Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
29.07.2002. In dieser Woche lesen Sie: Warum in den Publikumsverlagen die falschen Bücher von den falschen Leuten gemacht werden. Wer im Fahrwasser von Harry Potter auf Erfolgskurs ist. Wo Thalia weiter wächst. Was der Süddeutsche Verlag mit seiner Fachsparte vorhat. Und dass der Ausverkauf der Kunst nichts Neues ist.

Börsenblatt

Zwölf "linke Verlage" haben sich zusammengeschlossen, um das Buch "Unterhaltungen über den Sozialismus nach seinem Verschwinden" zu produzieren. Beteiligt an dem Titel sind die Verlage Argument, BdWi, Berliner Debatte, Carl Dietz, Globus, Pahl-Rugenstein, PapyRossa, spw, VSA, Weiss, Widerspruch und Yetipress.

Der Bertelsmann Buchclub führt seinen Spezialclub für romantische Literatur weiter, will ihn aber enger mit dem Clubsortiment "verzahnen", berichtet das Börsenblatt. Der Club mit dem schönen Namen Moments hat derzeit 10.000 Kunden. Der Moments-Katalog geht künftig nicht mehr nur an sie, sondern auch an rund 200.000 der insgesamt knapp vier Millionen Club-Mitglieder, "die eine Affinität für romantische Lektüre haben erkennen lassen". "Eine Befragung der Moments-Mitglieder habe gezeigt, dass die Kunden eine stationäre Anlaufstelle wünschten und darüber hinaus auch an anderen Produkten interessiert seien, sagte Markus Naewie, Leiter Business Development beim Club, dem Börsenblatt. Umgekehrt hätten die Club-Mitglieder, die auch Moments-Mitglieder geworden sind, ihren Einkauf beim Club nicht verringert. Die Moments-Kunden sind nach den Worten Naewies Vielleser, die im Schnitt mehr als 20 Romane im Jahr kaufen."

Die Zahl der Neuerscheinungen in Österreich ist im vergangenen Jahr um fünf Prozent gestiegen: "Die 'Österreichische Bibliographie' verzeichnet 4.263 Novitäten, 202 mehr als im Vorjahr. Verlegt wurden insbesondere mehr Belletristik, Kinder- und Jugendbücher sowie Titel aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften."

Weitere Meldungen: Amazon.com hat den Umsatz erhöht, schreibt dennoch weiter rote Zahlen, ist aber überzeugt, das Geschäftsjahr 2002 mit einem Plus abzuschließen. Der Thieme Verlag bietet medizinischen Fachbuchhandlungen die Möglichkeit, für 300 Euro pro Jahr ein virtuelles Schaufenster auf einer Thieme-Website einzurichten (mehr hier). Der Elternratgeberverlag Oberstebrink will seine Titel künftig weltweit vermarkten. Harry Potter belastet das Achterbahn-Ergebnis. Und BertelsmannSpringer übernimmt die Netzeitung.

Außerdem schreibt Andreas Meyer über die Kundenorientierung von Publikumsverlagen. Er fordert ein radikales Umdenken in den Verlagen hin zu kundenzentriertem Arbeiten. Dieses Umdenken könne nicht im Vertrieb oder im Lektorat beginnen, sondern nur mit der Verpflichtung zur absoluten Kundenorientierung auf Top-Managementebene. "Solange nicht die Kundensicht, sondern die Produktsicht dominiert, werden nicht nur zu viele, sondern die falschen Bücher von den falschen Leuten gemacht."

