In der
New York Review of Books liest die Historikerin
Anka Muhlstein bewegt
Georges Prochniks Buch "The Impossible Exile" über
Stefan Zweigs letzten Jahre. Und sie versteht, wie den Autor trotz anhaltenden Erfolgs der Mut verließ, bis er sich 1942 zusammen mit seiner Frau das Leben nahm: "Ein Weg, Stefan Zweig zu verstehen, ist der Gegensatz zu
Thomas Mann, der ungefähr zur selben Zeit in die USA kam und dabei kraftvoll erklärte, dass er das bessere Deutschland repräsentiere: '
Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.' Zweig fehlte es an derlei Selbstvertrauen, er beklagte, dass sich mit der Emigration auch das eigene Gravitationszentrum verlagert.' Der Hauptunterschied zwischen beiden Männern bestand darin, dass Mann zum deutschen Großbürgertum gehörte, seine Wurzeln reichten über Generationen hinweg tief in die Geschichte des Landes, während Zweig, ein Jude, der den Zionismus ablehnte, vor allem eines schätzte: 'Den
Wert absoluter Freiheit, unter den Nationen zu wählen, sich selbst überall als Gast zu fühlen'. Prochnik besitzt ein genaues Gespür dafür, wie schmerzlich sich die Selbstwahrnehmung von Menschen im Exil ändert, er zeigt, wie der elegante Wiener Autor - berühmt, frei zu gehen, wohin er möchte, so wenig an jüdische Tradition gebunden, dass seine Mutter ihn fälschlich verdächtigte, konvertiert zu sein - verzweifelt, als er sich selbst zurückversetzt fand in die Rolle des
Wandernden Juden."
Für den
New Yorker folgt Patrick Radden Keefe dem Haken schlagenden Boss des mexikanischen
Sinaloa-Kartells, Joaquín Guzmán Loera, bekannt als
El Chapo, bis zu dessen Verhaftung am 22. Februar 2014. Aber was heißt hier 'Verhaftung': "Einige behaupten, Guzmán habe das alles so gewollt. Er ahnte, dass seine Zeit gekommen war und entschied sich für den stillen Ruhestand hinter Gittern. Ein Nebenprodukt der Korruption in Mexiko ist der Zynismus, den jede offizielle, von der Regierung ausgegebene Geschichte sogleich hervorruft. In ihrem Buch 'Narcoland' behauptet die mutige Journalistin Anabel Hernández, Guzmáns Einfluss sei so stark und das politische System Mexikos so verrottet gewesen, dass die ganze Chapo-Geschichte
eine einzige Farce sein könnte. Guzmán wurde in Puente Grande inhaftiert, doch in Wirklichkeit war er der Chef dort, seine Flucht eine abgekartete Sache zwischen ihm und Vicente Fox persönlich (Fox hat das heftig bestritten). Guzmán war ein Jahr auf der Flucht, aber jeder wusste, wo er sich aufhielt, und
die Behörden logen, als sie behaupteten, sie könnten ihn nicht erwischen. Hernández' Buch verkaufte sich mehr als 100.000 Mal in Mexiko. Mit ihrem Hang zum Konspirativen und ihrem bitter-wissenden Ton traf sie ins Schwarze. Keine Überraschung also, wenn viele meinen, dass auch Guzmáns Ergreifung in Mazatlán nichts als ein
theatralischer Akt war, vom Drogenkönig selbst inszeniert."