Post aus der Walachei

Proza

Ein Streifzug durch die junge rumänische Literatur. Von Hilke Gerdes
11.10.2005. In Rumänien meldet sich eine junge Autorengeneration zu Wort. Sie ersetzt die Metapher durch harten Realismus. Einige dieser Autoren verdienten auch das Interesse westlicher Verlage.
"Zeitgenössiche rumänische Literatur?" Der nach ihr Befragte schaut ungläubig, als handele es sich um etwas Abstruses. "Lese ich nicht". Diese so knappe wie klare Antwort stammt nicht von irgendeinem Kulturverächter, der noch nie eine Buchhandlung betreten hat. Es ist ein akademisch ausgebildeter, lesender Mensch, der sich so äußert. Und er ist kein Einzelfall. Viele RumänInnen, besonders jüngere, reagieren ähnlich, spricht man sie auf neuere rumänische Literatur an. Manche von ihnen behaupten mit verblüffender Selbstverständlichkeit, heutzutage würde doch keine gute Literatur im eigenen Land produziert werden. Woher kommt diese Härte im Urteil, wenn sein Gegenstand dem Urteilenden unbekannt ist?

Der Literaturprofessor Mircea Martin erklärt die Ablehnung mit einer einfachen Formel, hinter der sich komplexere soziokulturelle und politische Faktoren verbergen: Bücher = Straßen. "Schauen Sie sich doch um. Die Straßen haben Löcher, überall ist Unordnung und Schmutz. Die Leute übertragen diese Zustände auf alles." Das heißt: Straßen= Rumänien. Und weiter: Straßen= Rumänien= rumänische Literatur. Die Unzufriedenheit mit dem Staat habe sich während der kommunistischen Zeit in die Seelen eingefressen und sei heute genauso spürbar. "Selbsthass", dieses deutsche Wort nennt Martin mitten im Gespräch, das wir auf Englisch führen.

Auch wenn man es weniger radikal sieht: Der eigenen Kultur stehen viele unabhängig vom Bildungsgrad distanziert gegenüber. Darüber kann auch der patriotische Kult um Mihai Eminescu, den romantischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, nicht hinwegtäuschen. Oder die Beschwörung der Dichter, Denker und bildenden Künstler, wie Eliade, Cioran, Ionescu oder Brancusi, die leider Gottes emigrierten und deshalb nicht als Rumänen im kollektiven Gedächtnis Westeuropas verankert sind.

Gelesen wird von der Mehrheit lieber klassische oder zeitgenössische Literatur aus der ganzen Welt. Dan Brown und "Harry Potter" sind auch hier die Bestseller. Paulo Coelho ist gleich mit mehreren seiner Werke an jedem noch so kleinen Buchstand vertreten. Selbst 15 Jahre nach der Wende bringt im Belletristik-Bereich das meiste Geld die ausländische, vornehmlich amerikanische Literatur. Das ist nicht nur in Rumänien so.


Fundorte

Wer die beeindruckend lange Schlange am Stand des Humanitas-Verlags auf der vorletzten Bukarester Buchmesse gesehen hat, weiß: Es gibt ihn, den engagierten Leser rumänischer Literatur und Essayistik. Geduldig warteten die Menschen darauf, ein Autogramm von Andrei Plesu zu bekommen. Der Gründer des New Europe College und der Zeitschrift Dilema, ehemaliger Kultur- und Außenminister, gehört zu den wichtigsten Intellektuellen des Landes. Seine Veröffentlichungen erreichen Spitzenauflagen. Wie auch die von Mircea Cartarescu; dessen kleiner Erzählungsband "De ce iubim femeie" (Warum wir Frauen lieben, Humanitas, 2004) wurde bis jetzt 47.000 Mal verkauft, eine riesige Zahl für den rumänischen Buchmarkt.

Normale Auflagen liegen unter 5000, viele bei 1000 bis 2000. In Deutschland aktiviert man dafür erst gar nicht nicht sein Kalkulationsprogramm, um Deckungsbeitrag I, II oder III zu berechnen. Deutschland hat knapp das Vierfache an Bevölkerung, das Fünfzehnfache an Durchschnittseinkommen. Bereits vor dem Hintergrund dieser Vergleichsgrößen relativieren sich die niedrigen Zahlen. 2002 sollen in Rumänien gut 14 Millionen Bücher gedruckt worden sein. Seitdem hat sich der Markt weiter entwickelt.

