Kurt Cobain

Kurt Cobain: Tagebücher

Cover: Kurt Cobain: Tagebücher
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2002
ISBN 9783462031843
Gebunden, 338 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen und herausgegeben von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Kurt Cobain füllte Dutzende von Notizbüchern und Kladden mit privaten Aufzeichnungen, Songtexten, Zeichnungen und Briefen. In ihnen hat er die Pläne für Nirvana entwickelt, seine Gedanken zu Ruhm und Berühmtheit festgehalten und über jene Leute geschrieben, die seine musikalische Entwicklung geprägt haben.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.11.2002

Eine positive Überraschungen sind diese Tagebücher des Rockstars Kurt Cobain für Kerstin Grether auf jeden Fall, denn offensichtlich hatte sie ein eher depressiveres, introspektiveres Dokument erwartet. Der Tonfall der Aufzeichnungen ist jedenfalls fröhlicher als die Rezensentin ihn sich vorgestellt hätte: "stellenweise verbreiten sie sogar eine ansteckend gute Laune, denn sie haben etwas von einem situationistischen Manifest und sprühen nur so vor künstlerischer wie auch politischer Energie". Auch sonst hinterfragen die Tagebuchaufzeichnungen einige Klischee über den Künstler. So ergerbe sich aus seinen Aufzeichnungen nicht der Eindruck, er sei am Erfolg und am Kontrollverlust über sein künstlerisches Schaffen zerbrochen, wie gerne behauptet wird. Besonders interessant findet Grether, dass Cobain offensichtlich ein sehr politisch denkender Mensch war, "beeinflusst vom Minoritäten-Diskurs der amerikanischen Political-Correctness Bewegung". Ein besonderes Lob geht an die Übersetzer Clara Drechsler und Harald Hellmann", die sie als stilsicher lobt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.11.2002

Kurt Cobain stellt für Uwe Pralle die "bedeutendste Rock-Ikone" der 90er Jahre dar, und er sieht in den nun erschienen Tagebüchern, die eigentlich eher ein "Textkonvolut" aus Notizen, Songtexten und Briefen darstellen, als "roten Faden" vor allem den späteren Selbstmord des Sängers vorgezeichnet. Eine wirkliche "Erklärung" seines Lebens sind die Texte für den Rezensenten allerdings nicht und auch nach der Lektüre bleibt ihm manches rätselhaft. Das liegt zum einen daran, dass die deutsche Ausgabe lediglich eine Auswahl aus der amerikanischen Ausgabe abgedruckt hat, die ihrerseits auch nur eine Auswahl aus den Originaltexten vorgenommen hatte. Zudem sind die Aufzeichnungen von Cobain undatiert, so dass die angestrebte chronologische Ordnung erschwert wird, wie Pralle weiß. Schließlich kommt hinzu, dass vier der ungefähr 20 Notizblöcke 1993 gestohlen wurden und so eine Lücke klafft, die ausgerechnet die Beziehung zu seiner Frau Courtney Love betrifft. Aufschlussreich aber ist die Textsammlung für den Rezensenten, wenn es um den ungeheuren Erfolg der Gruppe Nirvana geht. Insbesondere die Ambivalenz von "Erfolgsdruck und subkulturellem Oppositionsgeist", unter der Cobain seiner Ansicht nach litt, findet er in den Texten wieder. Traurig allerdings findet Pralle, dass diese Notizen eindeutig gegen den Willen Cobains veröffentlicht wurden und mit der Edition so in eine "geschützte Sphäre" eingedrungen wird, die der Sänger zeitlebens vor der "hämischen" Presse zu schützen versuchte.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.11.2002

In diesen Tagbüchern, so der Rezensent Thomas Groß, offenbart sich "das Bild eines armen Rock'n'Rollers, der an seinem eigenen Mythos zugrunde geht". Es handele sich dabei jedoch um einen Untergang in vollem Bewusstsein, in dem sich der körperliche Schmerz mit einem hellsichtigen Sarkasmus gegenüber der Gesellschaft verbinde. Was den Leser in den Bann dieser Aufzeichnungen (der Begriff Tagebuch ist nach Groß' Ansicht eher irreführend) ziehe, sei vor allem ihre Energie, "die Energie des Punk, die die Buchstaben sich biegen, dehnen und über den Rand des Papiers hinausdrängen lässt". Cobains "Hölle" ist auch die des Spätgeborenen, meint Groß. Cobains "präzise" Diagnose zum zeitgenössischen Pop laute: "matt, verspielt, unauthentisch", und so entfalte sich das "unglückliche Bewusstsein der (Post-)Moderne", in der Erkenntnis, dass der "sensible Antiheld" letztlich nur eine Rolle unter vielen sei. Darüber hinaus sind die Tagebücher für Groß "Krankheit zum Tode", zuletzt "Rückzug unter die eigene Hirnschale". Fazit des Rezensenten: "Schön ist nicht immer, was Cobain zu seiner Lage notierte, aber meist hellsichtig."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.11.2002

"Lies nicht in meinem Tagebuch, wenn ich weg bin", zitiert Alex Rühle den eindeutigen Hinweis aus Kurt Cobains Tagebüchern. Doch Witwe Courtney Love sei ja nicht mehr ganz jung und brauche wahrscheinlich Geld, bemerkt Rühle, so können wir also alle lesen. Und wenn man Rühle folgen darf, sogar mit einem gewissen Gewinn. Schließlich hat es seine Rezension zum Aufmacher des Feuilletons gebracht. Zwanzig Spiralblöcke hat Cobain vollgeschrieben, erfahren wir von Rühle, mit Liedtexten, furiosen Attacken auf "EmpTyV", Hasstiraden auf die Industrie und die ignorante Musikjournaille- und natürlich auf sich selbst: "Oh, der Erfolg! Ich fühl mich ja so schrecklich schuldig!". Das banale Leben komme kaum vor, selbst Courtney nur in solch beiläufigen Sätzen wie "Also entgifteten Courtney und ich in einem Hotelzimmer". Das Ganze lese sich wie eine Baustelle, meint Rühle, nicht nur wegen der vielen Brief- und Songskizzen, sondern auch als "Baustelle einer Persönlichkeit": eine, die sich selbst als "magersüchtigen Borderline-Auschwitz-Grunge-Boy" bezeichnet, und schließlich merken muss, dass sie doch nur das "Produkt einer griffig verpackten Industrierebellion" sei. Viel Schuld also, Todessehnsucht, aber auch "rock and roll will never die".
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