Erik Schilling

Authentizität

Karriere einer Sehnsucht
Cover: Authentizität
C.H. Beck Verlag, München 2020
ISBN 9783406757600
Kartoniert, 155 Seiten, 14,95 EUR

Klappentext

Authentizität ist das Schlagwort der Stunde, die Sehnsucht der Gegenwart. Politiker sollen authentisch auftreten. Romane erzählen ungefiltert vom wahren Leben. Und im Dasein des Individuums verspricht Authentizität unverfälschtes Glück. Aber was ist der Preis? Wollen wir unsere Chefinnen und Minister wirklich unverstellt erleben - oder nicht lieber professionell? Wenn wir immerzu nach unserem 'wahren Ich' suchen, wo bleibt dann die Lust an der Veränderung und den Ambivalenzen des Lebens? Und wem wollen wir die Deutungshoheit darüber geben, was 'authentisch' deutsch sei? Erik Schilling geht dem Aufstieg des Authentizitätskults in Gesellschaft und Kultur nach und zeigt, dass seine Dominanz nicht nur zu langweiliger Kunst, laienhaften Politikern und unglücklichen Menschen führt, sondern auch zu Intoleranz und Spaltung. Indem er der Sehnsucht nach Authentizität auch philosophisch den Boden entzieht, plädiert er für ein freieres Verhältnis zu den Widersprüchen, mit denen die Welt und wir alle behaftet sind.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.12.2020

Kurz und bündig fertigt Rezensent Moritz Fehrle diese Studie ab. Sie sei zwar oft "unterhaltsam" und pointenreich, gesteht er zu. Dennoch könne sie - zumindest ihn - nicht darüber täuschen, dass sowohl das Authentizitätsbegehren als auch die Kritik daran keine so neue Sache ist. Man ist gewöhnt, dass konservative Diskurse auf das Echte und Wahre setzten, und so findet er es auch hier ausgebreitet. Zu knapp aber würdige der Autor, dass auch minoritäre Positionen nicht gefeit sind, zumindest sprachlich, mit dem Echten und Zweifelsfreien zu hantieren. Das könne man fein bespötteln, findet der Kritiker. Aber es bleibe die Tatsache bestehen, dass Festlegungen und nicht Ambivalenz gerne und gewalttätig - etwa Schwule oder Angehörige ethnischer Minderheiten - auf ihre Identität festnagelten. Da habe der Autor nicht gut aufgepasst, findet der Kritiker, dass sein Grundgedanke nicht zur Leugnung "struktureller Ungleichheit" beitrage.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 14.11.2020

Eckart Goebel erfährt bei Erik Schilling Wissenswertes über den Begriff der Authentizität und unser Verständnis davon. Klug und leicht scheint Goebel der Gang des Literaturwissenschaftlers durch Weltliteratur, Werbung, Politik und soziale Medien auf der Suche nach einer Sehnsucht, die sich als historisch variabel erweist. Goebel lernt: Zu Shakespeares Zeit galt die Knoblauchfahne noch als gesellschaftsfähig. Und: Heute ist Authentizität der "neue Goldstandard" des sozialen Miteinanders. Dass mit der Maßgabe, man selbst zu sein, die Probleme beginnen und der Begriff zu schillern anfängt, vermittelt Schilling dem Rezensenten auch, nicht nur in Bezug auf das Politische. Schillings Lösungsvorschlag erscheint Goebel als "intellektuelle Position" jenseits der Debatte um das "Echte".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.2020

Die FAZ lässt Erik Schillings Buch von Andreas Reckwitz besprechen, dem Autor des meist diskutierten soziologischen Werks der letzten Jahre, nämlich "Die Gesellschaft der Singularitäten". Und Reckwitz setzt sich intensiv und weitgehend positiv mit Schillings "schlankem Essay" auseinander. Vielem kann er zustimmen. Besonder im literarischen Feld benenne Schilling richtig eine Tendenz zu einer Authentizität - etwa bei Knausgard oder Edouard Louis -, deren Konstruiertheit zu verkennen naiv wäre. Diese Sehnsucht nach Authentizität begegenet Schillig und mit ihm Reckwitz auch auf anderen sozialen und kulturellen Feldern. Reckwitz mag Schilling aber nicht ganz in der Radikalität seiner Kritik folgen. Der Wunsch nach Authentizität, so meint er, könne durchaus auch mit dem Wunsch nach Ausbruch aus vorgegebenen Normen verknüpft sein. Übrigens liest er Schillings Buch auch als ein Zeichen, dass das modische Authentizitätsdenken sein Ende errreicht hat und möglicherweise eine neue spielerische und skeptische Phase folgt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.10.2020

Am Ende outet sich Rezensentin Maja Beckers als eine, die sich dringend aus linker Perspektive eine Kritik des Authentizitätsbegriffs wünscht. Denn hier, so ihr freundlicher Vorwurf an den Autor, werde letztlich die alte geisteswissenschaftliche Kritik gegen falsche Eindeutigkeit in Richtung Konservatismus gebürstet; der habe es schon immer leichter gehabt mit dem Konzept der Ambivalenz.  Über weite Strecken findet sie das Buch dennoch "unterhaltsam", wenn es ihr auch manchmal zu schlagzeilenartig mit der Peitsche knallt.
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