Obwohl immer noch ein ordentliches Vertriebsnetz fehlt, klagen die Verlage nicht überlaut. Sie bieten die Direktbestellung über Internet an. In den größeren Städten entstehen neue Buchhandlungen. Die jährlich stattfindenden Buchmessen "Bookarest" und "Gaudeamus" verzeichnen einen Besucherzuwachs.
Mit konkreten Produktions- und Absatzzahlen lässt sich der positive Eindruck allerdings nicht belegen. Die Asociatia Editorilor din Romania, der rumänische Verlegerverband, sitzt noch daran, den Bericht von 2002 zu aktualisieren.


Die 80-er Generation heute

Mircea Cartarescu ist ein Star in der rumänischen Literaturszene und bereits so berühmt, dass sein Name auch bis zur Coelho-Leserschaft durchgedrungen ist. Vor einigen Tagen wurde sein neuestes Buch von Gabriel Liiceanu, dem Leiter des Humanitas-Verlags, vorgestellt: "Baroane!", eine Sammlung von Artikeln und politischen Kommentaren der letzten beiden Jahre. Selbst dafür rechnet man sich Verkaufschancen aus.

Cartarescu gehört zu den Schriftstellern, die in den fünfziger Jahren geboren und in den achtziger Jahren öffentlich wurden, die Diktatur und Liberalisierung, Hoffnung und Enttäuschung miterlebt haben. Die Literaturgeschichte nennt sie die "80-er Generation" und schreibt ihr folgende Merkmale zu: nüchterne Kurzprosa über die alltägliche Wirklichkeit, gleichzeitig ein komplexes Konstrukt von Text mit versteckten Zitaten, parodistischen Elementen und literarischen Verweisen. Cartarescus Romane sind allerdings mit phantastischen Elementen, bizarren Träumen nur so gespickt.

"Nostalgia", die vollständige Fassung seines 1989 zensiert erschienenen Romans "Visul" (Der Traum), ist eine der wenigen Veröffentlichungen seiner Generation, die auf Deutsch erschienen sind (übersetzt von Gerhardt Csejka).

Andere, wie Gheorge Craciun oder der früh verstorbene Mircea Nedelciu, sind in Deutschland wenig bekannt. Zu unrecht, wie Mircea Martin meint. Craciuns "Pupa russa" (Die russische Puppe), 2004 im Humanitas-Verlag erschienen, wird als eine der wichtigsten Neuerscheinungen der letzten Jahre gehandelt. Erzählt wird der Aufstieg und Fall der weiblichen Protagonistin, Leontina Guran, in kommunistischer und postkommunistischer Zeit.


Zeitgenössische rumänische Literatur

Gheorghe Craciun wird im November in Frankreich sein, auf Einladung vom Centre Nationale du Livre. Im Rahmen des Programms "Les Belles Etrangeres" findet eine große Lesereise statt, an der neben Craciun Gabriela Adamesteanu, Stefan Agopian, Ana Blandiana, Mircea Cartarescu, Letitia Ilea, Dan Lungu, Ion Muresan, Marta Petreu, Simona Popescu, Cecilia Stefanescu und Vlad Zografi teilnehmen. Treffen mit französischen Verlegern und Schriftstellern sind geplant. Neuere rumänische Literatur zu publizieren, ist keine leichte Verlagsentscheidung. "Les Belles Etrangeres" soll dabei helfen.

Seit 1999 Rumänien das letzte Mal im Programm war, habe man die Entwicklung der rumänischen Literatur beobachtet und abgewartet, erklärt die Verantwortliche, Martine Grelle. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt gekommen. denn neben den älteren sind jüngere interessante AutorInnen in Erscheinung getreten. Zu den jüngsten gehören von den Teilnehmern an "Les Belles Etrangeres" Dan Lungu und Cecilia Stefanescu. Beide haben wie Adamesteanu und Cartarescu französische Verlage für sich gewinnen können.

