31.01.2014. Zu sehen gibt es unter anderem ein Gespräch mit Agnes Heller über Ungarn und Peter Watkins' wütenden Science-Fiction-Film "Strafpark" von 1971; zu hören Jan Jelineks Hörstück "Dialoge zur Anthropologie", zu lesen Sarah Schusters Überlegungen zu Johann Georg Hamann. Und Susan-Sontag-Biograf Benjamin Moser erzählt im New Yorker, was Email-Archive heute können.
Für die Augen, 31.01.2014
"Punishment Park" ist ein wütender Science-Fiction-Film von
Peter Watkins, dem großen, aufrecht linken Kämpfer des britischen Kinos, und zugleich ein Klassiker des
politisierten Kinos der Zeit um 1970, gedreht im Stil einer Doku-Reportage. In einer nahen Zukunft stehen
politische Dissidenten vor der Wahl: lebenslange Haft oder ein Gewaltmarsch durch den "Strafpark". Mehr zum Hintergrund des Films
hier auf
Wikipedia. Der Film findet sich legal bei
netzkino.
de und dauert etwa 88 Minuten:
Sehr hörenswert ist dieses Gespräch mit
Agnes Heller, das der Amery-Herausgeber
Gerhard Scheit im Republikanischen Club in Wien führte. Es geht unter anderem um den neuen und alten Antisemitismus im Westen und in Ungarn, den "
Bonapartismus" der Regierung Viktor Orbáns (unter anderem warnt Heller hier vor Parallelen zu Faschismus oder Nazismus im Blick auf das heutige Ungarn) und natürlich die Situation in Ungarn jetzt (82 Min.).
Für die Ohren, 31.01.2014
Nur noch wenige Tage beim
SWR zum Download: "Dialoge zur Anthropologie", ein vom Elektro-Musiker
Jan Jelinek erstelltes, filigran-konzentriertes Hörstück über die Geschichte der Entdeckung der 24-köpfigen Gruppe der
Tasaday auf der philippinischen Insel Mindanao im Jahre 1971, sowie die Geschichte des darauf folgenden Anthropologenstreits. Das Stück dauert knapp 44 Minuten.
Mehr fremdartige Klänge: Für das Online-Magazin
Secret Thirteen hat der enigmatische DJ
Violet Poison einen herausragend schönen
Avantgarde-
Mix erstellt, dessen Playlist sich wie ein "Who is who" liest.
Hier zum Anhören, ca. 73 Minuten.
Noch ein Hörspiel: Der
WDR liefert den dritten und letzten Teil seiner
Dracula-Adaption. Späteinsteiger finden den ersten Teil
hier, den zweiten
dort. Den aktuellen dritten Teil gibt es
hier als Download, Spielzeit 57 Minuten.
Für Sinn und Verstand, 31.01.2014

Muss man heute noch
Johann Georg Hamann lesen? Sarah Schuster
versucht auf
faust-kultur eine Antwort. Sie verweist auf die grundlegenden Forschungen des dänischen Germanisten
Sven-Aage Jørgensen, die auf Deutsch in dem Band "Querdenker der Aufklärung - Studien zu Johann Georg Hamann" vorliegen: "Der Kern, der dem Denken Johann Georg Hamanns zugrunde liegt und in Hamanns Schriften seine Fruchtbarkeit offenbart, ist
die Liebe, und zwar die Liebe zu Gottes Schöpfung. Diese Liebe ist sowohl eine Liebe zum Wort Gottes als auch eine Liebe zu Gott als Wort, denn das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort (Joh. 1,1). Sie ist als philia zum logos oder in Friedrich Schlegels Worten als logischer Affekt (Athenäums-Fragment 404) Philologie in ihrer ursprünglichsten Bedeutung."
Nett gemeint ist das nicht unbedingt, wie aus Schusters letztem Satz hervorgeht: "Im Gegensatz zum grausamen Weib Jael, die um der Grausamkeit willen freundlich ist, spricht Johann Georg Hamann um der Freundschaft willen eine
mörderische Sprache."

Stefan Niggemeier
beleuchtet im
SZ-Magazin die harten Bedingungen, denen das
Live-Publikum von Fernsehshows ausgesetzt ist. Bis spät in die Nacht müssen die Zuschauer - oft ohne Getränke und Toilette - manchmal ausharren: "Bei der RTL-Geburtstagsshow beschließt eine Gruppe, sich das große Finale und damit auch den Stau an der Garderobe zu sparen, und nutzt die letzte Werbepause zur Flucht. So was löst
hektische Betriebsamkeit im Studio aus. Leere Reihen gehen gar nicht. Helferinnen weisen die Leute an, die in ihren Reihen sitzen, rüberzurutschen und sich jeweils mittig auf zwei Stühle zu setzen, sodass man die Lücken nicht sieht. Die verbliebenen leeren Plätze füllen sie selbst. Im Fernsehen wird es später fast so aussehen, als gäbe es ganz zum Schluss, zum Gruppenbild mit Thomas Gottschalk und allen Gästen, noch einmal
begeisterte Standing Ovations."
In einem Blog des
New Yorker lernt Benjamin Moser, der gerade an einer
Biografie Susan Sontags arbeitet, von der Bibliothekarin Gloria Gonzalez in Los Angeles, wie man künftig
Mails archiviert. Und er stellt fest, dass es nicht nur beim Archivieren einen großen Unterschied gibt zwischen Mails und Briefen, sondern auch beim Lesen: "Eins der faszinierendsten Tools, die Gonzalez anwendet, ist ein Programm namens MUSE, das hilft, email-Datenbanken zu durchsuchen und die
Gefühle des Autors mit unheimlicher Akuratesse abzubilden. Man kann Kategorien wie 'medizinisch', 'wütend' und 'Glückwünsche' durchforsten, man kann an einer Grafik ablesen,
wie oft Sontag zum Beispiel im Mai 2001 prozentual gesehen glücklich oder traurig oder aufgeregt war. Während ich diese Technik bestaunte, fragte ich mich, wie ich mich fühlen würde, wenn jemand meine Mails durchsuchen und enthüllen würde, dass ich im Durchschnitt
321 bissige Kommentare im Monat abgebe und dass mein wöchentlicher Geilheits-Index von 34,492 Prozent bis 56,297 reicht."