint Eastwood, 2003), „Gone Baby Gone“ (Ben Affleck, 2007) und „Shutter Island“ (Martin Scorsese, 2010) mittlerweile vermutlich auch die Filmrechte an seiner Steuererklärung kaufen würde, wurde natürlich auch diese Short Story sofort optioniert.
  Lehane, der bereits Filmerfahrung als Drehbuchautor und Berater der gefeierten HBO-Hitserien „The Wire“ und „Boardwalk Empire“ gesammelt hatte, schrieb selbst das Drehbuch des nun „The Drop“ betitelten Films. Er startet am 4. Dezember in den deutschen Kinos, unter anderem mit dem 2013 verstorbenen James Gandolfini in seiner letzten Rolle.
  Die Geschichte wollte den Autor aber immer noch nicht loslassen. Weshalb Lehane sich zu dem ungewöhnlichen Schritt entschloss, nach der Kurzgeschichte und dem Drehbuch doch noch den dazugehörigen „Drop“-Roman zu schreiben, der schon so lange in seinem Kopf herumspukte und der nun, noch vor dem Filmstart, in deutscher Übersetzung erscheint.
  Film wie Buch erzählen von dem Barkeeper Bob, einem stillen, schüchternen Mann, mit begrenzter Flanellhemdauswahl. Dass Bob ein Frauenproblem hat, wäre übertrieben, denn für Frauenprobleme bräuchte man ja zumindest ansatzweise Kontakt zu Frauen. Sein Geld verdient er im „Cousin Marv’s“, einer Bar, die tatsächlich seinem Cousin Marv gehört. Zumindest theoretisch. Unter der Hand wird der Laden von der tschetschenischen Mafia kontrolliert, die ihn als eine von mehreren „Drop Bars“ benutzt, wo das Geld aus Prostitution und Drogenhandel zusammenläuft und kurzfristig gebunkert wird. Ein Arrangement, das für den Outsider Bob zum festen Bestandteil seines tristen Alltags geworden ist – bis zwei unvorhergesehene Dinge passieren. Zunächst findet er im tiefsten Postfeiertags-Blues den Hund, durch den er Nadia kennenlernt – in ihrer Tonne liegt das Tier. Nadia hat eine sehr schlechte Haut, aber ein gutes Herz. Und einen Exfreund, der das größte Arschloch in der ganzen Nachbarschaft ist. Er hat das Tier blutig geschlagen und weggeworfen, und als er mitbekommt, dass sie und Bob sich wegen des Hundes näherkommen, knöpft er sich den Barkeeper vor. Fast zeitgleich wird auch noch die Bar überfallen, was den Mafiosi überhaupt nicht gefällt – sie verdächtigen Marv und Bob, in die Sache verwickelt zu sein.
  Wie sehr der gebürtige Bostoner Lehane mit seinen melancholischen Großstadtgeschichten und seinen Milieu-Mediationen das amerikanische Kino der vergangenen zehn Jahre beeinflusst hat, zeigt sich an seiner „Drop“-Geschichte so deutlich wie niemals zuvor. Durch den Erfolg seiner Bücher, die meist in Bostoner Arbeitervierteln spielen, modernen Hexenkesseln kurz vor der Explosion, wanderten immer mehr Filmemacher mit ihren Geschichten nach Boston – selbst wenn sie gar keinen Lehane-Roman verfilmten. Selbst der NY-süchtige Martin Scorsese wandte sich ab, drehte zum Beispiel „The Departed“ in Boston. Dieser Lehane-Trend ging so weit, dass die Produzenten der „Drop“-Verfilmung den Meister baten, seine Geschichte doch bitte gnädigerweise ins sträflich vernachlässigte New York zu verlagern, Stadtteil Brooklyn. Lehane tat ihnen den Gefallen – und hat jetzt mit diebischer Freude seine Romanfassung doch wieder in Boston angesiedelt, wo seine Charaktere auch am besten funktionieren.
  Hier finden sich noch jene Immigrantenfamilien aus alten Europaflüchtlingen, die in New York längst durch exotischere Nationalitäten abgelöst worden sind und die jene innere Zerrissenheit verkörpern, die Lehane in seinen Büchern fast noch besser gelingt als seine Krimi-Plots. Denn was seine Protagonisten von den Helden aktuell ähnlich erfolgreicher Krimikollegen wie zum Beispiel Don Winslow unterscheidet, ist, dass sie keine Weltenbummler sind. Sie sind Suburbia-Gefangene, die ihre Zigaretten nicht kinocool, sondern schwer nikotinsüchtig rauchen, und deren Entwurzelung schon lange zurückliegt, aber immer noch nachwirkt.
  Das Musterbeispiel dieser Working Class Stories, die immer mit der Präzision griechischer Tragödien auf ein blutiges Ende zusteuern, ist bis heute sein Roman „Mystic River“. Das Buch erschien 2001 unter dem Titel „Spur der Wölfe“ das erste Mal auf Deutsch und wird nun, parallel zu „The Drop“ unter seinem Originaltitel in einer Neuübersetzung wieder aufgelegt.
  Die Geschichte entstand, nachdem Lehane einige Jahre als Betreuer sexuell missbrauchter Kinder gearbeitet hatte. Quasi als zutiefst persönliche Aufarbeitung der grausigen Berichte und desillusionierenden Biografien, die er als Sozialarbeiter zu hören bekam. An die epische Dimension dieses 600-Seiten-Bestsellers über drei Freunde, die nach Jahrzehnten von einem alten Verbrechen wieder eingeholt werden, kommt „The Drop“ zwar nicht heran. Das für Lehanes Verhältnisse mit gut 200 Seiten sehr knapp geratene Buch enthält aber komprimiert trotzdem alle Stärken des Autors, die durch die noch populäreren Verfilmungen seiner Werke manchmal etwas überschattet werden.
  Da wären zum Beispiel Lehanes Galgenhumor und Sprachwitz, auch inmitten der größten Tristesse und brutalsten Plot-Manöver, die in den Filmen oft zu kurz kommen. Auch der vollkommene Antiglamour, mit dem er seine Schauplätze und Protagonisten ausstattet, geht durch die hübschen Hollywoodgesichter in den Kinoadaptionen manchmal etwas verloren. Ähnlich ist es jetzt auch wieder mit „The Drop“ passiert, wo sein Hunderetter Bob sich „ungefähr alle zwei Jahre neue T-Shirts, Jeans und Flanellhemden“ bei einer Ramschkette holt und seine Herzensdame Nadia eine knotige Narbe wie ein Seil unterm Kehlkopf hat – beides überfunkeln die Newcomer-Stars Tom Hardy und Noomi Rapace ein wenig. Dabei findet sich die aggressive Schönheit von Lehanes Büchern gerade in dieser allgegenwärtigen Hässlichkeit.
  Gefährlich wird seinen Protagonisten ohnehin weniger die Degeneriertheit der Welt, durch die sich sie bewegen müssen, deren Krisenstimmung sich in „The Drop“ noch mal ordentlich gesteigert hat. Gefährlich wird Menschen wie Mülltonnenhunden das Einzige, an das sie noch wirklich glauben können. Schon zu Beginn flüstert Barkeeper Bob in der Einsamkeit seines Wohnzimmers: „Dumme Hoffnung. Dumme, dumme Hoffnung.“
      