Dann porträtiert Sabine Schwietert die Heidelberger Buchhandlung Leanders Leseladen, deren Inhaberin Gabriele Hoffmann sich mit ihren Kinderbuchempfehlungen (Leanders Leseliste) einen Namen gemacht hat. Und Claudia Kramatschek stellt einige Bücher aus den Herbstprogrammen der Belletristik-Verlage vor.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Aufmacher dieses Heftes ist der Wunsch vieler Verlage und Autoren, an den Erfolg von Joanne K. Rowling anzuknüpfen. Der buchreport listet Bücher auf, die sich möglicherweise von Harry Potter haben inspirieren lassen: die Artemis-Fowl-Trilogie von Eoin Colfer (List), "Molly Moon's Incredible Book of Hypnotism" von Georgia Byng (erscheint im kommenden Jahr bei Hanser) sowie "Der Herr der Diebe" von Cornelia Funke (Dressler). Von einer "Bartimaeus-Trilogie" existiert zwar erst ein 92-seitiges Expose, doch erhielt der Autor Jonathan Stroud dafür bereits umgerechnet 3,3 Millionen Euro Vorschuss. Das Kinderbuch von Cornelia Funke erschien bereits vor zwei Jahren. Aus eigener Tasche zahlte die Autorin eine Übersetzung ins Englische; nun startet das Buch in den USA bei Scholastic und in Großbritannien bei Chicken House "mit erheblichen Werbeetats". Die Details zum Marketingaufwand sprengten zum Teil den Harry-Potter-Aufwand, so der buchreport.

Zwischenbericht vor der Neueröffnung des Mutterhauses der Mayerschen Buchhandlung in Aachen: Am 19. September eröffnet das Geschäft auf 5.000 Quadratmetern. Vier Millionen Besucher pro Jahr will die Mayersche anlocken. Im eigenen Revier - Nordrhein-Westfalen - stehen die Zeichen weiter auf Expansion. Bereits im Herbst soll eine Filiale in Essen eröffnet werden.

Finanzielle Vorteile schaffen moralisch verwerfliche Abhängigkeiten. Oder? Nein, es geht nicht um Cem Özdemir (oder, um ein etwas weniger öffentliches Thema zu nennen, um Journalistenrabatte), es geht um den so genannten Ausverkauf der Kunst, sprich: um Werbung in oder gar mit Büchern. Die Reaktionen auf Fay Weldons Werbe-Roman "Bulgari Connection" (hier ein Beispiel) waren vorhersehbar. Im September erscheint das Buch in Deutschland bei Hoffmann und Campe. In Erwartung eines weiteren Aufschreis weist der buchreport darauf hin, dass die Finanzierung von Büchern durch Werbung nicht neu ist: Legendär ist die Werbung für Pfandbriefe und Kommunalobligationen in Rowohlt-Taschenbüchern, "Ullstein hatte in den 80er Jahren Marlboro-Werbung in seinen Krimis, der Berliner Verlag be.bra lässt seine 'Berlin Krimi'-Reihe von einem ortsansässigen Bestatter sponsern. Kochbücher und Ratgeber werden von Markenherstellern wie Milka, Iglo oder Philadelphia finanziert. (...) Luigi Malerba, in Deutschland bei Suhrkamp und Wagenbach zu Hause, hat 2001 sein Buch 'Citta e dintorni' (Verlag Mondadori) mit Reklame finanziert. So kostete das Buch statt 32.000 nur 18.000 italienische Lire."

Die Euro-Umstellung hat im Buchhandel zu vielen glatten Preisen geführt. Im Gegensatz zu D-Mark-Zeiten (DM 19,80) werden häufig gerade Summen verlangt (Euro 10,00). "Eine Überprüfung der Belletristik-Bestsellerverlage (Hardcover: Diogenes, Carlsen, Hanser, Klett-Cotta, Heyne und Zsolnay; Taschenbuch: Goldmann, Heyne, dtv, Bastei-Lübbe und Rowohlt) hat ergeben: Euro-Preise, die auf 00, 50 oder 90 Cent enden, dominieren."

Weitere Meldungen: Mittelfristig strebt Weltbildplus die Marke von 300 Filialen an. Derzeit gibt es in Deutschland, Österreich und in der Schweiz 218 Filialen. Lübbe lässt künftig ausschließlich von KNO ausliefern. Die Holtzbrinck-Verlage Urban & Fischer und Spektrum Akademischer Verlag legen Marketing, Vertrieb und Verkauf zusammen. Eine einheitliche Führungsstruktur war ihnen bereits verordnet worden. Und die Verlage aus der Schweiz, aus Österreich und Luxemburg sind sauer auf die Frankfurter Buchmesse-Veranstalter. Sie wurden in Halle 4.0 angesiedelt, bei "Media und Technology".

