Anonyma

Das Inzest-Tagebuch

Cover: Das Inzest-Tagebuch
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017
ISBN 9783608961881
Gebunden, 142 Seiten, 17,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Christa Schuenke. "In den Märchen über Inzest zwischen Vater und Tochter - 'Das Mädchen ohne Hände', 'Allerleirauh', in der Originalversion von 'Aschenputtel' und den Geschichten der Heiligen Dymphna, der Patronin aller Inzest-Opfer - verhalten sich die Töchter immer genauso, wie man es von ihnen erwarten würde: Sie sind entsetzt über die sexuellen Annäherungen ihrer Väter. Sie tun alles, was in ihrer Macht steht, um zu entkommen. Ich nicht. Ein Kleinkind kann nicht entkommen. Und später, als ich es konnte, war es zu spät." Eine junge Frau wird mehr als zwanzig Jahre lang von ihrem Vater sexuell missbraucht. Tiefsitzende Ängste prägen ihr Sein, ihr Weltbild, ihr Verständnis von Familie. Unter dem Deckmantel einer intakten Familie wächst das Kleinkind zum Mädchen und schließlich zur Frau heran. Doch selbst im Erwachsenenalter lässt sie sich auf immer wieder neue Spielformen der Abhängigkeit, der Unterwerfung und der Gewalt ein.
In diesem Memoir ruft die Erzählerin ihre Kindheitstraumata und deren Folgen wieder auf. Sie spürt der Frage nach, wie die jahrzehntelangen Vergewaltigungen durch ihren Vater sie geprägt haben und inwiefern sie den erlernten Abhängigkeiten immer noch unterworfen ist. Ihr Tatsachenbericht legt offen, dass ein Leben, welches als Sexualobjekt statt als Kind begonnen wird, kein Leben ist. Die körperlichen und psychischen Zwänge, denen die Erzählerin jahrelang ausgesetzt war, münden in eine Abwärtsspirale, aus der es kein Entkommen gibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.09.2017

Als Akt der Selbstermächtigung versteht Susanne Lenz das Buch von Anonyma. Die Inzest-Geschichte liest sie nicht gerne und bekommt auch keine wirklich neuen Einsichten, wie die Autorin ihre Leidensgeschichte erzählt jedoch, nicht nur aus der Opferperspektive und mit lakonischer Distanz, hat Lenz beeindruckt. Vor der explizit pornografischen Sprache im Text warnt sie den Leser. Sie nimmt einem den Atem, meint sie.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.09.2017

Rezensentin Carola Ebeling mahnt eine behutsame Auseinandersetzung mit diesem Text an, in dem eine Frau von ihrem achtzehn Jahre dauernden sexuellen Missbrauch durch ihren Vater berichtet: Explizit und drastisch, aber auch reflektiert, komplex und literarisiert. Die brutalen Übergriffe des Vaters begannen, als die Autorin drei Jahre alt war und dauerten bis sie einundzwanzig wurde; ihr Bruder und ihre Mutter wollen nichts bemerkt haben. Was den Text so bedeutsam macht, erklärt die Rezensentin, ist das Bekenntnis der anonymen Autorin, Lust empfunden zu haben. Ebeling findet das wichtig, denn es minimiere keineswegs die Schuld des Vaters, sondern zeige die psychische Abhängigkeit eines Kindes, bei dem emotionale Bindung und sexuelle Stimulation auf so brutale Weise verbunden werden. Am Ende vergrößere dies noch die Scham die Opfers. Ebeling vermisst ein Nachwort, das geholfen hätte, den Text einzuordnen und Besprechungen in der deutschen Presse verhindert hätte, die sie als Skandalisierung geißelt.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 05.08.2017

Mara Delius gibt zu, dass es ihr schwerfällt, über das anonym veröffentlichte "Inzest-Tagebuch" zu schreiben. Darin hat eine Frau, nach Aussage des Verlegers, ihre eigene Missbrauchsgeschichte festgehalten, so die Rezensentin: Seit sie drei war, wurde sie von ihrem Vater sexuell missbraucht, selbst als junge Frau noch, nur dass es ihr dann irgendwann gefiel und Lust bereitete und damit das Verhältnis verkomplizierte. Das Buch ist weder ein nüchterner Bericht noch theoretisch distanziert, verrät Delius, unter Missachtung aller Tabus und nicht moralisierend wurde hier ein "unklares Gefühlsgemisch" aufgeschrieben, das Beklemmungen auslöst und anstößt. Nicht umsonst wird über dieses Buch seit einer Weile viel gestritten, weiß die Rezensentin.