Dass man inzwischen von jüngeren Autoren spricht, ist zu einem großen Teil das Verdienst des Polirom- Verlages. Auf der Bukarester Buchmesse startete er im Wahljahr 2004 unter dem Slogan "Voteaza literatura tinara!" (Wählt die junge Literatur!) eine bisher nicht dagewesene Werbekampagne für junge rumänische Literatur. In auf dem hiesigen Markt selten zu sehenden, weil so kostspieligen großformatigen, gut bebilderten Hochglanz-Broschüren wurden sieben AutorInnen zwischen 25 und 35 vorgestellt: Ioana Baetica, T.O. Bobe, Radu Pavel Gheo, Dan Lungu, Cosmin Manolache, Adrian Schiop und Lucian Dan Teodorovici.

Viele von ihnen haben zuvor Texte veröffentlicht, in Zeitschriften und im Internet (zum Beispiel hier). Manche arbeiten als Redakteure, freiberufliche Journalisten. oder an der Universität. Um ihnen ein breiteres Forum zu geben, hat Polirom die Reihe "Ego. Proza" ins Leben gerufen, in der seit 2004 bereits 29 Bände erschienen sind. Eine beachtliche Zahl. Und sie sind nach Angaben des Verlags kein wirtschaftlicher Reinfall, die kleinen Auflagen von 1500 bis 2000 Exemplaren seien in den meisten Fällen nach ein bis zwei Jahren abverkauft.

Ob der jüngsten Entwicklungen in der Literaturszene, sie selbst spricht von den "Botschaften und Signalen von außen", ist die "Uniunii Scriitorilor din Romania" (der offizielle Schriftstellerverband Rumäniens) aufgewacht und bemerkt plötzlich ihre eigene Vergreisung. Man spricht jetzt davon, ein Stipendienprogramm auflegen und einen Wettbeweb für jüngere Autoren organisieren zu wollen.


"Sex & Drugs & ?"

Die jüngere rumänische Literatur wird bereits als "Generation 2000" betitelt. Der Generationenbegriff soll gemeinhin andeuten, dass stilistische und/oder ideelle Gemeinsamkeiten bestehen zwischen denen, die in einer bestimmten Zeitspanne geboren wurden. Die 80er Generation ist mit "Authentizimus" und Textualismus" verschlagwortet. Und die "Generation 2000"?

Während manche noch darum streiten, ob es die "Generation 2000" überhaupt gibt, bemühen sich andere um die Ismus-Findung, Frakturalismus, Extremismus, Erotizismus, Neoexpressionismus . Die meisten AutorInnen interessiert dies nicht weiter.

Sie gehören zu der Altersgruppe, die ihre Kindheit im Kommunismus verbracht hat und im Postkommunismus erwachsen wurde. Sie tragen in ihrer eigenen Biografie die Transformation, die in Rumänien zu einem Turbokapitalismus bar jeglicher sozialer Komponenten, zu einer extremen Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm, zu einem Clash der Generationen geführt hat. Explizit wird diese Übergangsphase kaum thematisiert. Sie ist der Hintergrund ihres Schreiben.

Kopfschütteln und Unverständnis und Literaturpreise erntete Ionut Chiva für seinen Roman "69" (Polirom, 2004). Wie der Titel es bereits andeutet, ist Sex ein zentrales Thema für den Ich-Erzähler und seine jugendlichen Freunde, die sich wie Underdogs voller Verachtung für die Gesellschaft durch das Leben bewegen. Mit Alkohol und anderen Drogen. Sie benutzen eine für die konservative rumänische Kulturszene gewöhnungsbedürftige drastische Sprache. Während die Deutschen beim Fluchen sich an Fäkalien orientieren, halten es die Rumänen wie die Italiener: Sprachlich dreht sich alles um das männliche Geschlecht.

Ein harter Realismus hat die Metapher abgelöst. Chiva selbst nennt es "Frustsprache", die für ihn die Antwort ist auf den exzessiven Metapherngebrauch in der rumänischen Literatur und die "leere Diskursivität". Gleichzeitig macht Chiva im Roman selbst sein Schreiben dieses Romans zum Thema. Ins Deutsche übersetzt, heißt es: "Ich muss einen Roman schreiben, der meine kranke Jugend rächt, mit ihren hoffnungslosen Nächten, in denen ich immer mehr das Leben, die Zuversicht und Neugierde verlor".

