Spätaffäre

Die Quelle der Transformation ist dieselbe

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
24.01.2014. Das Wetter lädt zum Zuhausebleiben ein - wir haben das Unterhaltungsprogramm dafür. Zum Beispiel Barbet Schroeders Film "Die Spieler" (auf Wunsch im französischen Original), Klaus Buhlerts Hörspielbearbeitung von Arno Schmidts Trilogie "Nobodaddy's Kinder" und David Cronenbergs Vorwort zur englischen Neuübersetzung von Franz Kafkas "Verwandlung".

Für die Augen

arte bringt eine Dokumentation über das Verhältnis von Pier Paolo Pasolini zu Rom. Aus dem Programmtext: "Um Pasolinis besondere Beziehung zu Rom zu erforschen, will die Dokumentation erfassen, was die Stadt ausmacht und definiert: Politik und Poesie, Freundschaft und Sex - und immer wieder das Kino." Dabei kommen auch zahlreiche Weggefährten des Regisseurs zu Wort. Laufzeit: 54 Minuten.


Mehr Kino für den Freitagabend auf arte: In voller Länge ist dort Barbet Schroeders "Die Spieler" aus dem Jahr 1983 zu sehen - über die Funktion "Version" sogar im französischen Originalton! Die New York Times meinte seinerzeit: "entertaining, weirdly elegant tale about people moving too fast, living too intensely, along the thin line that separates elation from despair." Wir wünschen vergnügliche 91 Minuten!


Zugegeben, der Ton ist nicht so toll, aber der Studentenfilm von Tamar Simon Hoffs ist nur 22 Minuten lang, und so lange kann man dem unglaublichen John Cassavetes locker dabei zuzusehen, wie er einen Haarschnitt bekommt (und noch manches andere). Regisseurin Hoffs war übrigens die Mutter von Bangle Susanna Hoffs, die hier als Mitglied der Bangs einen Kurzauftritt hat:


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Für die Ohren

Zum Ende der Arno-Schmidt-Woche empfehlen wir einen Besuch im Hörspiel Pool des br, wo Klaus Buhlerts Bearbeitungen von Schmidts Trilogie "Nobodaddy's Kinder" angehört und heruntergeladen werden können. Zu finden sind bislang "Schwarze Spiegel" (1997) und "Aus dem Leben eines Fauns" (1998); der dritte Teil "Brand's Haide" folgt nächste Woche. (je 87 Min.)

"Die Todesstrafe ist angemessen", ein beklemmendes WDR-Feature von Christine Sievers und Nicolaus Schröder über den Prozess gegen Ernst Jennrich, den die DDR wegen Rädelschaft bei den Aufständen vom 17. Juni 1953 und wegen nicht nachgewiesenen Mordes an einem Polizeibeamten zum Tode verurteilte. Mit vielen historischen O-Tönen. Hier zum Nachhören (53 Min.).

Außerdem nach dem gestrigen ersten Teil: Der zweite Teil der WDR-Hörspielbearbeitung von Bram Stokers "Dracula". Teil drei wird kommende Woche gesendet. (51 Min.)
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Für Sinn und Verstand

"Ich erwachte kürzlich eines Morgens und fand mich in einen 70jährigen Mann verwandelt", beginnt der kanadische Filmregisseur David Cronenberg sein von der Paris Review dokumentiertes Vorwort zu einer englischen Neuübersetzung von Kafkas "Die Verwandlung". Aber lässt sich Kafkas Erzählung wirklich ohne weiteres als Allegorie auf das menschliche Altern verstehen? "Gewiss, einen Geburtstag sieht man schon von Weitem, und wenn er eintritt, sollte das keinem Schock gleichkommen. Und wie einem jeder wohlwollende Freund sagen wird, ist 70 auch nur eine Zahl. ... Die zwei Szenarien, Gregors und meines, scheinen so unterschiedlich, dass man sich fragen könnte, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, beide zu vergleichen. Ich aber sage: Die Quelle der Transformation ist dieselbe. Wir beide erwachten in einem Zustand erzwungenen Bewusstseins dessen, was wir wirklich sind. Und dieses Bewusstsein ist grundlegend und unumkehrbar. In beiden Fällen entpuppt sich die Wahnvorstellung als neue, vorgeschriebene Realität. Und das Leben geht nicht weiter wie bisher." (Wer lieber hört als liest: Hier ein Link zu einem 90-minütigen autobiografischen Interview mit Cronenberg auf 3sat.)

Im Bookforum bekommt die Aktivistin und Filmemacherin Astra Taylor beim Lesen von Brad Stones Biografie über Jeff Bezos Gänsehaut. Höchst beunruhigend findet sie nicht nur Bezos eindimensionale Erfolgsfixierung, sondern auch die Zukunftsvision, die Stone in seinem Buch entwirft: "Der Autor lässt keinen Zweifel, dass Amazon den Buchmarkt komplett dominieren, die ganz großen Autoren publizieren und jeden Zentimeter der Verlagsindustrie kontrollieren will … Stones Kapitel über Bezos' angespanntes Verhältnis zu Verlagen ist eine provokante Fallstudie, die Amazons Weg vom potenziellen Retter im Kampf gegen Großbuchhändler zum schrecklichen Feind nachvollzieht. Führungskräfte aus Amazons Buchgeschäft verließen das Unternehmen, weil sie die skrupellosen Vertragsverhandlungen nicht mehr ertrugen. Das Tauziehen mit kleinen Verlagen über den digitalen Zugang zu ihren Backlists firmierte intern unter dem vielsagenden Namen 'Gazelle-Projekt'."

Ebenfalls im Bookforum: Jim Newell erfährt bei Malcom Gladwell ("David and Goliath") wofür eine ordentliche Lese- und Rechtschreibschwäche gut sein kann oder der frühe Verlust eines Elternteils und wieso die Gesellschaft Außenseiter braucht: Die Kompensation treibt uns zu Höchstleistungen an. Und exklusiv online stellt Jeremy Lybarger die neue Burroughs-Biografie von Barry Miles vor, die weitgehend ohne Hyperbel auskommt. Bei dem Leben keine Kleinigkeit.