Dennis Lehane: The Drop – Bargeld. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 224 Seiten, 19,90 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Mystic River. Aus dem Englischen von Sky Nonhoff. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 624 Seiten, 11,90 Euro. E-Book 10,99 Euro.
Selbst die Filmrechte an seiner
Steuererklärung könnte Lehane
an die Studios verkaufen
hitzefesten Kunststoffe. Schon nach einem guten Jahr wog ich das hundert Prozent metallfreie Ergebnis in der Hand. Aber die Anfertigung der Pistole war ein Kinderspiel gegen die Entwicklung der Munition. Schließlich brauchte ich einen Hochgeschwindigkeitstreibsatz, aus dessen Molekularduftspur die supersensiblen Sensoren der Bienen nach dem Abfeuern des ersten Projektils nicht im Nu die richtigen Schlüsse ziehen würden.
Gut Ding braucht Weile. Not macht erfinderisch. Ich war schon eine halbe Ewigkeit an die Pforte endversetzt, als ich endlich, an einem freien Wochenende draußen in der Schorfheide, den lang ersehnten Jungfernschuss riskieren durfte. Die Premiere gelang. Ich will nicht prahlen. Gelernt bleibt gelernt. Und: Handwerk hat immer noch goldenen Boden! In hundert Bruchstücke zersprengt, stürzte das zufällige Zielobjekt, eine tieffliegende Forstdrohne für Feuerfrühwarnung und Rotwildzählung, ein unschuldiger Oldie mit vier knatternden Rotoren, vom brandenburgischen Himmel.
★
Die Kanzlerin fährt vor. Heut ist der Tag. Der Tag, an dem es gilt – in Sachen Imkerei wie in memoriam Personenschutz! – ein Zeichen zu setzen. So als unterliefe mir ausnahmsweise, verständlicherweise ein Selbstgespräch, murmle ich: „Da ist sie ja. Bestimmt hat man sie informiert, dass heute mein letzter Tag ist. Sie wird mir zum Abschied die Hand schütteln wollen.“ Das muss in aller Plumpheit so durchgehen. Die Imker sind keine Idioten. Aber sie sind auch bloß Menschen und Zeitgenossen, und
Hinterzimmer-Geschäfte: Cousin Marv (James Gandolfini) und Bob Saginowski (Tom Hardy) in „The Drop“.   Foto: Twentieth Century Fox
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dennis Lehane hat den Roman "The Drop" erst nach dem gleichnamigen Film geschrieben, der auf seiner Kurzgeschichte "Animal Rescue" basierte. Von einer perfekten Verwertungkette will Rezensent Peter Körte aber nicht sprechen. Für ihn zeigt der Roman nur, was schon alles Großartiges in der Kurzgeschichte steckte. Von Mittelmäßigkeit keine Spur. Begeistert erzählt Körte die Geschichte des Barkeeper Bob nach, der in die Machenschaften der tschetschenischen Mafia in Boston verwickelt werde, seine Anständigkeit jedoch mit der Rettung eines Pitbull-Welpen beweise. Für Körte ergibt das eine tief im Katholizismus verwurzelte Geschichte um Sünde und Reue, Gewalt und Grausamkeit, die ihm einmal mehr zeigt, zu welcher Größe der Krimi imstande ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2015

