Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
14.08.2006. Warum das Web 2.0 ein Labor ist. Wie sich Starbucks als Buchhändler geriert. Was Vito von Eichborn besser die heutigen Eichborn-Chefs gemacht hätte. Und wer diesmal Angst vor Amazon hat.

buchreport.express

Fast alle großen Verlagsgruppen versuchen, von den Vorzügen des Web 2.0 zu profitieren, so auch Holtzbrinck. Im Interview mit buchreport beschreibt Stephan Roppel, Ex-Amazon-Bücherchef und seit Januar Geschäftsführer des neu gegründeten Holtzbrinck eLab, wie Buchverlage auf den Zug aufspringen können: Indem sie den Lesern ermöglichen, sich über Bücher und Autoren auszutauschen, und diesen "user generated content" durch professionelle Beiträge ergänzen (wofür man nebenbei keine Web 2.0-Applikationen braucht, sondern was seit Jahren auf der Amazon-Seite oder in Foren geschieht, nur eben von den Verlagen sehr zögerlich betrieben wird; rühmliche Ausnahme: Carlsen). Gemeinschaftlich erstellter "Literatur a la Wikipedia" gibt Roppel keine Chance. Fazit des arg phrasenhaften Interviews: "Das ganze Web ist jetzt ein eLab. Man muss herumexperimentieren, testen und auch wieder lassen, wenn es nicht funktioniert."

Der Buchhandel bangt um die schwarze Umsatznull, bilanziert buchreport das erste Halbjahr 2006. Nach Minuswerten im Juni (9,4 Prozent) und Juli (3,7 Prozent) ergebe sich kumuliert lediglich ein knappes Plus von 0,1 Prozent. Weil die Adventszeit in diesem Jahr vergleichsweise kurz und außerdem keine Top-Seller a la Dan Brown in Aussicht seien, ergebe sich eine düstere Perspektive für das restliche Jahr (mehr hier und hier). Aber der in diesem Heft statistikverliebte buchreport lässt hoffen: "Wunder geschehen immer wieder."

Immer häufiger überlassen die Kleinen den anrückenden Großen kampflos das Feld, in Brühl, wo Thalia noch im August eine Filiale eröffnet, wehrt sich der Platzhirsch Köhl gegen die Konkurrenz. Ein "Freundeskreis" soll für Solidarität mit dem Traditionalisten, Treueprämien sollen für Kaufanreize sorgen. Manko: Der Standort der Thalia-Filiale ist bedeutend attraktiver.

Neben den Bohnen will Starbucks (11000 Filiane weltweit) jetzt auch Bücher verköstigen. In den USA hat die Kaffeehauskette in Kooperation mit der Literaturagentur William Morris Agency das erste Buchprojekt vorgestellt: Der neue Roman "For One More Day" von Mitch Albom soll ab 3. Oktober in den 5400 US-Filialen verkauft werden, begleitet von einer aufwändigen Werbekampagne (unter www.starbucksbookbreak.com legt sich der Kaffeeröster auch im Internet ins Zeug).

Weitere Artikel: Weltbild eröffnet eine Filiale in Dortmund. Die Hohe Straße in Köln ist die meistbesuchte Einkaufsstraße in Deutschland (17145 Passanten pro Stunde), gefolgt von der Frankfurter Zeil und der Stuttgarter Königstraße. Durch die Entzerrung der Ferientermine ergeben sich im Schulbuchgeschäft gravierende Umsatzverschiebungen. Der Preisverfall von DVDs (2005 um 10 Prozent, seit 1998 um 30 Prozent) irritiert auch die (wenigen) Buchhändler, die auch auf andere Medien setzen.

Lesetipp am Schluss: Im "Postskriptum" nimmt Emil Echo Bezug auf den Scherz von Wiglaf Droste, die israelische Luftwaffe solle statt Beirut lieber das namensähnliche Bayreuth bombadieren. Echo reagiert mit einem Schüttelvers: "Bei Wagners auf dem Grünen Hügel / beziehen viele Hünen Prügel. / Deshalb zahl'n die aparten Kreise / auch hünenhafte Kartenpreise."