Hier der wöchentliche Link zur buchreport-/Spiegel-Bestsellerliste.

Börsenblatt

Der Insolvenzantrag der Berliner Buchhandlung Kiepert bezieht sich nach Auskunft des Amtsgerichts Charlottenburg auf das Hauptgeschäft am Ernst-Reuter-Platz und auf die Filiale an der Freien Universität, schreibt das Börsenblatt. "Nicht in die Insolvenz einbezogen sind demnach die Berliner Kiepert-Filialen an der Humboldt-Universität, im Marktplatz Center Hellersdorf" und am U-Bahnhof Stadtmitte.

Zwei Kiepert-Filialen wurden von der Buchkette Thalia übernommen. Und die wächst immer weiter: Ab 1. Oktober gehört die Erlanger Universitätsbuchhandlung Palm & Enke dem Hamburger Großfilialisten. "Zu Palm & Enke gehören die Erlanger Universitätsbuchhandlungen Mencke-Blaesing und Theodor Krische sowie die Jenaer Universitätsbuchhandlung; sie werden unter ihren bisherigen Namen weitergeführt. Die laut Geschäftsleiter Ernst W. Bork 75 Mitarbeiter der Gruppe werden von Thalia komplett übernommen."

"Die deutschen Aussteller müssen wieder mit Begeisterung zur Messe kommen", sagt der neue Direktor der Frankfurter Buchmesse, Ex-Random-House-Geschäftsführer Volker Neumann, im Interview mit Hendrik Markgraf. "Mein Ziel ist es, die Messe attraktiver zu machen: vor allem für die Fachbesucher und für das allgemeine Publikum. Für jeden Germanistikstudenten zum Beispiel muss die Buchmesse eine Pflichtveranstaltung sein. Universitäten und Professoren sollen angesprochen werden."

Auch die Sparte Fachinformation ist vom Stellenabbau des Süddeutschen Verlags betroffen, sagt Dirk Refäuter, Sprecher der Geschäftsführung. "Unsere Investitionen konzentrieren wir gegenwärtig auf den Regionalteil Nordrhein-Westfalen der Süddeutschen Zeitung und die Online-Rubriken unter der Website sueddeutsche.de", sagt Refäuter im Interview mit Sybille Fuhrmann. Er ist seit kurzer Zeit auch kommissarischer Leiter der Fachverlagssparte SVHFI. Auch diese zähle "zu den Kerngeschäften" des Süddeutschen Verlags. Auf die Frage, ob Teile der Fachsparte zur Disposition stünden, sagt Refäuter: "Wir führen Gespräche mit einem Finanzinvestor mit dem Ziel, ihn an unserer Fachinformationsgruppe zu beteiligen. Das würden wir nicht tun, wenn wir den Bereich verkleinern wollten. Es ist aber nicht auszuschließen, dass man über das Portfolio nachdenkt, wenn es darum geht, diesen Bereich neu auszurichten. Ob am Ende eine stärkere Fokussierung auf einzelne Segmente herauskommt, ist noch völlig offen."

Der Jung-und-Jung-Verleger Jochen Jung erinnert daran, dass Bücher einerseits auch nur ein Medium unter vielen, andererseits aber auch "keine Kirchenmäuse" sind: Bücher bestehen aus Sprache, "unserer wunderbaren Sprache mit ihren wunderbaren Regeln und ebenso wunderbaren Ausnahmen von diesen Regeln, und da spielt es erst mal gar keine Rolle, um was für einen Inhalt es geht."

Weitere Meldungen: Die Sanierung des Könemann Verlages kommt offenbar gut voran; bereits im Herbst könnten erste Titel neu- oder nachgedruckt werden. Und die Stiftung Lesen und der Börsenverein fordern nach der Pisa Studie neue Initiativen.
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