Norman Ohler

Der totale Rausch

Drogen im Dritten Reich
Cover: Der totale Rausch
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2015
ISBN 9783462047332
Gebunden, 368 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Über Drogen im Dritten Reich ist bislang wenig bekannt. Norman Ohler geht den Tätern von damals buchstäblich unter die Haut und schaut direkt in ihre Blutbahnen hinein. Arisch rein ging es darin nicht zu, sondern chemisch deutsch - und ziemlich toxisch. Wo die Ideologie für Fanatismus und 'Endsieg' nicht mehr ausreichte, wurde hemmungslos nachgeholfen, während man offiziell eine strikte Politik der 'Rauschgiftbekämpfung' betrieb. Als Deutschland 1940 Frankreich überfiel, standen die Soldaten der Wehrmacht unter 35 Millionen Dosierungen Pervitin. Das Präparat - dessen Wirkstoff das heutige Crystal Meth bestimmt - war damals in jeder Apotheke erhältlich, machte den Blitzkrieg erst möglich und wurde zur Volksdroge im NS-Staat. Auch der vermeintliche Abstinenzler Hitler griff gerne zur pharmakologischen Stimulanz: Als er im Winter 1944 seine letzte Offensive befehligte, war er längst süchtig nach Eukodal, einem Opioid stärker als Heroin. Schier pausenlos erhielt er von seinem Leibarzt Theo Morell verschiedenste Dopingmittel, dubiose Hormonpräparate und auch harte Drogen gespritzt. Nur so konnte der Diktator seinen Wahn bis zum Schluss aufrechterhalten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.11.2015

Für höchst problematisch hält die hier rezensierende Historikerin Helena Barop das erste Sachbuch des Romanautors Norman Ohler über den Drogenkonsum der Nazis. Sie findet es spekulativ und sensationslüstern, ein "Anekdoten-Karneval", der mit Kapitelüberschriften wie "Sieg high" eingeleitet wird. Zwar entwickle die Geschichte einen TV-Show-artigen Sog, sei witzig und unterhaltsam erzählt, es fehle ihr aber an der nötigen seriösen Analyse. Ohlers größtes Problem ist in den Augen der Rezensentin, dass er den Unterschied zwischen Tatsache und Möglichkeit nicht kennt und vieles im Buch daher falsch oder zumindest nicht belegbar sei. So entsteht ein Zerrbild der historischen Wirklichkeit, wie Barop befindet, und letztlich auch eine zu einfache Erklärung für Hitlers Handeln: "Mensch plus Droge gleich Monster" - das sei Ohlers allzu simple Gleichung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.11.2015

Hitler war süchtig nach Crystal Meth, ließ sich Eukadol spritzen und schnupfte Kokain, erfährt der rezensierende Historiker Jörg Baberowski in "Der totale Rausch", Norman Ohlers Buch über Drogen im Dritten Reich. Meth hieß damals noch Pervitin und sollte die Soldaten an der Front wach und euphorisch halten, erklärt der Rezensent, Hitler halfen die Mittelchen, die von seinem Leibarzt Theodor Morell verabreicht und sorgfältig dokumentiert wurden, gegen Niedergeschlagenheit und Angstzustände - Ohler zufolge seien sie aber auch ein wesentlicher Grund für Hitlers Größenwahn gegen Kriegsende gewesen, verrät Baberowski. Leider wird Ohler in dem Maße unglaubwürdig, in dem er alles durch die Drogen erklären will, bedauert der Rezensent. Die aufgeworfenen Fragen findet Baberowski aber nichtsdestotrotz spannend.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 18.09.2015

Fast hätte Rezensent Sven Felix Kellerhoff die Ausführungen über Drogen im Dritten Reich schon nach der Einleitung zur Seite gelegt, gesteht Norman Ohler dort doch die "verzerrte Perspektive" seines Sachbuchs ein. Doch die weitere Lektüre habe sich letztlich gelohnt, so Kellerhoff, die extremen Kritikermeinungen zwischen Hymne und Verriss würden Ohlers Werk jeweils nicht gerecht. Zwar habe der Romanautor einerseits interessante neue Details über Nazi-Deutschland herausgefunden, andererseits schieße seine wichtigste These aber weit übers Ziel hinaus und entwerte so das Buch größtenteils. Zu oft verwische Ohler die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit. Dabei wisse der Autor sehr wohl, dass er mit seiner Sprachgewalt und "Vorliebe für eindringliche Formulierungen" übertreibe, glaubt Kellerhoff. Schließlich setzt der Rezensent zu einer Liste mit faktischen Fehlern Ohlers an - und ist sich sicher, dass sich diese noch fortsetzen ließe.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.09.2015

Rezensent Jens Uthoff bezweifelt den Erkenntnisgewinn des Buches von Norman Ohler. Zwar bietet Ohler wohl einen Überblick des Drogenkonsumverhaltens bei Militär und Führung im Dritten Reich, die Fakten kennt der Rezensent jedoch bereits aus anderen Büchern. Dass Hitler gegen Ende seines Lebens ein Kokain- und Pervitinjunkie war, wusste Uthoff ebenfalls schon. Lediglich die Beziehung Hitlers zu seinem Leibarzt Theo Morell kann der Autor dem Rezensenten erhellen, wenngleich das Buch jenseits des Studiums von Hitlers Krankenakte mitunter literarisch und spekulativ wird, wie Uthoff vermerkt. Zur echten Gesamtschau fehlt dem Rezensenten etwa eine eingehendere Untersuchung der Medikamentenversuche in den KZs. Zu einer Neubewertung des Nationalsozialismus, wie sie das Nachwort von Hans Mommsen fordert, fühlt sich Uthoff nach der Lektüre jedenfalls nicht veranlasst.