Börsenblatt

Mischt Apple, nachdem iTunes vor Jahren den Startschuss für den legalen Vertrieb digitaler Musikdateien abgefeuert hat, jetzt die Verlagsbranche auf? Das Börsenblattt greift die durch den Engadget-Blog verbreiteten Gerüchte, dass bei iTunes demnächst auch E-Books verkauft werden, auf und verweist darauf, dass der iPod schon heute Texte anzeigen könne. PS: Doch selbst wenn die neuen iPods ein noch kontrastreicheres Display erhalten, stellt sich die Frage, wer auf diesen kleinen Bildschirmen gerne längere Texte liest. Auch die Videofunktion der aktuellen Modelle funktioniert tadellos, und trotzdem sieht man in der U-Bahn selten jemanden mit weißen Stöpseln im Ohr, der Kinofilme oder Musikvideos auf dem 2,5-Zoll-Schirm anschaut.

Wer hat Angst vor Amazon, könnte eine wöchentliche Kolumne in den Branchenblättern überschrieben sein. Diesmal klagen die Kunstbuch-Sortimenter, weil der Onlinebuchhändler englischsprachige Titel günstiger von den Verlagen einkaufen und (da die Titel nicht preisgebunden sind) in Deutschland günstiger als alle anderen anbieten kann. Konsequenz: Appetit holen sich die Leser zunehmend im Buchhandel, bestellt wird zu Hause am Rechner. Auch die Bibliotheken bestellen nach den Börsenblatt-Recherchen zunehmend im Netz. In einem weiteren Artikel weisen die Frankfurter darauf hin, dass Amazon auch das Engagement im Schulbuchgeschäft forciert und seit Juli ein großes "Schul-Special" mit mehr als 45000 Titeln hervorkehrt.

Zweiter großer Player, den die restliche Branche mit einer Mischung aus Hass und Bewunderung beobachtet: Thalia. In einem vierseitigen Artikel zeichnet das Börsenblatt die Strategie des größten Filialisten nach, ohne dem Leser allerdings viel Neuigkeiten anzubieten. Auf einer (bei buchreport abgekupferten) Karte zeigen die Branchenjournalisten, wie sich Thalia bereits nahezu flächendeckend in Deutschland ausgebreitet hat. Im Interview präsentiert sich Thalia-Chef Michael Busch unverbindlich und branchenpolitisch korrekt und bestätigt erneut die Strategie, Thalia als bundesweit bekannte Marke etablieren zu wollen. Den Marktanteil von Thalia schätzt Busch deutschlandweit auf "unter fünf Prozent", im deutschsprachigen Raum auf sieben Prozent.

Last but not least steigt auch der Spiegel ins Buch-Editionen-Geschäft ein, mit 40 Bestsellern der vergangenen Jahrzehnte. Ob das mal gut geht, angesichts des Schwächelns einiger aktueller Editionen? Na klar, versichert Spiegel-Kultur-Chef Matthias Matussek im Interview mit dem neuen BöBla-Chefredakteur Torsten Casimir. Matussek hofft, dass sich die Edition als "Best of"-Sammlung, "ähnlich wie eine gute Pop-Collection von Platten", behaupten wird. Bei der Lizenzjagd, räumt Matussek ein, habe der Spiegel nicht alle Wunschtitel bekommen, so fehle unter anderem Gabriel Garcia Marquez.

In einem wunderbaren Streitgespräch - das Highlight der Ausgabe - treffen Eichborn-Gestern (seines Zeichens Vito von, 1995 als Geschäftsführer ausgeschieden) und Eichborn-Heute (Matthias Kierzek, Matthias Bischoff) aufeinander. Unter seiner Regie wäre der Verlag stärker gewachsen und hätte die Schwergewichte Moers und Enzensberger vor dem Weggang bewahren können, betont der Verlagsgründer selbstbewusst. Interviewer Holger Heimann stellt scharfe Fragen, legt den Finger tief in die Wunden der heutigen Verlagschefs - Eichborn musste zuletzt Umsatzeinbrüche und den Rechtsstreit mit dem Mehrheitsaktionär Ludwig Fresenius verkraften -, konfrontiert Kierzek mit der These, er sei kein richtiger Verleger. Allen drei hält er abschließend entgegen, dass sie nicht dort angekommen seien, wo sie hinwollten. Eichborns Replik: "Allein Die andere Bibliothek gerettet zu haben, legitimiert das hier."

Weitere Artikel: Random House expandiert in Korea und übernimmt den Verlag Joong Ang. 70 Prozent der Deutschen sind für die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Das Handelsblatt bringt im September die Schäffer-Poeschel ein zwölfbändiges Wirtschaftslexikon heraus. Der Börsenverein kooperiert mit der Deutschen Welle, um den Deutschen Buchpreis zu unterstützen. Der buch.de-Umsatz ist im ersten Halbjahr 2006 um 23 Prozent gestiegen.
Archiv: Börsenblatt