9punkt - Die Debattenrundschau

Mit maximaler Polemik

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
09.09.2016. in Libération versucht der Politologe Philippe Corcuff zu erklären, was Islamophobie ist. Stefan Niggemeier bereitet sich in seinem Blog auf eine turbulente Mitgliederversammlung der VG Wort vor. Viel Aufsehen erregt im Netz ein Brief des Aftenposten-Chefredakteurs Espen Egil Hansen an Mark Zuckerberg: "Du missbrauchst meiner Meinung nach deine Macht." Die Electronic Frontier Foundation misstraut Apples kabellosen Kopfhörern.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 09.09.2016 finden Sie hier

Ideen

Radikaler Islamismus, Antisemitisimus und "Islamophobie" seien gemeinsam zu bekämpfen, schreibt der Politologe Philippe Corcuff in Libération. Letzteren Begriff versucht er so zu klären: "Die Islamophobie als negative Wesensbeschreibung und diskriminierende Stigmatisierung der Muslime verschmutzt die Debatten in unerträglicher Weise, vom Kopftuch über das Halal-Fleisch, die Gebete auf der Straße, Schulmenüs ohne Schweinefleisch bis zum Burkini. In ihren sanfteren Formen setzt Islamophobie muslimische Praktiken mit islamistischer Gewalt gleich. Und spielt damit das Spiel der fundamentalistischen Propaganda."

In der SZ stellt Thomas Steinfeld den amerikanischen Künstler und Philosophen Michael Betancourt vor, der gerade sein Buch "Critique of Digital Capitalism" veröffentlicht hat: Betancourt glaubt nicht, dass die digitale Technik mehr Chance für alle bietet, weil jeder an ihr teilhaben kann. "Die zum Internet gehörende 'Illusion, es gebe eine Produktion, die nichts kostet', sagt er, sei vielmehr die Voraussetzung einer 'Kolonialisierung sozialer Verhältnisse' unter die Warenform. ... Michael Betancourt spricht von einem 'magischen Reich jenseits physischer Begrenzungen', das grenzenloses Wachstum verheiße. Dessen Voraussetzung sei die Unterwerfung menschlicher Beziehungen unter ein 'grid', das heißt: ein standardisiertes, digital zu verarbeitendes Muster."
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Urheberrecht

Stefan Niggemeier schildert auf seinem Blog ausführlich die Hintergründe zur  außerordentlichen Mitgliederversammlung der VG Wort und attackiert seinen ehemaligen FAZ-Kollegen Michael Hanfeld, der gestern die Kritiker der VG Wort angegriffen hat (unser Resümee): "Der Text zeigt, wie hart die Bandagen sind, mit denen gekämpft wird. Mit maximaler Polemik und Apokalypsenmalerei macht er Stimmung gegen Menschen, die die VG-Wort-Führung kritisieren und andere Interessen vertreten als die der Verlage. "
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Stichwörter: VG Wort, Urheberrecht

Internet

Es kommt Bewegung in die Debatte um Adblocker, schreibt Helena Kaschel  bei Wired.de: Bestrebungen von Medien, die Werbeunterdrücker zu verbieten werden von der Politik unterstützt, etwa von der EU: "Der Grund: Werbefilterung verstoße gegen die Netzneutralität. In der deutschen Politik waren Ad-Blocker lange kein Thema - bis jetzt. Nach Recherchen des Portals netzpolitik.org beschäftigt sich die Bund-Länder-Kommission für Medienkonvergenz (BLKM) schon seit einem halben Jahr mit der Problematik, nämlich seit einem Treffen zwischen der Bundeskanzlerin und den Regierungschefs der Länder im Dezember 2015."

(Via netzpolitik.org) Facebook hat das berühmte Kriegsfoto des von Napalm verletzten nackten Mädchens Kim Phuc gelöscht - wegen der Nacktheit. Gepostet worden war es von einem norwegischen Autor, dessen Konto Facebook nach seiner Beschwerde löschte. Darauf antwortet in Facebook und in seiner Zeitung der Chefredakteur der norwegischen Zeitung Aftenposten, Espen Egil Hansen - mit einem Brief an Mark Zuckerberg: "Obwohl ich Chefredakteur von Norwegens größter Zeitung bin, muss ich feststellen, dass du den Raum meiner redaktionellen Verantwortung einschränkst. Denn nichts anderes tust du und tun deine Untergebenen in diesem Fall. Du missbrauchst meiner Meinung nach deine Macht, und ich kann mir kaum vorstellen, dass du dir das wirklich klarmachst." Auch der Guardian berichtet.

Die kabellosen Kopfhörer des neuen Iphones erlauben es Apple und der Musikindustrie, mehr Kontrolle über die Nutzer auszuüben, schreibt Elliot Harmon bei der Electonic Frontier Foundation: "Wenn es unmöglich ist, ohne Apple-Software einen Lautsprecher oder andere Audiogeräte  an das Iphone anzuschließen, dann werden Major Companies Apple auffordern festzulegen, wie die Nutzer den Inhalt nutzen. Da das Gesetz 'digital rights management' (DRM) schützt, wird es demnächst womöglich illegal sein, potenzielle Begrenzungen zu umgehen, selbst wenn es völlig legalen Zwecken dient."
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