Spätaffäre

Kulturelles Bauchreden

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
18.02.2014. Für den Sinn: Ein langer Beitrag zu Fethullah Gülen in Le Monde diplo. Für die Ohren: Michelangelo und Elfriede Jelinek. Für die Augen: Frank Borzage: Film "In einem anderen Land".

Für Sinn und Verstand

Günter Seufert wirft in Le Monde diplomatique einen Blick auf die immer mächtiger werdende Bewegung des Fethullah Gülen, die islamische Frömmigkeit und säkulare Bildung verbindet. Dass die Bewegung in Justiz und Verwaltung so viel Einfluss gewinnen und etwa die Korruptionsermittlungen gegen Erdogans Regierung durchführen konnte, erklärt Seufert denn auch mit der viel besseren Ausbildung ihrer Kader. "Die aktuelle Auseinandersetzung hat zwei Dimensionen. Sie ist vor allem eine Konkurrenz um von der Regierung zu verteilende Ressourcen, also um Posten in Bürokratie und Parlament, um Staatsaufträge, Bauland und wirtschaftliche Subventionen. Zugleich treten politische Differenzen zwischen der AKP und der Gülen-Bewegung immer klarer zutage, vom Umgang mit der Kurdenfrage bis zur Außenpolitik. Gut und Böse sind bei dieser Konfrontation schwer zu bestimmen. Auf der einen Seite steht eine demokratisch gewählte und damit politische legitime Regierung, die dabei ist, alle rechtsstaatlichen Grundsätze über Bord zu werfen; auf der anderen Seite die klandestin organisierten Kader einer Bewegung, die mit der Aufdeckung von Korruptionsfällen und prowestlicher Rhetorik punkten will."

Außerdem gibt Kenan Malik in der Diplo zu bedenken, dass vielleicht nicht die Einwanderung den sozialen Zusammenhalt gefährdet, wie britische Konservative glauben machen wollen, sondern dreißig Jahre neoliberale Politik. Gérard Prunier berichtet aus dem Südsudan, der seine Hoffnung auf eine demokratische Entwicklung gerade beerdigen kann.

Vor einigen Tagen lasen wir, dass der Verlag Penguin India nach jahrelangen massiven Protesten nationalistischer Hindus, die Beleidigung ihrer religiösen Gefühle geltend machten, Wendy Donigers "Alternative Geschichte" des Hinduismus zurückzieht. Im Independent hat Arundhati Roy gegen diese Entscheidung protestiert. Was an dem Buch so verstörend für orthodoxe Hindus ist, erfährt man aus einer 2010 im Magazin Himal erschienenen Kritik des Forschers und Filmemacher Diwas Kc: "Donigers Buch ist ein gewaltiger Tribut an die Pluralität des Hinduismus [...] Aufmerksam vor allem gegenüber der seltenen Präsenz von Frauen, Dalit, Adivasis und anderen Parias in der vorherrschenden Auffassung des Hinduismus, behauptet Doniger, dass deren Sichtweisen nicht nur in den verschiedenen Texten seit den Vedas gefunden werden können, sondern dass sie manchmal sogar die Stimme eines brahmanischen Autors kapern - durch seltsame Umstände von kulturellem Bauchreden. Mit anderen Worten, die Überzeugungen der Männer aus gehobener Kaste, die uns überliefert wurden, und die Perspektiven der 'Subalternen', die verborgen bleiben, überlappen sich oftmals, sind Hybride, wobei die letzteren oftmals durch die Stimmen der ersteren 'sprechen'."

Für die Augen

Arte bringt einen Klassiker des Hollywoodkinos von Frank Borzage: "In einem anderen Land" entstand 1932 nach einem Drehbuch von Ernest Hemingway. In der Hauptrolle: Gary Cooper. Laufzeit: 85 Minuten.


Mit Tilda Swinton auf dem Rad durch Berlin: ZDFkultur bringt den Dokumentarfilm "The Invisible Frame". Hier weitere Infos. Laufzeit: 60 Minuten.

In seiner ARD-Sendung "Druckfrisch" interviewte Denis Scheck die Lyrikerin Ann Cotten zu ihrem neuen Erzählungsband "Der schaudernde Fächer". Die Autorin wurde in Iowa geboren, ist in Wien aufgewachsen und lebt heute in Berlin. Ihre narrativen Texte leben nicht so sehr vom Plot, sondern von einer Sprache, "die als Erzählstrom einer globalisierten Generation" daherkomme, meint Scheck. Zuletzt wurde Cotton der Adalbert-von-Chamisso-Preis & der Wilhelm-Lehmann-Preis zugesprochen. Schwerpunkt des Gespräches war "Literatur als Haut des Widerstandes gegen den Kapitalismus" ... (7:34 Min)
Archiv: Für die Augen

Für die Ohren

Vor 450 Jahren ist Michelangelo gestorben - daran erinnert nicht nur Arno Widmann in der Berliner Zeitung, sondern auch der Bayerische Rundfunk mit einem Beitrag in seiner Reihe "Radiowissen". Hier der Download. (23 Min.)

Neu im Hörspielpool des Bayerischen Rundfunks: "Die Schutzbefohlenen", ein Hörspiel von Elfriede Jelinek. Aus dem Programmtext: "Obwohl sie in jüngster Zeit überall präsent sind, die Bilder von Flüchtlingsmengen, die sich auf Booten drängen und die Festung Europa zu erobern suchen, oder von aufbegehrenden Asylbewerbern in deutschen Städten, die auf öffentlichen Plätzen in den Hungerstreik treten; Stimmen haben diese Menschen selten. Anders in Jelineks Text: Hier meldet sich ein Chor aus Flüchtlingen und Asylsuchenden in einer lautstarken Litanei zu Wort und wird doch ungehört bleiben von den Angerufenen." Hier als Download (80 Min).

"Den Engel schultern..." - ein WDR-Feature von Christoph Vormweg über "Das Fremde Meer", den Debütroman von Katharina Hartwell. Hier als Download (55 Min).
Archiv: Für die Ohren