Es geht den meisten Autoren um mehr als den Tabubruch. Doch "Sex sells" und darauf ist das Medieninteresse fokussiert. Ioana Bradea kam 2004 mit ihrem als pornografisch verschrienen Roman "Bagau" an Catarescus Verkaufszahlen heran (Editura Est). Identitätsfindung, Autofiktion, Ironie und Selbstironie sind als Schlagwörter für die junge Literatur einsetzbar, nur sind sie weniger griffig als Sex, Drogen und Gewalt. Und wie alle Schlagworte, passen auch sie natürlich nicht zu allen AutorInnen.

So zum Beispiel im Fall von Dan Lungu. Lungus "Raiul Gainilor" (Das Hühnerparadies, Polirom 2004) ist keine Reflektion eines erzählerischen Ichs, sondern erzählt von einem abgeschiedenen Ort als eine eigene kleine Welt. Hier ist die untröstlich im Zustand des gesellschaftlichen Übergangs gefangene Alltäglichkeit Thema.

Cecilia Stefanescus, die wie Lungu an "Les Belles Etrangeres" teilnimmt, ist nicht bissig-satirisch und lakonisch wie Lungu, sondern pflegt einen elaborierten literarischen Stil mit ausgefeilten Sätzen und unterschiedlichen Textarten. Ihr Roman "Legaturi bolnavicioase", (Kränkliche Liebschaften, Polirom 2005) handelt von der psychologischen Verstrickung der Ich-Erzählerin in ihren "amitiees amoureuses".

Lesbische Liebe oder die Gender-Frage interessiert sie dabei nicht, wie Stefanescu erklärt. Es geht ihr, und hier passt nun doch wieder das Stichwort Identitätsfindung, um die Suche nach dem Ich im Übergangsstadium vom Jugendlichen zum Erwachsenen. Die äußere Welt spielt nur am Rande eine Rolle. Tudor Giurgiu hat den Roman gerade verfilmt. Der Gründer des Transilvanian Film Festival, keine 35 Jahre alt, ist seit einigen Monaten auch Direktor des Staatlichen Rumänischen Fernsehens. Aber das ist eine andere junge (Erfolgs)geschichte.


Bücherorte

Jung ist auch die Mannschaft, die hier arbeitet: Im sorgsam restaurierten Adelspalais der Familie Sturdza, das die schönste Buchhandlung Bukarests beherbergt: "Carturesti".

Ähnlich einigen deutschen Buchhandelsketten bietet sie ihren Kunden die Möglichkeit, bequem sitzend Bücher anzulesen, auszuwählen oder liegenzulassen. Und dabei etwas zu trinken. Hier serviert man ausschließlich Tee; in einem Ambiente, das als antipodischer Ort zu den großen Fastfood-Restaurants erscheint, die wenige Meter entfernt am hektischen Shopping-Boulevard liegen. Dort dröhnt die Musik und drängeln sich die Menschen. Hier spielt sie leise im Hintergrund des großen Raumes, der als Teestube dient und wo die Tische so weit auseinander stehen, das man sich nicht in die Quere kommt.

Das Konzept ist ungewohnt in Rumänien. Nur "Humanitas" bietet inzwischen das Kaffeetrinken im Buchladen an. Dem Verlag gebührt der Ruhm, bereits 1992 mit der Professionalisierung des Buchverkaufs begonnen zu haben: Modernes Ladendesign, offene Regale und Büchertische, geschultes Personal. Aus der Not des mangelhaften Vertriebssystems geboren, hat sich die Initiative zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt: Inzwischen sind in allen größeren Städten Rumäniens "Humanitas"-Buchläden präsent.

Gleichzeitig gibt es immer noch zahlreiche Buchverkaufsstellen, die anders aussehen. Aufklappbare Tische mit einigen Dutzend Titeln in einem zugigen Durchgang, ein fester Kiosk am Straßenrand und die "gemischten" Geschäfte. Sie sind am häufigsten anzutreffen: Während in der einen Hälfte Schul- und Bürobedarf, Glückwunschkarten, aber auch Gesellschaftsspiele, Barbiepuppen und Plastikautos verkauft werden, stapeln sich in der anderen Hälfte die Bücher.