Aus dem Leben eines Habenichts

Mit jedem neuen Roman beweist der amerikanische Schriftsteller Dennis Lehane, dass ihn die Grenzen des Genres nicht interessieren: Auch "The Drop - Bargeld" macht da keine Ausnahme.

Vielleicht bräuchte er einen Schub wie damals in den Vereinigten Staaten. Er bräuchte die Kanzlerin oder einen der bekannteren Minister, die mit einem seiner Bücher in der Hand fotografiert werden. Wie Bill Clinton 1999 mit dem Roman "Prayers for Rain" (dt. "Regenzauber"). Von da an ging es mit Dennis Lehanes Karriere steil bergauf. In Deutschland allerdings ist noch immer viel Luft nach oben. Dass Clint Eastwood den Roman "Mystic River" und Martin Scorsese "Shutter Island" verfilmten, hat Lehane längst nicht so bekannt gemacht, wie er es verdient hätte.

Auch jetzt muss das Kino nachhelfen, mit seinen kleinen Epiphanien, die der gelernte Katholik Lehane zu schätzen weiß. Der 2013 verstorbene James Gandolfini, vielen besser unter dem Namen Tony Soprano bekannt, hat seine letzte Rolle in "The Drop - Bargeld" gespielt, dem eine Kurzgeschichte von Lehane zugrunde liegt. "The Drop", den man mit ein wenig Glück jetzt noch im Kino sehen kann, ist untypisch für die Produktionsweise des Autors aus Boston, den man sich, mit seinem Akzent, seiner gedrungenen, sehr wehrhaft wirkenden Gestalt und seiner Wachheit, gut als einen Charakter aus seinen Büchern vorstellen kann.

Lehane, der im August fünfzig Jahre alt wird, hat die Kurzgeschichte "Animal Rescue", aus der "The Drop" wurde, vor ein paar Jahren veröffentlicht. Als die Filmrechte verkauft wurden, erklärte er sich bereit, das Drehbuch zu schreiben, nachdem er zuvor zwar Folgen von "The Wire" geschrieben, aber nie eigene Prosa adaptiert hatte. Und als Regisseur Michael Roskam den Film inszenierte, ließ sich Lehane dazu bewegen, den Roman zum Film zu schreiben. Klar, dass daraus keine dieser mediokren "novelizations" geworden ist, welche die Verwertungskette eines Films verlängern sollen. In diesem Fall ist das Kino Geburtshelfer: Es bringt den Roman zur Welt, der in der Story steckte.

"The Drop" ist die Geschichte von Bob, dem Barkeeper; Tom Hardy spielt ihn im Film. Der stille, einsame Bob arbeitet für seinen Cousin Marv, dessen Kneipe "Cousin Marv's" heißt, aber schon seit Jahren nicht mehr ihm gehört, sondern der tschetschenischen Mafia. Sie ist eine "Drop Bar", wo die Einnahmen aus Wett- und anderen illegalen Geschäften aus der ganzen Stadt deponiert und dann von den Tschetschenen abgeholt werden. Während der Film die Kneipe nach Brooklyn verlegt, versetzt Lehane sie im Roman zurück nach Boston, wo all seine Bücher spielen oder ihren Ausgangspunkt haben.

