Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
12.01.2004. In dieser Woche: Warum Experten der deutschen Buchbranche apokalyptische Perspektiven bescheinigen. Und woher Bertelsmann seine Bestseller holt. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Der Markt wird immer enger, das dürfte jedem klar sein. Doch wie schlimm ist es wirklich um die Buchbranche bestellt? Die Verfasser der Studie "Brennpunkt Verlage", Medienberater Andreas Becker und Marc Ziegler, prognostizieren bis zum Jahr 2008 Umsatzeinbußen von 800 bis 900 Millionen Euro gegenüber 2002. Außerdem werde es am Ende der Dekade knapp 1600 weniger deutsche Buchverlage geben. Die Verlagsindustrie stehe vor einem längst überfälligen Strukturwandel, erklären Becker und Ziegler im Börsenblatt. Die Verlage hätten versäumt, ihre Unternehmen strikt nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auszurichten, das Produktmanagement zu straffen und innovative Martketing- und Vertriebskonzepte zu entwickeln.

Während sich viele in der Branche in 2003 sorgen mussten, dürften beim S. Fischer Verlag zum Jahresende die Sektkorken richtig doll geknallt haben: Die Frankfurter erzielten das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Die Titelzahl dürfe nicht zu groß sein, für jedes einzelne Buch müsse man Kraft und Ideen haben und keines könne ohne Assistenz gelassen werden, erläutert Programmgeschäftsführer Jörg Bong sein Erfolgskonzept im Börsenblatt-Interview.

Das Gebrauchtbuch boomt. Auf vier Prozent jährlich schätzt Boris Werts, Chief Operating Officer bei Abebooks, das Wachstum auf diesem Sektor. Der Online-Anteil sei mit 14 Prozent doppelt so hoch wie der des Internethandels mit neuen Büchern, 2006 solle dieser Anteil auf fast 17 Prozent steigen. Bei Gebrauchtbüchern lägen Potenziale brach, davon ist Werts überzeugt. "Für die Buchbranche sollten sie kein Stein des Anstoßes, sondern Anlass zum Ansporn sein - vorausgesetzt die Spielregeln der Preisbindung werden befolgt."

T.C. Boyle will erst mit 95 Jahren in Rente gehen. Das erzählte der 55-jährige Bestseller-Autor und promovierte Literaturwissenschaftler dem Börsenblatt. Schreiben sei eine Form der Abhängigkeit. "Wenn man etwas zu Ende gebracht hat, löst das ein Glücksgefühl aus, das einem Drogenrausch ähnelt. Diese Erfüllung und tiefe Zufriedenheit möchte man immer wieder erleben."

Personalien: Gunnar Schmidt übernimmt ab Februar die Leitung von Rowohlt Berlin. Möglicherweise steht dem Hamburger Verlag Rogner & Bernhard ein Eigentümerwechsel bevor - Jakob Augstein, Sohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein, soll Interesse bekundet haben. Kerstin Gleba hat seit Januar Prokura und wird Mitglied der Geschäftsleitung von Kiepenheuer & Witsch. Jens Marquardt ist zum Geschäftsführer der Aufbau-Buchverlage ernannt worden. Mehr.

Meldungen: Börsenvereinsvorsteher Dieter Schormann rechnet für 2004 mit einem leichten Umsatzplus, zwischen einem und drei Prozent, im Vergleich zum vergangenen Jahr. Unter dem Dach von Springer Science + Business Media sind der Westdeutsche Verlag und der Verlag Leske + Budrich zum VS - Verlag für Sozialwissenschaften verschmolzen. VS plant jährlich mehr als 500 Novitäten.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Die alte und neue Supermacht Bertelsmann - das Titelthema im Buchreport. In den Jahresbestsellerlisten 2003 (siehe auch unten) dominierten die Bertelsmann Verlage - Random House-Imprints und Heyne zusammengerechnet - drei der vier Rankings. Im Hinblick auf die Frühjahrsvorschau stellt der Konzern ebenfalls "mit Abstand" die meisten Bestseller-Kandidaten. Seine Vorrangstellung habe der Branchenriese fast ausnahmslos mit Büchern fremdsprachiger Autoren, die ihre Marktprobe bereits in den Heimatländern bestanden hätten, erkämpft.