Inzwischen geht es hier etwas freundlicher zu als in den Verkaufsstellen sozialistischer Ära, deren letztes Überbleibsel am Boulevard Margheru kürzlich umgestaltet wurde und jetzt auch zu den "gemischten" Geschäften gehört.

Vorher war es so: Beim Eintreten blickte man auf eine Reihe von Verkaufstheken, hinter denen mürrische Damen standen. Jede einzelne von ihnen verwaltete ein bestimmtes Segment. Von ihrer Kooperationsbereitschaft war der Kunde abhängig, denn die meisten Bücher befanden sich hinter diesen Damen in Regalen. Wenn sie spätestens bei der dritten Bitte des Kunden, dieses oder jenes Buch herüberzureichen, genervt die Augen verdrehten und sich der Verschreckte lieber den Büchern auf den Theken zuwendete, musste er mit der Anklage rechnen, dort Unordnung erzeugen zu wollen. Mit Argusaugen wurde jede seiner Bewegungen argwöhnisch verfolgt. Bis zum bitteren Ende, bis zum rettenden Ausgang.

Vor dem Hintergrund dieser alten Gepflogenheiten ist das Sich-frei-Bewegen mit Büchern geradezu revolutionär. Und für viele, wie es scheint, noch ungewohnt. Man sieht bei "Carturesti" nur selten Besucher mit Büchern vor sich auf dem Tisch. Die meisten sitzen hier einfach so, genießen die geringe Lautstärke der Musik und die große Auswahl an Tees.

Geleitet wird "Carturesti" von dem jungen (1978 geb.), sympathisch-höflichen Bukarester Daniel Voinea, der nach dem Theaterregie-Studium vor acht Jahren zum Buchhandel kam. Er ist auf den internationalen Markt spezialisiert, insbesondere auf Architektur- und Kunstbücher. Mit diesem Segment hat im Jahr 2000 auch die Erfolgsgeschichte von "Carturesti" begonnen. Der erste kleine Laden in der Nähe der Architekturfakultät entwickelte sich schon bald zu einer Anlaufstelle für alle, die wissen wollten, was außerhalb Rumäniens gebaut, konzipiert, kreiert und designt wird. Kunst- und Architekturbücher sind auch in dem drei Jahre später eröffneten größeren Laden im Zentrum ein Schwerpunkt.


Bürgergesellschaft

Mit einem Fitnessstudio oder einer Cocktailbar für die Bukarester Upper Class und Expat-Szene, die hier wie die Pilze aus dem Boden schießen, hätten die Investoren von "Carturesti" vielleicht das große Geld in kurzer Zeit gemacht. Wie es so viele hoffen und antreibt. Doch Serban Radu und Nicoletta Dumitru haben ihr im Musikbusiness bzw. Finanzconsulting verdientes Geld lieber in eine Buchhandlung gesteckt. Das ist ehrenwert.

"Carturesti" sei ein "komplexer brand", ein Unternehmen, das nicht allein den ökonomischen Erfolg im Blick habe, sondern Räume schaffen wolle für eine offene Kultur, für Diskussion und Information, erklärt Voinea. "Wir haben keine Zivilgesellschaft. ‘Carturesti’ ist eine Initiative in ihre Richtung."

Hinter dieser Idee würden auch die dreißig Mitarbeiter stehen, die wie er selbst mehrheitlich einen künstlerischen oder geisteswissenschaftlichen Background haben. Auch die Besitzer der Immobilie unterstützen das Unternehmen mit einer unter dem Markt liegenden Miete.

"Carturesti" hat es geschafft: Inzwischen ist der Ort zu einem Treffpunkt der Kulturszene geworden. Alle möglichen Arten von Veranstaltungen finden hier statt. Buchpräsentation, aber auch Debatten und Ausstellungen. Bei all dem Idealismus bleibt das Geschäftliche nicht auf der Strecke. Auch wenn keine konkreten Zahlen genannt werden, scheint es "Carturesti" wirtschaftlich nicht schlecht zu gehen, denn es wird expandiert: in Bukarest kommt ein dritter Laden hinzu und drei neue entstehen in Iasi, Cluj und Temeswar .