Bob findet einen Pitbull-Welpen in einer Mülltonne und hat Mitleid. Obwohl er in Marvs Geschäfte verstrickt ist, will er ein anständiger Mensch sein. Dieser Widerspruch macht ihn zum wortkargen Kauz, der im fast unverändert gebliebenen Haus seiner verstorbenen Eltern wohnt und jeden Morgen zur Messe geht. Sein Cousin Marv dagegen ist ein zu häufig gedemütigtes Großmaul, ein Hehler, der seine besten Jahre hinter sich hat, der bei seiner Schwester wohnt und inzwischen auch für Sex bezahlen muss. Für die Rolle kann man sich kaum einen Besseren als James Gandolfini vorstellen. Aber auch wenn man den Film nicht gesehen hat, lässt Lehane diesen Marv auf eine Weise anschaulich werden, die typisch ist für seine Prosa und seinen Humor: "Marv zog sich kopfschüttelnd den kurzen Ledermantel an, den er dauernd trug. Der Mantel war angesagt gewesen, als die beiden Flugzeuge in die Twin Towers krachten, und er war schon wieder out, als die Türme in sich zusammenfielen."

"The Drop" ist aber nicht nur Gangster- und Familiengeschichte. Es geht auch nicht um verspätete Tierliebe, sondern um Sünde, Reue und die Suche nach Vergebung und Erlösung. Der Kosmos von Lehanes Prosa ist ein zutiefst katholischer, auch wenn oder gerade weil ihn Gangster, Kleingauner, kinderschänderische Priester und jede Menge Agnostiker bevölkern. Und deswegen gönnt er Bob auch den Anflug einer spröden Liebesgeschichte mit der schwierigen Nadia (Noomi Rapace spielt sie im Film). Und schenkt Marv die Hoffnung, noch einmal den großen Run am Super-Bowl-Sonntag zu schaffen, obwohl Marv zu den Leuten gehört, deren Vorhaben immer mindestens eine Nummer zu groß ausfallen.

Wie meist bei Lehane ist viel unerbittliche Grausamkeit im Spiel, die er gewohnt nüchtern und präzise beschreibt, was ihre Wirkung nur verstärkt. Die Gewalttätigkeit wächst aus den Verhältnissen, sie hat mit den Menschen zu tun, die sich kaum anders zu artikulieren wissen, wenn ihr Leben aus der Spur geraten ist oder sie sich ungerecht behandelt fühlen. Man habe das, hat Lehane kürzlich in einem Interview gesagt, auch in Ferguson beobachten können. Er schreibe über die "Habenichtse", das seien die Menschen, deren Welt ihn interessiere. Menschen aus dem proletarischen, katholischen Boston, die auch seine Helden sind, wenn er historische Romane schreibt, wie das 700-Seiten-Buch "Im Aufruhr jener Tage", das Ende des Ersten Weltkriegs einsetzt und bis zum Bostoner Polizeistreik 1919 reicht.

Und es ist, neben dem Gespür für Klassenunterschiede und soziale Verwerfungen, immer wieder der Verlust der Unschuld, der Lehane beschäftigt, die "Korruption der Seele schon in jungen Jahren". Seine Romane bewegen sich im Raum des Genres, ohne sich darin zu erschöpfen. Das erklärt zum einen ihre Beliebtheit bei Produzenten und Regisseuren, zeigt aber auch mal wieder, welch ideales Element des Erzählens das Genre des Kriminalromans oder Thrillers ist. Wen kümmert es da noch, dass Lehane eigentlich nie Genre-Autor sein wollte, um dann gleich in seinem ersten Roman, der den schönen Titel "A Drink Before the War" (deutsch "Streng vertraulich", 1994) trug, das Privatdetektivpaar Kenzie und Gennaro ermitteln zu lassen? Jedes seiner Bücher seither demonstriert, dass Genre als Distinktionsbegriff ziemlich wenig besagt.

Und so liest man ein Buch, das knapper ausgefallen ist als bei Lehane üblich, schaut sich den wunderbaren Film an - und freut sich schon auf den nächsten Roman. Der wird im März erscheinen, heißt "World Gone By" und bringt einen alten Bekannten zurück, Joe Coughlin, den Polizistensohn aus Boston, der in "Live By Night" ("In der Nacht", 2013) zum großen Mafioso aufstieg - und stürzte.

PETER KÖRTE.

Dennis Lehane: "The Drop - Bargeld". Roman. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs.

Diogenes Verlag, Zürich 2014. 224 S., geb., 19,90 [Euro].

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»Dennis Lehane ist ein Meister des Thrillers.« Manfred Papst / NZZ am Sonntag NZZ am Sonntag