Für den Dezember 2003 verzeichnet der Buchreport-Umsatztrend ein positives Ergebnis von + 2,02 Prozent. Insgesamt habe der Buchhandelsumsatz gegenüber dem Vorjahr um weitere 2,24 Prozent abgespeckt. Das heißt, so der Buchreport, dass der Buchhandel nach 2001 und 2002 das dritte Mal mit einer roten Zahl unterm Strich abschließe.

Der Bertelsmann Club provoziert erneut die Sortimenter: "Jede Sekunde zählt", das zweite Buch von Lance Armstrong, soll nach Katalogangaben zeitgleich mit der Originalausgabe (auch bei Bertelsmann) erscheinen. 15 andere Titel blieben unter dem Sechs-Monats-Abstand, der laut Potsdamer Abkommen zwischen Buchhandels- und Originalausgabe liegen müsse, weiß der Buchreport. Nach dem Durchsetzen einer einstweiligen Verfügung, die Rudolf Braun-Elwert, stellvertretend für den Sortimenter-Ausschuss des Börsenvereins, angestrengt hat, soll eine ordentliche Verhandlung diesen Januar stattfinden.

Da der Buchclub anscheinend seine Felle wegschwimmen sieht, startet er einen weiteren ("letztmaligen", so der Buchreport) Versuch, wieder schwarze Zahlen zu schreiben: Er bietet Club-Kunden seit Jahresbeginn über den Bücher-Bestellservice Zugriff auf das reguläre Buchhandelsangebot. "Für die Sortimenter könnte das einen weiteren Verlust von Marktanteilen bedeuten", vermutet der Buchreport.

Elke Heidenreich hat mit "Lesen!" beim ZDF vorgemacht, wie man Quote macht. Die anderen Sender möchten's ihr nachtun. Während die Zukunft von Bodo Kirchhoffs Büchermagazin "cult date" wegen mangelnder Zuschauerresonanz für den Hessischen Rundfunk noch in den Sternen steht, hat der WDR, nach eigenen Angaben, gleich zwei Konzepte von Literatursendungen erfolgreich an den Start gebracht: "Kaminers Klub" und "Was liest du?". Wladimir Kaminer und seine beiden Gäste, die Autoren Ahne und Claudia Kaiser, lasen in der Pilotsendung aus eigenen Texten und diskutierten anschließend darüber. Jürgen von der Lippe trug zusammen mit seinen Gästen, den Comedians Cordula Stratmann und Matze Knop, die besten Stellen aus komischen Büchern vor.

Personalien: Peter Wilfert musste zum Jahreswechsel seinen Sessel im Eichborn-Vorstand räumen.

Meldungen: Letzten Samstag wurde die Hörbuchproduktion von "Harry Potter V" (Hörverlag) - jetzt doch mit der Stimme von Rufus Beck - abgeschlossen, am 19. Februar sollen die 30 CDs in den Handel kommen. Schon im März, ein halbes Jahr früher als geplant, bringt der im Herbst 2003 gegründete Schirmer Graf Verlag seine ersten Bücher auf den Markt. Jahresbestseller 2003 sind Joanne K. Rowlings "Harry Potter und der Orden des Phönix" (mehr), Carlsen, (in der Rubrik Hardcover Belletristik), Michael Moores "Stupid White Men" (mehr), Piper, (Hardcover Sachbuch), Henning Mankells "Der Mann, der lächelte" (mehr), Zsolnay, (Taschenbuch Belletristik) und Allan&Barbara Peases "Warum Männer nicht zuhören...", Ullstein, (Taschenbuch Sachbuch). Hier die aktuellen Bestsellerlisten.